Gnosis: Die Botschaft des fremden Gottes

Ist es nicht so, dass ein Lichtstrahl seine Wärme verliert, je weiter er sich von seiner Quelle entfernt. Am Ende strahlt er dann also nur noch eine Helligkeit ohne Wärme aus.

Von den Photonen weis ich, dass sie eigentlich eine unendliche Lebensdauer haben, aber gerade durch die Absorption in den Übergängen lauert für sie der Tod.

Ich denke, dass auch die Parabel vom Licht mit diesen Gegebenheiten verbunden ist. Es stellt sich dann halt die Frage, in welches Licht man sich stellen möchte. Soll es ein Licht sein, das meinen Geist erfüllt oder ein Licht, das meine Seele wärmen soll?


Merlin
Mir fällt in diesem Zusammenhang der Riesenstern Betelgeuze ein. Er ist volumenmäßig ca. eine Milliarde Mal grösser als unsere Sonne, aber uns erscheint die Sonne viel heller, weil sie uns näher steht als Betelgeuze.

Die menschliche Weisheit (die Sonne) ist für uns nachvollziehbarer (heller) als die göttliche Weisheit (Betelgeuze), obwohl letztere die menschliche Weisheit um ein Vielfaches übersteigt. Dies deshalb, weil unsere Mitmenschen uns näher stehen als der fremde Gott.

Beim Dilemma, ob das Licht erfüllen oder wärmen soll, frage ich mich, wozu die Seele Wärme brauchen sollte. Die Seele ist kein Körper, der Wärme braucht. Außerdem sind Licht und Wärme umgekehrt proportional zueinander. Die EU hat deswegen die Glühbirnen abgeschafft, weil diese mehr Wärme als Licht abgeben. Die neuen LED-Lampen liefern hingegen viel mehr Licht als Glühbirnen und sind damit viel effizienter.

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Die EU hat deswegen die Glühbirnen abgeschafft, weil diese mehr Wärme als Licht abgeben. Die neuen LED-Lampen liefern hingegen viel mehr Licht als Glühbirnen und sind damit viel effizienter.
Okay, dann sind also, die Gnostiker LED-Birnen, von denen mehr Licht ausgeht. Wenn ich bei dem Vergleich bleiben darf, bin ich dann aber lieber eine Glühbirne, von der mehr Wärme ausgeht. :unsure:


Merlin
 
Okay, dann sind also, die Gnostiker LED-Birnen, von denen mehr Licht ausgeht. Wenn ich bei dem Vergleich bleiben darf, bin ich dann aber lieber eine Glühbirne, von der mehr Wärme ausgeht. :unsure:


Merlin
Eigentlich habe ich mit dem Beispiel gemeint, wir sollten nach dem Licht trachten und nicht nach der Wärme. Und zwar wir alle, nicht nur die Gnostiker.
Aber, wenn ich bei deinem Vergleich bleiben darf: Glühbirnen wurden aus dem Sortiment gestrichen und werden nicht mehr hergestellt. LED-Lampen gehört hingegen der gesamte Markt. Sie haben eine Zukunft. Glühbirnen haben keine.
Das Wort "Licht" kommt in der gesamte Bibel 198 mal vor. "Wärme" hingegen ganze 2 mal.
Jesus sagte: "Ich bin das Licht der Welt" und nicht: "Ich bin die Wärme der Welt"
 
Eigentlich habe ich mit dem Beispiel gemeint, wir sollten nach dem Licht trachten und nicht nach der Wärme. Und zwar wir alle, nicht nur die Gnostiker.
Siehst Du, hier unterscheiden wir uns grundsätzlich. Ich denke, dass mit dem Licht, das von Jesus ausging nicht immer im Sinne einer Erkenntnis gemeint sein sollte. Eine wesentlicher Teil seiner Botschaft war die Nächstenliebe:

Markus 12[29] Jesus aber antwortete ihm (Schriftgelehrter): Das vornehmste Gebot vor allen Geboten ist das: „Höre Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Gott; [30] und du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüte und von allen deinen Kräften.“ Das ist das vornehmste Gebot.
(Schma Jisrael: 5. Moses 6[4])

