Ich habe mich zwar auch mit Schattenarbeit auseinandergesetzt, bin aber nicht mit allen Annahmen dessen einverstanden. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass jeder Mensch alles in sich trägt. Man muss auch nicht alles verstehen. Es ist also keine "Inkompetenz", wenn man nicht versteht, wie Saddismus ist.
Der Mensch selbst ist ein wahnsinnig komplexes System. Nicht nur geistig, sondern auch physisch und es bedingt sich alles gegenseitig. Allein die neuronalen Abläufe sind so komplex, dass sich nicht alles durch Erziehung, Wertevorstellung, geistige Kontrolle, etc., erklären kann. Es gibt zum Beispiel organische Veränderungen im Gehirn, die Einfühlungsvermögen und Kontrollfähigkeit abschalten und impulsiv- gewalttätiges Verhalten auslösen können. Und so viel mehr.
Aus teilweise psychologischer Sicht ist es eher die Lust an Machtmissbrauch, die Saddismus fördert. So sind viele Menschen, die Kinder missbrauchen, nicht mal pädophil, sondern suchen sich eben ein schutz- und wehrloses Opfer, unabhängig der sexuellen Präferenz.
Nicht jeder ist an Macht interessiert und selbst jene, die es sind, suchen sie auf unterschiedliche Weise. Nicht jeder hat also entsprechendes Potential in sich. Es gibt aber Umstände, die entsprechendes Verhalten erst im Laufe des Lebens ermöglichen. Zum Beispiel physische Traumata, durch Unfälle, bei denen bestimmte Bereiche des Gehirns geschädigt werden, Krankheiten, Misshandlung. Und erhebliche psychisch traumatische Ereignisse. Das muss aber alles auch nicht zwangsläufig zu Saddismus führen.
Wenn man von der Annahme ausgeht, dass Gott bedingslos liebt, dann muss man auch akzeptieren, dass Gott auch Saddisten liebt. Was wiederum nicht heißt, dass er die Taten gut heißt. Außerdem heißt es auch nicht, dass du Saddisten lieben musst, oder es verstehen musst.
Wir haben mit Bestimmtheit alle "schlechte, verletzende" Anteile. Deswegen muss aber nicht jede Ausprägung dabei sein. Mach dich also nicht fertig, nur weil du keine machthungrig-saddistischen Anteile in dir findest. Man muss nicht heraufbeschwören, was nicht da ist