O
opti
Guest
Der britische Historiker und Holocaust-Leugner David Irving bereitet sich in einem Wiener Gefängnis auf seinen Prozessauftritt vor - die letzte Provokation des spleenig-bösen Hitler-Bewunderers?
Bei aller Bewunderung für Irvings Spürsinn geriet sein Werk spätestens seit 1977 mit dem Erscheinen der Hitler-Biografie zunehmend in die Kritik. Aus dem respektierten Militärhistoriker wurde Hitlers williger Entdecker, dessen Funde die Schuld von Himmler, Heydrich und Co. beweisen, den bewunderten Führer aber von aller Verantwortung freisprechen sollten.
Der Auschwitz-Experte Robert van Pelt hält Irving für einen Hysteriker: "Er ist ein recht guter Redner, aber er bekommt die Energie vom Publikum, vor dem er seine Vorträge hält, und dann sagt er, was es hören will."
David Irving leugnete den Holocaust, Hitlers Schuld und verhöhnte die Überlebenden der Konzentrationslager. Auch dank seiner Sticheleien gegen das "Sieger-Geschichtsbild" der Alliierten und die etablierte Geschichtswissenschaft wurde Irving bald zum Aushängeschild der Rechtsextremen und gerngesehenen Agitator auf DVU-Veranstaltungen, bei dessen Vorträgen sich die ewig Unbelehrbaren bestätigen lassen konnten, "wie es eigentlich gewesen" sei im "Dritten Reich". "Abartig tendenziös und unverantwortlich reißerisch" seien auch Irvings Bücher, urteilt der britische Historiker David Cannadine, und sein Kollege Richard Evans wies im Jahr 2000 vor Gericht ausführlich nach, wie raffiniert Irving seine Quellen manipulierte.
Dass seine Bücher zur braunen Bückware wurden, die nur noch über obskure Verlagsklitschen und im Internet bezogen werden konnte, hat Irving nicht nur seinen geschichtsklitternden Thesen, sondern auch seinen provozierenden Auftritten in der rechten Szene zu verdanken. Seit den neunziger Jahren, seit er keinen renommierten Verlag mehr für die Publikation seiner Bücher gewinnen kann, gibt der Historiker den Handlungsreisenden in Sachen Hitler. In seiner Londoner Wohnung, einer "Ein-Mann-Hitler-Universität" ("Sunday Telegraph"), stapeln sich die im Eigenverlag publizierten Hitler-, Göring- und Goebbels-Monografien, die er bei seinen Vorträgen in Kellern und Kneipen aus dem Laderaum seines Autos verkauft.
Die archivalische Materialschlacht, die er feldherrenmäßig in seinen dicken Büchern entfesselt, soll Objektivität suggerieren. In Wirklichkeit, kritisiert der Zeitgeschichtler Peter Hoffmann, sei die überwältigende Fülle von Details eine Nebelwand.
Er sei "gewöhnlich ein Riese in der Forschung", schrieb der britische Historiker Paul Addison über Irving, "aber in seinem Urteil oft ein Schuljunge". So erschreckend es klingt, einiges spricht dafür, dass es neben dem einträglichen Geschäft der Holocaust-Leugnungs-Industrie auch die niederträchtige und letztlich banale Lust an der Provokation ist, die ihn treibt.
Zweifellos, Irving hat in England ebenso viele Gegner wie anderswo. Aber Sprüche wie der, dass "mehr Menschen auf dem Rücksitz von Edward Kennedys Wagen in Chappaquiddick umgekommen sind als in den Gaskammern von Auschwitz", sind in ihrer Mischung aus sexuellem Innuendo und bewusster Brüskierung Ausdruck der trivialen Arroganz, mit der manch englischer Internatszögling zeigen will, dass ihm die Welt gehört. "Er ist ein größenwahnsinniger Klassentyrann", sagt die Holocaust-Forscherin Deborah Lipstadt, gegen die Irving vor sechs Jahren einen spektakulären Prozess führte, an dessen Ende er aber vom Richter als Antisemit, Rassist und Lügner gebrandmarkt wurde.
Durch die Trennscheibe im Gefängnis gibt Irving geradezu stolz Antwort. Auf alles. Warum er die Hitler-Tagebücher erst auf der legendären Pressekonferenz des "Stern" eine Fälschung genannt hat, um sie kurz darauf in einer englischen Zeitung als echt zu bezeichnen. "Das war ein Gag", kommt es wie aus der Pistole geschossen, "so etwas war Entertainment, das hatte alles nichts mit Zeitgeschichte zu tun. Ich wollte sehen, wie die Historiker darauf reagieren." Irving schaut, als wäre das die normalste Sache der Welt und die humorlosen Deutschen alle Spielverderber.
Nicht seine Bücher, sondern seine Vorträge haben Irving ins Gefängnis gebracht - Sätze wie dieser, den er 1989 einer österreichischen Reporterin in den Block diktierte: "Es gab in Auschwitz keine Gaskammern. Alle Zeugen, die das Gegenteil behaupten, sind Fälle für die Psychiatrie."
Kurz nach seiner Verhaftung ließ Irving über seinen Anwalt mitteilen, er stelle die Existenz von Gaskammern in Auschwitz nicht mehr in Frage. Neuaufgefundene Dokumente hätten ihn eines Besseren belehrt. Weißer Nebel steigt aus Irvings Zelle auf, von "Epiphanie" ist die Rede.
Irvings Anwalt Elmar Kresbach, ein abgeklärter und profilierter Strafverteidiger, der es sonst mit Mördern und Mafia-Banden zu tun hat, wird die Naivität und Läuterung seines Mandanten geltend machen, wenn der sich am 20. Februar vor einem elfköpfigen Richtergremium verantworten muss.