[31] Und das andere ist ihm gleich: „Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst.“ Es ist kein anderes größer denn dieses.
(Matthäus 22[37]; Lukas 10[27]; 3. Moses 19[18])


Merlin
 
Siehst Du, hier unterscheiden wir uns grundsätzlich. Ich denke, dass mit dem Licht, das von Jesus ausging nicht immer im Sinne einer Erkenntnis gemeint sein sollte. Eine wesentlicher Teil seiner Botschaft war die Nächstenliebe:

Markus 12[29] Jesus aber antwortete ihm (Schriftgelehrter): Das vornehmste Gebot vor allen Geboten ist das: „Höre Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Gott; [30] und du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüte und von allen deinen Kräften.“ Das ist das vornehmste Gebot.
(Schma Jisrael: 5. Moses 6[4])

[31] Und das andere ist ihm gleich: „Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst.“ Es ist kein anderes größer denn dieses.
(Matthäus 22[37]; Lukas 10[27]; 3. Moses 19[18])


Merlin
LICHT ist selbstverständlich auch Liebe, aber nicht nur. Es ist Liebe einer höheren Art als einfach "Liebe" oder "Wärme".
Wärme entsteht durch Aneinanderreiben von animalischen Fleischpartien. Das braucht man im Winter, wenn's draußen kalt ist. Die meisten Menschen verwechseln ihr instinktmäßig bedingtes Bedürfnis nach animalischer Wärme mit Bedürfnis nach "Liebe", was sie auch immer darunter verstehen.
Im Licht ist hingegen wahre Liebe enthalten. Das ist höhere Liebe, weil von Erkenntnis getragen und keiner animalischen Wärme bedürftig. Darum sage Jesus - ich wiederhole es - : "Ich bin das Licht der Welt" und nicht: "Ich bin die Wärme der Welt".
 
Kann man denn beides so voneinander trennen? In der chinesischen Philosophie zB hat Shen, der Geist, seinen Sitz im Herzen, nicht im Kopf...


Für mich schließen sich Licht und Wärme nicht aus, Geistesschulung nicht mit Herzensbildung. Brauchen wir nicht beides für ein erfülltes Leben im Sinne der zwei Gebote, von denen hier die Rede war?

Jedem Yogi rennt man mit diesen übrigens offene Türen ein, aus den Yamas und Niyamas* ergibt sich nichts anderes als genau das, Gottesliebe und Nächstenliebe.

Abschließend zum Buddhismus noch: Es gibt auch innerhalb dessen Linien, die sehr wohl von einer individuellen Seele (Atman) ausgehen, bzw wird in anderen Linien das Problem so gelöst, dass die unvergängliche Buddhanatur an die Stelle des Atman gesetzt wird. "Den Buddhismus" gibt es gar also gar nicht, was diese Frage Atman/An- Atman betrifft. Auch dass Nirvana so etwas wie "Bewusstlosigkeit" sein soll ist ein gängiges Missverständnis, aber das zu erläutern führt hier zu weit OT.

Ich hätte zwei Fragen: Wie halten es die welt-und menschenabgewandten Gnostiker also mit der Ethik, du hast erwähnt, @Plissken, sie gelte für euch nicht? Wie verträgt sich das mit der Nächstenliebe?

Welche Antworten hat die Gnostik auf die globalen Probleme der heutigen und kommenden Zeit? Außer die zwei Gebote aus dem neuen Testament?


(* Ethische Orientierung der traditionellen Yoga Philosophie)
 
Kann man denn beides so voneinander trennen? In der chinesischen Philosophie zB hat Shen, der Geist, seinen Sitz im Herzen, nicht im Kopf...
Geist ist nicht an einen Ort oder Körperorgan gebunden. Das sind menschliche Vorstellungen. In der Antike vermuteten die Griechen den Sitz des Lebens, das sie Psyche (Seele) nannten, im Herzen. Darum waren die Krieger bedacht, den Feind ins Herz zu treffen, um auf Nummer sicher zu gehen.

