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Weit verbreitet ist die Auffassung, die Juden hätten kaum Widerstand gegen ihre Deportationen und gegen die Ermordung geleistet. Nur wenige von ihnen ahnten zunächst etwas vom ganzen Ausmaß des ihnen zugedachten „Schicksals“. Für viele waren die Informationen über Massenvernichtungslager, die um 1942/1943 unter anderem in den jüdischen Ghettos kursierten (die Juden wurden in mehr als 600 Städten in jüdische Ghettos zusammengetrieben), nichts anderes als Gerüchte.
Die Vorstellung, dass sie als ganzes Volk ermordet werden sollten, erschien den meisten anfangs als wenig glaubhaft. Auch wenn sie unter der Unterdrückung der Nazis schon seit Hitlers Machtergreifung offensichtlich zu leiden hatten und viele von ihnen schon in den Ghettos an Hunger, Mangelkrankheiten oder in Folge gewaltsamer Übergriffe starben, nahmen sie doch an, dass ihr Leben insgesamt, zumindest als Arbeitskraft, wichtig genug war, um wenigstens als Sklavenarbeiter überleben zu können, bis die Deutschen besiegt seien. So entstand das Bild von den scheinbar willenlosen Opfern, die ihren Verfolgern nichts entgegenzusetzen gehabt hätten.
Tatsächlich war der Widerstand der Juden gegen ihre Mörder, wenngleich unter denkbar ungünstigen Bedingungen, zumindest nach dem Beginn des 2. Weltkriegs verbreiteter und vielfältiger, als weithin angenommen wird. Eines der bekannteren Beispiele dafür war der Aufstand im Warschauer Ghetto vom 19. April 1943 bis zum 16. Mai 1943. Er wurde organisiert durch die jüdische Kampforganisation „ZOB“ (polnisch: Żydowska Organizacja Bojowa = deutsch: Jüdische Kampforganisation) in der Endphase der Auflösung des Ghettos durch die Nazis, als alle dort noch verbliebenen Juden in die Vernichtungslager, vor allem nach Treblinka, bei Warschau in Polen, deportiert werden sollten.
Die Nationalsozialisten hatten die Juden in der polnischen Hauptstadt ab dem 15. November 1940 wegen angeblicher Seuchengefahr hinter einer 18 Kilometer langen Mauer zusammengepfercht. Nicht nur Juden aus Warschau, sondern auch aus anderen polnischen Regionen und Ländern wurden hierher deportiert. Trotz katastrophaler Überfüllung - bis zu neun Personen bewohnten einen Raum, steckte die SS immer mehr jüdische Menschen ins Warschauer Ghetto, dem bei weitem größten seiner Art.
Zu Beginn des Jahres 1941 gab es dort 300.000 Juden. Damit stellten sie die zweitgrößte jüdische Gemeinde der Welt. In der Spitze lebten bis zu 445.000 Menschen im hermetisch abgeriegelten Gebiet im Stadtzentrum, Überbevölkerung und Hunger forderten einen schrecklichen Tribut: Typhus und Gelbfieber verbreiteten sich, die monatliche Sterberate erreichte 6.000. Die Straßen waren mit Leichen übersät. Zudem hatte im Juli 1942 die Räumung des Ghettos begonnen: Bis zum 19. April 1943 waren mehr als 300.000 Frauen, Kinder, Männer und Greise ins Konzentrationslager Treblinka (Polen) und in andere Vernichtungslager deportiert worden.
1943 gibt es für die Juden im Warschauer Ghetto nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnt. Hoffnung auf ein besseres Leben, auf die künftigen Generationen - das Wort Zukunft existiert nicht. Die Bewohner des jüdischen Wohnbezirks wissen, dass sie sterben müssen, doch wollen sie zumindest die Art und Weise bestimmen: als freie Menschen, mit Würde und der Waffe in der Hand.
Am 19. April 1943, dem Tag des jüdischen Pessachfestes, beginnt die letzte Aktion im Warschauer Ghetto. Rund 56.000 Menschen leben zu diesem Zeitpunkt noch im so genannten "jüdischen Wohnbezirk". Ziel Himmlers ist es, Warschau für Hitlers Geburtstag einen Tag später "judenfrei" zu präsentieren. Doch etwa 750 spärlich bewaffnete Kämpfer setzen sich gegen die Übermacht zur Wehr. Erst fast einen Monat später hat die SS den ersten Aufstand in einer von den Deutschen besetzten Stadt blutig niedergeschlagen.
