Einwände dagegen
Die Singularitätsthese erfuhr von konservativen, linken und rechtsextremen Multiplikatoren Kritik, aber auch unter Historikern ist die Singularitätsthese umstritten. Ihre Einwände sind unter anderem:
Der Begriff der Singularität sei doppeldeutig: Zum einen würde er die Einzigartigkeit und Unwiederholbarkeit bezeichnen, die aber schlechterdings jedem historischen Ereignis innewohnt; in diesem Sinne von der Singularität der Shoa zu sprechen, ist trivial. Zum anderen bezeichnet Singularität eine besondere Qualität oder Quantität eines Ereignisses, die den Rahmen jeder Vergleichbarkeit sprengen würde. Quantitativ würde die Shoa aber von den Opferzahlen Stalins (mindestens 20 bis 40 Millionen) und Mao Zedongs (nach seriöseren Schätzungen vermutlich ca. 70 Millionen Tote) übertroffen werden. Um also die Unvergleichbarkeit der deutschen Verbrechen herauszuarbeiten, laufe man Gefahr, die der sowjetischen und chinesischen herabzumindern und zu relativieren.
Wie der verschlungene Weg nach Auschwitz (Karl A. Schleunes) zeige, verlief die Entscheidung zum Völkermord an den Juden keineswegs geradlinig, sondern war vielmehr das Ergebnis von Eskalationsprozessen, Experimenten und Improvisationen, an deren Ende dann die physische Vernichtung als einzig realistisch erscheinende Option übrig blieb. Priorität gegenüber den Notwendigkeiten der Kriegführung hat die Shoa auch erst in den letzten beiden Jahren der Naziherrschaft.
mit der Singularitätsthese würden jüdische Opfer über andere Opfer systematischer Völkermorde erhoben;
der Vergleich mit anderen ähnlichen Ereignissen wird dadurch erschwert oder gar verunmöglicht (z.B. göttlicher und damit nicht an individuellen Eigenschaften von Personen gebundener und nicht zu hinterfragender Ausrottungsbefehl Jahwes an den Kanaanitern und Amalekitern, Genozid der Hutus an den Tutsis in Ruanda);
der Rassismus der Nationalsozialisten sei durchaus auch von materiellen (Bereicherungs-) Interessen mitbestimmt gewesen, wie insbesondere Götz Aly in seinem Buch Hitlers Volksstaat nachweise.
So untersuchte Medardus Brehl, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Diaspora- und Genozidforschung an der Ruhr-Universität Bochum, die zeitgenössische Rezeption des Völkermords an Nama und Herero 1904. Er zeigte, dass der damalige Rassismus die Vernichtung bestimmter Völker und Volksgruppen propagierte, um sie aus der Volksgemeinschaft auszugrenzen, damit diese am Ende homogen und geschlossen äußeren Bedrohungen gegenüberstehen konnte. Dies lasse sich neben den Aufständen in Deutsch-Südwestafrika auch im Völkermord an den Armeniern durch die Türkei und eben in der Shoa beobachten.
Diese These steht in gewisser Spannung zu der oben beschriebenen Tatsache, dass die Nazis sogar Kriegsorganisation zu Gunsten der Shoa zurückstellten. Jedoch diente der Ausschluss der Juden tatsächlich einer Homogenität der "Volksgemeinschaft" zu einer stärkeren Selbstbehauptung nach außen, daher ist diese These nicht von vorneherein abzulehnen.
[bearbeiten] Revisionistische Relativierung der Shoa
Von Geschichtsrevisionisten wird die Singularität der Shoa bestritten. Sie sehen darin ein Hindernis für ihr Interesse, die Verbrechen des Nationalsozialismus zu relativieren, d.h. als nicht außergewöhnliches und nicht primär von deutschen historischen Faktoren bestimmtes Ereignis darzustellen.
Die Thesen von Ernst Nolte, wonach die Arbeitslager Stalins die unmittelbaren Vorbilder für die Lager der Nazis und Hitlers Krieg gegen die Sowjetunion eine Präventivmaßnahme gewesen seien, führte in Deutschland zum Historikerstreit. Im Ergebnis hielten die meisten Historiker daran fest, dass der Holocaust als Einzelereignis von der Größenordnung der Opferzahlen wie der Systematik seiner Durchführung her einzigartig war und sich nicht im obigen Sinn relativieren lasse.
Das revisionistische Interesse an einer Relativierung der Shoa beruht auf dem Irrtum, dadurch ließe sich die Schuld und Verantwortung dafür mildern. Diese bleiben jedoch in jedem Fall gegeben. Die Frage nach der Schuld und der Verantwortung für die Folgen ist unabhängig von der historischen Frage nach den Ursachen und der Vergleichbarkeit der Shoa zu beantworten