In der vierten Schicht dieser Geschichte kommt das Feuer. Es ist eine Wiederholung auf höherer Ebene. Mit dem Ebene des Stocks bewegt man sich so menschlich gesehen schon ganz gut durchs Leben. Das Feuer ist die Wiederholung der ersten Stufe, der Katze und des Schmerzes.
Das Thema begegnet einem also erneut, nur auf einer besseren Basis. Es ist nun soweit, daß man Verständnis für den anderen und für sich selbst entwickelt hat. Doch es fehlt noch etwas, das Mitgefühl. Ohne das Mitgefühl bleibt ein Haß. Man kann ihn fühlen, wenn man nach einiger Zeit plötzlich wieder mit derselben Art von Verletzung konfrontiert wird. Dann ist sofort wieder alles da. Alle die Wachstumsschritte, die bisher stattgefunden haben, scheinen wie ausgelöscht.
Der Schmerz ist wieder da, und noch intensiver. Wenn es heftig ist, ist es wie eine Re-traumatisierung. Und Wut kommt spätestens jetzt auf. Die Wut, warum muß mir das schon wieder passieren? Nimmt das denn nie ein Ende?
Nein!!!
Es muß doch etwas geben, etwas, das ich ändern kann, damit sich die Dinge nicht wiederholen.
Das ist das Feuer. Feuer kann verbrennen. "Gebranntes Kind scheut das Feuer". Dieser Satz aus der Volksweisheit enthält nicht nur, daß man schmerzhafte Erfahrungen nicht wiederholt. Es ist eine bittere Erfahrung. Die Falle in diesem Prozeß ist, daß man verbittern könnte. Asche schmeckt bitter. Man könnte auf dieser Stufe selbst zum Täter werden. Der Haß und die Wut auf das Geschehene ist so groß, daß man die Rollen tauschen könnte.
Der Haß und die Wut waren auch vorher schon da. Nur auf dieser Stufe werden sie bewußt. Es gibt ja Menschen, die sagen, daß sie nicht hassen können. Meistens kennen diese Menschen sich nicht in ihrer Tiefe. Als Möglichkeit steckt dies in jedem Menschen, ebenso wie die Möglichkeit, ein Mörder zu sein.
4. ein Sterben der Wut
Die vierte Stufe des wahren Verzeihens enthält ein Sterben der Wut. Ich kann doch nicht alles vernichten, nur aus Wut über das Geschehene. Es ist das Mitgefühl für mich und für mein Umfeld, das mich zurückhält. Trotzdem ist es kein passives Hinnehmen. Wut ist eine große Energie, die auch konstruktiv gebraucht werden kann. Man zerstört nur das, was nichts taugte. Ein Baum wird beschnitten. Tote Bäume werden ausgerissen. Das taugt als Brennholz. Es ist eine Trennung hier. Das Feuer trennt zwischen dem, was tauglich ist, und dem, was tot ist, was in dieser Form dem Leben nicht dienlich ist.
Im Innern ist dies eine Konzentration auf das, was mir wirklich gut tut und ein klares Mich-Abgrenzen von dem, was mir nicht gut tut. In der Stufe des Stocks, des Baumes, ist das noch gemischt. Da lebe ich oft noch mit ein paar faulen Kompromissen. Doch in der Stufe des Feuers wird alles sehr klar und deutlich. Das Licht des Erkennens leuchtet auf, und die Wärme des Mitgefühls wärmt das Herz.
Das Erkennen bedingt auch, daß manche Dinge nicht "gehen" und andere muß man gehen lassen. Ich habe gedacht, daß ich schon damit leben kann, wenn mein Partner mich schlägt. Doch im Erkennen und im Mitgefühl mit mir selbst ist es so, daß ich das nicht mehr akzeptiere. Das geht nicht. No way. Ich will das so nicht mehr. Und es ist ein Gehenlassen. So sehr man den anderen Menschen liebt und schätzt, es gibt Dinge, die nicht in den Rahmen passen. Es ist auch ein Bild des Feuers. Feuer ist wunderschön, warm und hell, aber wenn die Bude brennt, ist es zuviel. Die Dinge brauchen einen Rahmen, in dem sie konstruktiv sind, in dem sie keinen Schaden anrichten.
Es ist damit auch ein Abschied von der laissez-faire-Haltung, daß alles geht. Oder der LuL-Haltung (Licht-und-Liebe) der "bedingungslosen Liebe". So im Konkreten ist es dann oft doch nicht so sehr bedingungslos. Die Alternative wäre Untergehen. Aber dann ist es kein Mitgefühl mit mir selber mehr.
Die bedingungslose Liebe liebt eben auch die Bedingtheiten und liebt die Rahmen, in denen sich Schönes entfalten kann. Wer im Haushalt Ungeziefer oder im Darm Parasiten hat, der wird sich irgendwann auch von der Haltung der bedingungslosen Liebe verabschieden, wird sehen, daß es Dinge gibt, die nicht gehen.
Und in dieser konstruktiven, mitfühlenden Art wird die Energie der Wut und die Energie des Hasses umgesetzt. Dadurch wird sie wirklich verwandelt, und das Feuer kann sterben. Es hat seine Funktion erfüllt, die toten Äste falscher Lebensmöglichkeiten sind verbrannt. Oder nicht? Die Auflösung kommt in der nächsten Stufe, der des Wassers...