Die Untergrundorganisation war von Kurieren, die zwischen dem „arischen“ Teil und dem abgeriegelten jüdischen Ghetto Warschaus unter lebensgefährlichen Bedingungen pendelten, nach und nach mit eingeschmuggelten Waffen, hauptsächlich Gewehre, Pistolen und entsprechender Munition, Handgranaten und Sprengstoff beliefert worden. Die in verschiedenen Häusern des Ghettos kämpfenden Gruppen konnten den eindringenden Räumkommandos der SS zunächst in einem Überraschungsmoment hohe Verluste beibringen und sie in die Flucht schlagen.
Am Abend des 18. April 1943 umstellen deutsche Soldaten das Ghetto. Die Kampfgruppen der ZOB, der im Oktober 1942 gegründeten "Jüdischen Kampforganisation", beziehen hinter den Barrikaden Position. "Wir haben sie erwartet und waren bereit, uns zu verteidigen", sagt Marek Edelmann, einer der Anführer. Um 4.00 Uhr am 19. April stürmen die deutschen Truppen das Gebiet, der Kampf beginnt.
Die jungen jüdischen Männer und Frauen haben das Überraschungsmoment auf ihrer Seite: 200 SS-Männer werden getötet, der Rest zieht sich zurück. "Es waren ziemlich viele Soldaten und SS-Männer, die da ankamen. Doch schon nach den ersten Schüssen zerfiel die Kolonne und nichts verlief mehr organisiert. Nach einigen Minuten haben sie sich zurückgezogen", schildert Edelmann.
Daraufhin kehrte die SS mit schwerem Kriegsgerät zurück. Trotz der Übermacht der Deutschen kämpft der jüdische Widerstand mit einigen hundert Pistolen, Messern, einigen Handgranaten und selbstgemachten Molotow-Cocktails sowie etwa 100 Gewehren und einem einzigen Maschinengewehr gegen mehr als 2.000 Soldaten, die durch Panzer, Artillerie und Luftwaffe unterstützt werden. Wären mehr Waffen da gewesen, es hätten sich noch viel mehr Juden am Aufstand beteiligt. So konnten sich die jüdischen Widerstandsgruppen in einem etwa vier Wochen andauernden Häuserkampf halten.
Auch wenn die jüdischen Kämpfer an den ersten Tagen die Angriffe zurückschlagen können, zahlenmäßig unterlegen und unzureichend bewaffnet sind, haben sie letztlich keine Chance. Die Nazis merken, dass ihnen der Häuserkampf große Schwierigkeiten bereitet. Sie beginnen, das Ghetto systematisch in Brand zu stecken, um so die Aufständischen aus ihren Verstecken herauszutreiben. Tausende stürzen brennend auf die Straße, Feuer, Hitze und Rauch verwandeln das Ghetto in eine Flammenhölle. Fliehende jüdische Widerstandskämpfer werden von den deutschen Truppen erschossen.
Am 8. Mai 1943, etwa einen Monat nach Beginn des Aufstands und zwei Jahre vor der Kapitulation Nazi-Deutschlands, umzingeln deutsche und ukrainische Einheiten das Hauptquartier der jüdischen Widerstandskämpfer in der Mila-Straße 18. Kaum mehr als 120 der Kämpfer sind zu diesem Zeitpunkt übrig geblieben. Dennoch dauert der Beschuss des Gebäudes zwei Stunden, dann werfen die Deutschen eine Gasbombe. Keiner will sich lebend ergeben, diejenigen, die nicht durch Kugeln oder Gas sterben, begehen Selbstmord. Nur wenige entkommen durch die Abwässerkanäle aus dem Ghetto. Am Ende blieb den noch übrigen Kämpfern nur die Kapitulation und damit in den meisten Fällen der Tod durch Erschießen.
Rund 7.000 Juden kommen bei den Kämpfen ums Leben oder werden im Ghetto erschossen, die Übrigen ins Vernichtungslager Treblinka abtransportiert und ermordet. Am 16. Mai 1943 findet die Großaktion mit der Sprengung der Warschauer Synagoge ein Ende. SS-Brigadeführer Jürgen Stroop meldet in seinem Bericht den erfolgreichen Abschluss der Liquidierung: "Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr." Der Aufstand aber verfehlt sein Ziel nicht: Er facht den jüdischen Widerstand über Polen hinaus an.
