ich lebe in einer mittelgroßen stadt. der sohn einer guten bekannten von mir hat vor zwei jahren eine niere verloren, weil er es gewagt hat, den mund aufzumachen, als eine skinhead-gruppe (ist man mit anfang bis mitte 20 immer noch jugendlicher?) ihn zusammengetreten hat. ich sehe ganz gut...
ich sehe die nicht geringere zahl der erwachsenen, die skinheads dadurch unterstützten, dass sie selber mehr oder wenig heimlich faschistische parolen dreschen... ich sehe die torkelnden gestalten in den den kneipen, vom teenie bis zum frustrierten rentner, die sich zuschütten bis zum geht nicht mehr. ich sehe die knapp 1000 verkehrstoten in österreich, die zum allergrößten teil von erwachsenen ums leben gebracht wurden, die nicht kapieren, dass ihr auto eine waffe ist (und ja auch sonst genug vernichtet, indirekt...). ich sehe die konsumabhängigen, die spaß-zentrierte freizeitgesellschaft, die ganz schnell in die frustierende, die gewaltbereitschaft fördernde freizeitsform der arbeitslosigkeit kippen kann, ich sehe die egomanie all der "ich-ag's" ringsum und vieles mehr... und das ist die welt, die unsere jugend sozialisiert. ein wunder, dass es nicht ganz, ganz anders aussieht bei den jungen menschen ...
ich sehe auch, wie viel leid und enttäuschung hinter all dieser gewalt und gedankenlosigkeit steht. abstumpfung ist nur ein schutzwall gegenüber dem schmerz, der einen ersten schritt der lösung bedeuten würde...
ich sehe all die vielen wunderbaren menschen und beginne jetzt nicht iene zusätzliche auflistung, sonst wird das alles sehr lang...
ich schaue genau hin. ich nehme unterschiede wahr. ich pauschaliere nicht (höchstens mal polemisch...). ich bin noch nie "der jugend" begegnet. sondern immer nur einzelnen. und die sind oft ganz erstaunlich, wenn man jenseits des eigenen vorurteils hinter deren schützende maske blickt (oder die eigenen abwehrende maske fallen lässt).
aber ich gebe auch zu: es mag schlimm und belastend sein, wenn man sich permanent einer umgebung aussetzt, in der einem menschen primär als "gang" begegnen, in der musik in erster linie als "röhrende mucke" daherkommt und in der die jungen leute den alten nicht mal mehr höflich grüßend entgegenkommen... wenn ich mit etwas immer wieder und so sehr belastend konfrontiert werde, dann frage ich mich, was mir das sagen will. und/oder ich versuche, einen neuen blick zu gewinnen. ich habe zeit lebens in großstädten gelebt... das geht, ich weiß es.
eine geschichte aus paul watzlawicks "anleitungen zum unglücklich sein":
eine alte dame beschwert sich beim sheriff, dass eine gruppe halbwüchsiger kinder gleich neben ihrem gartenzaun nackt im mississippi badet. der gütige sheriff fordert die kids auf, doch ein stück vom haus wegzugehen und einen anderen platz zu suchen. die jugnen leute tun's, aber die alte dame ruft den sheriff neuerlich an: "wenn ich im ersten stock bin, sehe ich sie immer noch!" der sheriff geht wieder raus zu den kids, schickt sie noch weiter weg - bald darauf der anruf der alten dame: "wenn ich auf's dach gehe und mit dem fernrohr durch die luke schaue, kann ich sie mimmer noch sehen!"
und eine frage auch noch: diese mit adrettem haarschnitt artig den arm zum gruß hochreißende, immer ein fröhliches lied zur unverstärkten klampfe trällernde hitlerjugend, diese dem rechsnährstand unermüdlich im ernteeinsatz hilfreich zur seite stehenden blitzmädels... war das eine alternative?
alles liebe, jake