Letzten Sommer hab ich mal ein bißchen mit einem Scientologen in der Fußgängerzone gequatscht. Der war wirklich ganz nett und der hatte auch Herzensqualitäten. Wenn man die ganzen Vorurteile ablegt, dann kann sich vielleicht so etwas wie Verständnis entwickeln ... eine seltene Eigenschaft unserer heutigen Zeit.
Deshalb trenne ich immer fein säuberlich zwischen Ideologie und Individuum. Dem Individuum gegenüber empfinde ich keine Abneigung, das wissen hier auch jene, deren
Lehren ich nicht unbedingt als das Sahnehäubchen auf der (spirituellen) Torte betrachte.
Bei dem Betrieb, für den ich kurz gearbeitet habe (ich bin selbständig) spielte sich das so ab: nach dem ersten Schreck habe ich mich auf das Verhältnis zu den Mitarbeitern, mit denen ich zu tun hatte, besinnt, und das war durchaus positiv (gegenseitig).
Es war sachlich, sehr professionell, sie waren unglaublich gut organisiert, und wenn sie mir etwas weniger erfreuliches mitteilen mussten (etwa eine Terminvorverlegung...), haben sie das immer sehr freundlich getan.
Es hat mich während dieser Zeit nie wer auf ihre "Lehre" angesprochen.
Allerdings fand ich dann später auf ihrer Homepage eine "Linkseite" auf der offensichtlich einschlägige Seiten verlinkt waren, und eine "Newsseite", wo ich eine Art hausbackenen Newsletter fand.
Der allerdings hatte es in sich.
Dazu muss ich etwas ausholen: es handelt sich um einen privaten Betrieb (also keinen Megakonzern), der sehr sehr viele Freiberufler beschäftigt, aus aller Welt.
Dieser Newsletter also wurde vermutlich an alle diese Mitarbeiter verschickt (ich weiss es nicht wirklich, meistens bringt man aber einen Newsletter so unter die Leute), und darin wurde ihnen ein Text von Mr. R.H. aufs Auge gedrückt, in dem es u.a. um die betreffende Branche geht.
Das Thema war aber - wie immer - nur ein Vorwand um die eigenen Schulungsmethoden zur Effizienzsteigerung bei der Bewältigung damit verbundener Aufgaben anzupreisen, usw usf.
Ich habe meine "Entdeckung" ihnen gegenüber mit keinem Wort erwähnt, mir aber überlegt was ich sagen würde, sollten sie mich mal irgendwann darauf ansprechen. Es ist aber nicht dazu gekommen.
Zu Weihnachten wollte ich ihnen ein paar Glückwünsche schicken, habe aber überlegen müssen, ob Scientologen das überhaupt feiern, aber nach längerem Zögern habe ich die Leute einfach angeschrieben und ihnen alles Gute gewünscht - und nur nette Antworten bekommen.
Lieber bringen wir einem Menschen Verachtung entgegen, weil er dieser oder jener Gruppierung angehört (und können uns dadurch selber als besserer Mensch fühlen).
Das ist glaube ich in den meisten Fällen ein Missverständnis, in etwa wie wenn man glaubt, ein Lehrer würde einen hassen bloß weil man eine schlechte Zensur von ihm bekommen hat.
Der Vergleich hinkt zwar stark, aber der Weg hin zur Schlußfolgerung ist in etwa derselbe.
Von den Ansätzen her haben die einige wirklich gute Sachen dabei ...
Finde ich auch, ich kenne Dianetics. Meistens findet sich in JEDER "Lehre" etwas Wertvolles. In dieser Hinsicht bin ich für den (hier im Forum gegründeten) "Omlettismus".
auch wenn meiner Meinung nach der Schwerpunkt zu stark auf das Emotionale und Unbewusste gesetzt liegt, was sich letztlich auf die Persönlichkeit auswirkt. Das Seelische kommt meiner Meinung nach zu kurz, obwohl dieser Scientologe es als vorrangiges Ziel sah, sich selbst zu erkennen. Hubbard hat gemäß dieses Scientologen Meditation als Weg abgelehnt ... und damit geht er einen mir entgegengesetzen Weg.
Sie bedienen sich allerdings auch fernöstlicher "Praktiken" um ihr Gedankengut an den Mann zu bringen. z.B. kann ich mich an eine Chakrenillustration erinnern (ich habe sie sogar auf dem PC abgespeichert), auf der die einzelnen Chakren mit
deren Assoziationen dargelegt wurden.
Die "Neubenennung" spielt dabei immer eine wichtige Rolle: es soll ein eigenes, stark verbindliches und verbindendes Vokabular geschaffen werden. Dadurch kann sich ein Anhänger immer nur mit anderen Anhängern über die Inhalte austauschen, kaum je mit einem Außenstehenden.
Von Hubbards Grundmotivation ist sehr viel abhängig, ob nämlich diese Organisation etwas taugt oder nicht. Dieser Grundgeist macht alles aus. Und dann geht es natürlich um die einzelnen Menschen, was sie daraus machen. Wie überall gibt es würdige und unwürdige Vertreter ... das ist und war bei allen religiösen Richtungen so.
lg
Topper
Das Problem sind nicht die Einzelnen, sondern die "Gruppe", die Masse.
In der Gruppe verschmelzen häufig selbst ausgeprägteste Individualisten zu einem Gruppenkörper und -Bewusstsein.
Und DAS wird meistens zum eigentlichen Problem.