Auch in anderen Ghettos bildeten sich jüdische Widerstandsgruppen, die verschiedentlich Ghettobewohnern zur Flucht verhalfen, und vereinzelt auch kleinere Revolten initiieren konnten, so zum Beispiel in den Städten Bialystok (Weißrussland) und Wilna (Litauen).
Aufstand im Warschauer Ghetto
Jüdischer Widerstand
Die Vorstellung, dass sie als ganzes Volk ermordet werden sollten, erschien den meisten anfangs als wenig glaubhaft. Auch wenn sie unter der Unterdrückung der Nazis schon seit Hitlers Machtergreifung offensichtlich zu leiden hatten und viele von ihnen schon in den Ghettos an Hunger, Mangelkrankheiten oder in Folge gewaltsamer Übergriffe starben, nahmen sie doch an, dass ihr Leben insgesamt, zumindest als Arbeitskraft, wichtig genug war, um wenigstens als Sklavenarbeiter überleben zu können, bis die Deutschen besiegt seien. So entstand das Bild von den scheinbar willenlosen Opfern, die ihren Verfolgern nichts entgegenzusetzen gehabt hätten.
Tatsächlich war der Widerstand der Juden gegen ihre Mörder, wenngleich unter denkbar ungünstigen Bedingungen, zumindest nach dem Beginn des 2. Weltkriegs verbreiteter und vielfältiger, als weithin angenommen wird. Eines der bekannteren Beispiele dafür war der Aufstand im Warschauer Ghetto vom 19. April 1943 bis zum 16. Mai 1943. Er wurde organisiert durch die jüdische Kampforganisation „ZOB“ (polnisch: Żydowska Organizacja Bojowa = deutsch: Jüdische Kampforganisation) in der Endphase der Auflösung des Ghettos durch die Nazis, als alle dort noch verbliebenen Juden in die Vernichtungslager, vor allem nach Treblinka, bei Warschau in Polen, deportiert werden sollten.
Die Nationalsozialisten hatten die Juden in der polnischen Hauptstadt ab dem 15. November 1940 wegen angeblicher Seuchengefahr hinter einer 18 Kilometer langen Mauer zusammengepfercht. Nicht nur Juden aus Warschau, sondern auch aus anderen polnischen Regionen und Ländern wurden hierher deportiert. Trotz katastrophaler Überfüllung - bis zu neun Personen bewohnten einen Raum, steckte die SS immer mehr jüdische Menschen ins Warschauer Ghetto, dem bei weitem größten seiner Art.
Zu Beginn des Jahres 1941 gab es dort 300.000 Juden. Damit stellten sie die zweitgrößte jüdische Gemeinde der Welt. In der Spitze lebten bis zu 445.000 Menschen im hermetisch abgeriegelten Gebiet im Stadtzentrum, Überbevölkerung und Hunger forderten einen schrecklichen Tribut: Typhus und Gelbfieber verbreiteten sich, die monatliche Sterberate erreichte 6.000. Die Straßen waren mit Leichen übersät. Zudem hatte im Juli 1942 die Räumung des Ghettos begonnen: Bis zum 19. April 1943 waren mehr als 300.000 Frauen, Kinder, Männer und Greise ins Konzentrationslager Treblinka (Polen) und in andere Vernichtungslager deportiert worden.
1943 gibt es für die Juden im Warschauer Ghetto nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnt. Hoffnung auf ein besseres Leben, auf die künftigen Generationen - das Wort Zukunft existiert nicht. Die Bewohner des jüdischen Wohnbezirks wissen, dass sie sterben müssen, doch wollen sie zumindest die Art und Weise bestimmen: als freie Menschen, mit Würde und der Waffe in der Hand.
Am 19. April 1943, dem Tag des jüdischen Pessachfestes, beginnt die letzte Aktion im Warschauer Ghetto. Rund 56.000 Menschen leben zu diesem Zeitpunkt noch im so genannten "jüdischen Wohnbezirk". Ziel Himmlers ist es, Warschau für Hitlers Geburtstag einen Tag später "judenfrei" zu präsentieren. Doch etwa 750 spärlich bewaffnete Kämpfer setzen sich gegen die Übermacht zur Wehr. Erst fast einen Monat später hat die SS den ersten Aufstand in einer von den Deutschen besetzten Stadt blutig niedergeschlagen.
