Utanka trifft auf Takshak
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Um meine Ohrringe wiederzubekommen, ehre ich dich, Takshak, den Nagakönig, welcher einst in Kurukshetra lebtest im Walde Khandava. Takshak und Aswasena, ihr ward beständige Gefährten und lebtet in Kurukshetra am Ufer des Flusses Ikshumati. Ich verehre auch den ruhmreichen Srutasena, den jüngeren Bruder von Takshak, der im geheiligten Ort Mahadyumna lebte mit der Absicht, König über die Schlangen zu werden.
Auf diese Weise grüßte der Brahmane Utanka die großen Schlangen, doch er erhielt nicht die Ohrringe zurück. Daraufhin begann er gründlich nachzudenken. Er schaute sich um und erblickte zwei junge Frauen an einem Webstuhl, die mit einem feinem Schiffchen aus weißen und schwarzen Fäden ein Stück Tuch webten.
Er sah auch ein Rad mit zwölf Speichen, welches von sechs Jungen gedreht wurde. Und da war noch ein Mann auf einem schönen Pferd. Um ihnen zu gefallen, sprach er folgenden Mantras zu ihnen: Das Rad, dessen Umfang in vierundzwanzig Teile geteilt ist, stellt die Mondphasen dar und hat dreihundert Speichen. Es wird von den sechs Jungen, den Jahreszeiten, in Bewegung gehalten. Diese Mädchen repräsentieren die universelle Natur mit schwarzen und weißen Fäden. Damit erschaffen sie die mannigfaltigen Welten und die Wesen, die darin leben.
Du Träger des Donners (Yahve = Indra), Beschützer des Universums, Bezwinger von Vritra und Namuchi, du Ruhmreicher, der du schwarze Kleidung trägst, du entfaltest Wahrheit und Unwahrheit im Universum. Du hast als Tragetier ein Pferd aus den Tiefen des Ozeans, welches nur eine andere Form von Agni (der Feuergott) ist.
Vor dir verbeuge ich mich, du höchster Herr, du Herr der drei Welten, oh Purandara (Name von Indra). Der Mann auf dem Pferd sprach: Deine Verehrung gefällt mir sehr. Was soll ich dir Gutes tun? Utanka erwiderte: Bring die Schlangen unter meine Kontrolle.
Der Mann antwortete: Blas in das Pferd. Utanka tat, wie ihm geheißen, und aus allen Körperöffnungen des Pferdes schlugen tausende Feuer mit Rauch und Flammen, welche das Reich der Nagas zu verschlingen drohten. Takshak war über alle Maßen erstaunt und fürchtete sich vor der Hitze. Er kam aus seinem Heim, hatte die Ohrringe mitgebracht und sprach zu Utank: Ich flehe dich an, Herr, nimm die Ohrringe zurück.
Das tat er und dachte gleichzeitig nach: Oh, heute ist der heilige Tag, den meine Herrin erwähnte, und ich bin weit entfernt. Wie kann ich ihr meine Achtung bezeugen und ihr rechtzeitig den Schmuck übergeben? Als er so meditierte, sprach der Mann: Steig auf das Pferd, Utanka, und es wird dich in einem Augenblick zu deinem Meister und seiner Familie tragen.
Utanka stimmte zu, bestieg das Pferd und erreichte sofort das Haus seines Meisters. Dessen Gattin hatte am Morgen gebadet, frisierte gerade ihr Haar und dachte daran, daß sie Utanka verfluchen würde, wenn er nicht rechtzeitig zurückkäme.
In diesem Augenblick betrat Utanka das Haus, grüßte die Frau seines Lehrers und überreichte ihr die Ohrringe. Utanka, sagte sie, du bist im rechten Moment am rechten Ort erschienen. Willkommen, mein Kind, du bist unschuldig, und daher werde ich dich nicht verfluchen. Dir ist Glück beschieden. Deine Wünsche sollen mit Erfolg gekrönt sein.
Danach wartete Utanka auf seinen Lehrer. Auch dieser sprach: Sei willkommen. Was war der Grund für deine lange Abwesenheit? Und Utanka erzählte ihm: Takshak, der Schlangenkönig, hinderte mich an der Ausführung meines Auftrages. Ich mußte in das Reich der Nagas gehen.
Dort sah ich zwei Damen an einem Webstuhl, welche schwarze und weiße Fäden zu einem Stoff verwebten. Wer mag das sein? Ich sah auch ein Rad mit zwölf Speichen, welches von sechs Jungen unaufhörlich gedreht wurde. Was bedeutet das? Und ich sah einen Mann. Wer war das? Und dieses Pferd von riesiger Größe?
Auf der Straße traf ich einen Bullen, auf dem ein Mann ritt, der mich liebevoll drängte, den Dung des Bullen zu essen, weil mein Meister dies auch getan hätte. Ich folgte seinen Worten und aß davon. Wer war das? Von dir erleuchtet möchte ich alles darüber hören.
Sein Lehrer erklärte es ihm: Die beiden Damen, die du gesehen hast, sind Dhata und Vidhata, und die schwarzen und weißen Fäden bedeuten Tag und Nacht. Das von den Jungen gedrehte Rad mit den zwölf Speichen ist das Jahr, welches sechs Jahreszeiten umfaßt.
Der Mann ist Parjanya, die Gottheit des Regens, und das Pferd ist Agni, der Gott des Feuers. Der Bulle, dem du auf der Straße begegnet bist, ist Airavata, der König der Elefanten, und der Reiter darauf ist Indra (Yahve).
Der Mist des Bullen, den du gegessen hast, ist Amrit (Nektar der "Unsterblichkeit"). Das war sicherlich der Grund dafür, daß du im Reich der Nagas nicht dem Tod begegnet bist. Indra mit den sechs Attributen ist mein Freund. Voller Mitgefühl hat er dir seine Gunst gezeigt, und daher konntest du mit den Ohrringen sicher aus dem Reich der Nagas zurückkehren. Nun, du Freundlicher, gebe ich dir die Erlaubnis zu gehen. Du wirst Glück erfahren.
Doch nachdem Utanka von seinem Meister die Erlaubnis zur Abreise erhalten hatte, ging er zornig fort und beschloß, an Takshak Rache zu nehmen. Dieser hervorragende Brahmane begab sich nach Hastinapura, erreichte schon bald die Stadt und trat vor König Janamejaya, welcher erst vor kurzem siegreich aus Taksha-shila zurückgekehrt war.
Utanka erblickte den Monarchen, wie er von seinen Ministern umgeben auf seinem Thron saß. Er brachte die angemessenen Segnungen aus und sprach zum König im rechten Augenblick, mit korrekten Worten und melodischem Klang: Oh Bester der Monarchen, wie kannst du deine Zeit wie ein Kind vertun, wenn dringendere Dinge deine Aufmerksamkeit erfordern?