Spiegel.de
Bei aller Bewunderung für Irvings Spürsinn geriet sein Werk spätestens seit 1977 mit dem Erscheinen der Hitler-Biografie zunehmend in die Kritik. Aus dem respektierten Militärhistoriker wurde Hitlers williger Entdecker, dessen Funde die Schuld von Himmler, Heydrich und Co. beweisen, den bewunderten Führer aber von aller Verantwortung freisprechen sollten.
Der Auschwitz-Experte Robert van Pelt hält Irving für einen Hysteriker: "Er ist ein recht guter Redner, aber er bekommt die Energie vom Publikum, vor dem er seine Vorträge hält, und dann sagt er, was es hören will."
David Irving leugnete den Holocaust, Hitlers Schuld und verhöhnte die Überlebenden der Konzentrationslager. Auch dank seiner Sticheleien gegen das "Sieger-Geschichtsbild" der Alliierten und die etablierte Geschichtswissenschaft wurde Irving bald zum Aushängeschild der Rechtsextremen und gerngesehenen Agitator auf DVU-Veranstaltungen, bei dessen Vorträgen sich die ewig Unbelehrbaren bestätigen lassen konnten, "wie es eigentlich gewesen" sei im "Dritten Reich". "Abartig tendenziös und unverantwortlich reißerisch" seien auch Irvings Bücher, urteilt der britische Historiker David Cannadine, und sein Kollege Richard Evans wies im Jahr 2000 vor Gericht ausführlich nach, wie raffiniert Irving seine Quellen manipulierte.
Dass seine Bücher zur braunen Bückware wurden, die nur noch über obskure Verlagsklitschen und im Internet bezogen werden konnte, hat Irving nicht nur seinen geschichtsklitternden Thesen, sondern auch seinen provozierenden Auftritten in der rechten Szene zu verdanken. Seit den neunziger Jahren, seit er keinen renommierten Verlag mehr für die Publikation seiner Bücher gewinnen kann, gibt der Historiker den Handlungsreisenden in Sachen Hitler. In seiner Londoner Wohnung, einer "Ein-Mann-Hitler-Universität" ("Sunday Telegraph"), stapeln sich die im Eigenverlag publizierten Hitler-, Göring- und Goebbels-Monografien, die er bei seinen Vorträgen in Kellern und Kneipen aus dem Laderaum seines Autos verkauft.
Die archivalische Materialschlacht, die er feldherrenmäßig in seinen dicken Büchern entfesselt, soll Objektivität suggerieren. In Wirklichkeit, kritisiert der Zeitgeschichtler Peter Hoffmann, sei die überwältigende Fülle von Details eine Nebelwand.
Er sei "gewöhnlich ein Riese in der Forschung", schrieb der britische Historiker Paul Addison über Irving, "aber in seinem Urteil oft ein Schuljunge". So erschreckend es klingt, einiges spricht dafür, dass es neben dem einträglichen Geschäft der Holocaust-Leugnungs-Industrie auch die niederträchtige und letztlich banale Lust an der Provokation ist, die ihn treibt.
Zweifellos, Irving hat in England ebenso viele Gegner wie anderswo. Aber Sprüche wie der, dass "mehr Menschen auf dem Rücksitz von Edward Kennedys Wagen in Chappaquiddick umgekommen sind als in den Gaskammern von Auschwitz", sind in ihrer Mischung aus sexuellem Innuendo und bewusster Brüskierung Ausdruck der trivialen Arroganz, mit der manch englischer Internatszögling zeigen will, dass ihm die Welt gehört. "Er ist ein größenwahnsinniger Klassentyrann", sagt die Holocaust-Forscherin Deborah Lipstadt, gegen die Irving vor sechs Jahren einen spektakulären Prozess führte, an dessen Ende er aber vom Richter als Antisemit, Rassist und Lügner gebrandmarkt wurde.
Durch die Trennscheibe im Gefängnis gibt Irving geradezu stolz Antwort. Auf alles. Warum er die Hitler-Tagebücher erst auf der legendären Pressekonferenz des "Stern" eine Fälschung genannt hat, um sie kurz darauf in einer englischen Zeitung als echt zu bezeichnen. "Das war ein Gag", kommt es wie aus der Pistole geschossen, "so etwas war Entertainment, das hatte alles nichts mit Zeitgeschichte zu tun. Ich wollte sehen, wie die Historiker darauf reagieren." Irving schaut, als wäre das die normalste Sache der Welt und die humorlosen Deutschen alle Spielverderber.
Nicht seine Bücher, sondern seine Vorträge haben Irving ins Gefängnis gebracht - Sätze wie dieser, den er 1989 einer österreichischen Reporterin in den Block diktierte: "Es gab in Auschwitz keine Gaskammern. Alle Zeugen, die das Gegenteil behaupten, sind Fälle für die Psychiatrie."
Kurz nach seiner Verhaftung ließ Irving über seinen Anwalt mitteilen, er stelle die Existenz von Gaskammern in Auschwitz nicht mehr in Frage. Neuaufgefundene Dokumente hätten ihn eines Besseren belehrt. Weißer Nebel steigt aus Irvings Zelle auf, von "Epiphanie" ist die Rede.
Irvings Anwalt Elmar Kresbach, ein abgeklärter und profilierter Strafverteidiger, der es sonst mit Mördern und Mafia-Banden zu tun hat, wird die Naivität und Läuterung seines Mandanten geltend machen, wenn der sich am 20. Februar vor einem elfköpfigen Richtergremium verantworten muss.
Spiegel.de
So einfach!