Die Untergrundorganisation war von Kurieren, die zwischen dem „arischen“ Teil und dem abgeriegelten jüdischen Ghetto Warschaus unter lebensgefährlichen Bedingungen pendelten, nach und nach mit eingeschmuggelten Waffen, hauptsächlich Gewehre, Pistolen und entsprechender Munition, Handgranaten und Sprengstoff beliefert worden. Die in verschiedenen Häusern des Ghettos kämpfenden Gruppen konnten den eindringenden Räumkommandos der SS zunächst in einem Überraschungsmoment hohe Verluste beibringen und sie in die Flucht schlagen.
Am Abend des 18. April 1943 umstellen deutsche Soldaten das Ghetto. Die Kampfgruppen der ZOB, der im Oktober 1942 gegründeten "Jüdischen Kampforganisation", beziehen hinter den Barrikaden Position. "Wir haben sie erwartet und waren bereit, uns zu verteidigen", sagt Marek Edelmann, einer der Anführer. Um 4.00 Uhr am 19. April stürmen die deutschen Truppen das Gebiet, der Kampf beginnt.
Die jungen jüdischen Männer und Frauen haben das Überraschungsmoment auf ihrer Seite: 200 SS-Männer werden getötet, der Rest zieht sich zurück. "Es waren ziemlich viele Soldaten und SS-Männer, die da ankamen. Doch schon nach den ersten Schüssen zerfiel die Kolonne und nichts verlief mehr organisiert. Nach einigen Minuten haben sie sich zurückgezogen", schildert Edelmann.
Daraufhin kehrte die SS mit schwerem Kriegsgerät zurück. Trotz der Übermacht der Deutschen kämpft der jüdische Widerstand mit einigen hundert Pistolen, Messern, einigen Handgranaten und selbstgemachten Molotow-Cocktails sowie etwa 100 Gewehren und einem einzigen Maschinengewehr gegen mehr als 2.000 Soldaten, die durch Panzer, Artillerie und Luftwaffe unterstützt werden. Wären mehr Waffen da gewesen, es hätten sich noch viel mehr Juden am Aufstand beteiligt. So konnten sich die jüdischen Widerstandsgruppen in einem etwa vier Wochen andauernden Häuserkampf halten.
Auch wenn die jüdischen Kämpfer an den ersten Tagen die Angriffe zurückschlagen können, zahlenmäßig unterlegen und unzureichend bewaffnet sind, haben sie letztlich keine Chance. Die Nazis merken, dass ihnen der Häuserkampf große Schwierigkeiten bereitet. Sie beginnen, das Ghetto systematisch in Brand zu stecken, um so die Aufständischen aus ihren Verstecken herauszutreiben. Tausende stürzen brennend auf die Straße, Feuer, Hitze und Rauch verwandeln das Ghetto in eine Flammenhölle. Fliehende jüdische Widerstandskämpfer werden von den deutschen Truppen erschossen.
Am 8. Mai 1943, etwa einen Monat nach Beginn des Aufstands und zwei Jahre vor der Kapitulation Nazi-Deutschlands, umzingeln deutsche und ukrainische Einheiten das Hauptquartier der jüdischen Widerstandskämpfer in der Mila-Straße 18. Kaum mehr als 120 der Kämpfer sind zu diesem Zeitpunkt übrig geblieben. Dennoch dauert der Beschuss des Gebäudes zwei Stunden, dann werfen die Deutschen eine Gasbombe. Keiner will sich lebend ergeben, diejenigen, die nicht durch Kugeln oder Gas sterben, begehen Selbstmord. Nur wenige entkommen durch die Abwässerkanäle aus dem Ghetto. Am Ende blieb den noch übrigen Kämpfern nur die Kapitulation und damit in den meisten Fällen der Tod durch Erschießen.
Rund 7.000 Juden kommen bei den Kämpfen ums Leben oder werden im Ghetto erschossen, die Übrigen ins Vernichtungslager Treblinka abtransportiert und ermordet. Am 16. Mai 1943 findet die Großaktion mit der Sprengung der Warschauer Synagoge ein Ende. SS-Brigadeführer Jürgen Stroop meldet in seinem Bericht den erfolgreichen Abschluss der Liquidierung: "Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr." Der Aufstand aber verfehlt sein Ziel nicht: Er facht den jüdischen Widerstand über Polen hinaus an.
Auch in anderen Ghettos bildeten sich jüdische Widerstandsgruppen, die verschiedentlich Ghettobewohnern zur Flucht verhalfen, und vereinzelt auch kleinere Revolten initiieren konnten, so zum Beispiel in den Städten Bialystok (Weißrussland) und Wilna (Litauen).
Aufstand im Warschauer Ghetto
Jüdischer Widerstand