Nachtrag: Vielleicht muss ich das hier noch etwas klären.
Ca. im August ging's mir wirklich dreckig über längere Zeit. Ich hatte einfach ein echtes Tief, wie ich es schon lange nicht mehr gehabt hatte, und sah für einige Zeit lang überhaupt keinen Ausgang. So zog sich das über lange Zeit hinweg, bis ich irgendwann auf dem Bett liegend realisierte, dass ich keinerlei Kontrolle darüber habe, ob ich leide oder nicht. Es passierte mir einfach, und es wird mit Sicherheit wieder passieren, und es gab überhaupt nichts, was ich dagegen tun konnte. Ich konnte es noch nicht einmal lindern oder es kleiner machen. Ich war dieser Sache einfach völlig hilflos ausgeliefert.
Dort begriff ich, dass das Leiden nicht mir gehörte. Ich hatte mich und mein Leiden noch immer viel zu wichtig genommen. Ich hatte es "zu meiner persönlichen Angelegenheit" gemacht, dabei gehörte es nicht mal mir. Wie mein Leben: Das gehört mir auch nicht. Es war nicht mein Besitztum, nicht meine Verantwortung, und darum hatte ich keine Kontrolle darüber. Aber dieses Wissen befreite mich überhaupt nicht. Ich gab zwar auf und mich dem Leide hin, aber das Leiden wurde dadurch in keiner Weise beendet.
Erst später ging es auf eine Weise, ich weiss nicht wie, von alleine wieder weg. Aber ich weiss genau, dass es wiederkommen wird und zwar unabhängig davon, was ich tue, ob ich das will der nicht, und wenn es kommt, wird es sein wie zuvor. Was soll ich denn auch dagegen tun können? Mich dagegen aufzulehnen hiesse, es erneut zu meinem persönlichen Kampf zu machen. (Weisst du, warum Hitler's Buch "Mein Kampf" heisst? Er hat sich furchtbar wichtig genommen. Dabei wird die Geschichte zeigen, dass er ein kleiner Hosenscheisser war, der sich nichts sehnlicher wünschte, als Anerkennung durch die anderen. Er wollte geliebt werden! Er wollte ein Künstler sein! Wie überaus menschlich... Aber er war ein Hosenscheisser mit archetypischer Kraft. Und schau dir an, was so einer alles auslösen kann.) Es ist nicht mein Kampf. Ich bin noch nicht einmal wichtig genug dafür.
Doch das war noch immer nicht die totale Ernüchterung. Die folgte erst NACH dieser Erkenntnis: Einzusehen, dass ich "noch nicht einmal nicht wichtig genug für mein Leiden" war, machte mich noch immer viel zu wichtig! Es war furchtbar in der vollen Banalität: Auch DIES war noch ein Trick von mir, um mich vor dem Leiden zu flüchten. Ich sagte mir "Mein Leiden gehört mir gar nicht." und insgeheim hoffte ich, dadurch eben DOCH noch frei zu werden. Indem ich das Leiden auf eine unpersönliche oder überpersönliche Ebene anhob, hatte ich noch immer versucht, es von mir wegzuschieben.
Das zu realisieren war einmal mehr wie ein inneres Sterben. Es war brutal in der Einfachheit der Erkenntnis. Da blieb einfach nichts mehr übrig, da wurde alles, was noch übrig war, in kleine Stückchen zersäbelt. Das absolut einzige, was einem am Ende übrig bleibt, ist das Leiden als das persönliche Schicksal anzunehmen. "Ich bin nicht Gott, aber dieses Leiden - und damit mein Leben - ist real. Es ist mein Schicksal. Und mehr gibt es dazu nicht zu sagen."
Tja. So isses. Eine beschauliche Geschichte, nicht? Ich hoffe, sie hat euch einen Schauder beschert und ein wenig Gänsehaut.