Für mich schließen sich Licht und Wärme nicht aus, Geistesschulung nicht mit Herzensbildung. Brauchen wir nicht beides für ein erfülltes Leben im Sinne der zwei Gebote, von denen hier die Rede war?
"Geistesschulung", "Herzensbildung" … Es klingt so, als wären wir in einer Bildungsanstalt und hätten etwas zu lernen. Dieser Gedanke des Lernens ist der Gnosis fremd. Wir sind nicht da, um zu lernen. Wir wurden in diese Welt geworfen. Was wir in erster Linie brauchen, ist Befreiung. Alles, was wir anschließend zu unserer Vervollkommnung brauchen, kommt dann im Schlepptau, und zum Lernen haben wir nach der Befreiung die ganze Ewigkeit. Zeit genug also!

Ich hätte zwei Fragen: Wie halten es die welt-und menschenabgewandten Gnostiker also mit der Ethik, du hast erwähnt, @Plissken, sie gelte für euch nicht? Wie verträgt sich das mit der Nächstenliebe?
Achtung: Gnostiker sind nicht menschenabgewandt, sondern sie sind gottbezogen und Gott liebt die Menschen. Bei Gnostikern sind die Prioritäten sehr wichtig: Zuallererst kommt Gott. Alles Andere ergibt sich von selbst, siehe die zwei Gebote.
Diese Fragen habe ich ausführlich in #716 beantwortet. Zusammenfassend:
Gnostiker sind Antinomisten, d.h. sie brauchen keine Gesetze, weil sie durch Erkenntnis frei geworden sind, Da sie diese Welt ablehnen, weil sie nicht von dieser Welt sind (Joh 17,15-16), leugnen sie konsequenterweise sowohl die weltliche Ethik als auch ihre Bindung an das alttestamentliche Gesetz. Sie erkennen nur die zwei Gebote Jesu Christ an:
1) "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken.
2) "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst."


Welche Antworten hat die Gnostik auf die globalen Probleme der heutigen und kommenden Zeit? Außer die zwei Gebote aus dem neuen Testament?
Wenn man sich an diese zwei Gebote in dieser Reihenfolge hält, ist die Ethikfrage gelöst, weil die zwei Gebote allen möglichen Gesetzen und Vorschriften übergeordnet sind.

Grundsätzlich interessieren sich Gnostiker nicht für die Probleme dieser Welt. Sie sind nur Gäste auf der Durchreise. Sie haben ein Ticket für die geistigen Bahamas erworben. Warum sollten sie ihrem Aufenthalt in den Slums der Materie, der für sie sowieso nur kurze Zeit dauern wird, Aufmerksamkeit schenken? Sie müssen aber sehr aufpassen, dass sie ihre Einstellung nicht falsch verstehen, denn sie hätten im ungünstigsten Fall viel mehr zu verlieren, als der Nichtwissende.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn man sich an diese zwei Gebote in dieser Reihenfolge hält, ist die Ethikfrage gelöst,

Hi Plissken,

Ja, es könnte so einfach sein, wenn sich jeder dran halten würde.

Was nun aber wäre gemäss Gnosis zu tun, wenn dein eigentlich geliebter nächster deinen Gott hasst, dich für deine religiösen Gefühle lächerlich macht und deinen Ort der Andacht nicht nur rücksichtslos, sondern völlig absichtlich, zerstört?

Lieber Gruss und frohe Ostern

sadariel
 
Ich sehe es so, diese Welt, dieses Universum hat uns hervorgebracht, wir sind aus ihm heraus entstanden, wie alles andere, im schöpferischen Prozess des Seins.
Dessen Urgrund die unveränderliche, unbenennbare Göttlichkeit jenseits des Materiellen ist, und auch ich bin überzeugt, dorthin zurück zu kehren. Aber solange man in einem Körper steckt, nur einmal oder oftmals sei dahingestellt, ist es doch trotzdem empfehlenswert, diese Zeit möglichst sinnvoll zu gestalten. Auch in Beziehung zum Diesseits. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott von uns will, dass wir nichts tun, für die Welt, für die Mitmenschen, und unsere Fähigkeiten und Talente verkümmern lassen oder für uns behalten.
Auch Gnostiker sind wohl aufgefordert, ihren Beitrag zu leisten in der Menschheitsfamilie, wenn auch im Zustand des Nicht -Angehaftet- Seins, was ja durchaus empfehlenswert ist. Aber nur Beobachten und aufs Sterben warten, und sagen, ich will mir nicht die Hände schmutzig machen? Denn ich stehe drüber, in jeder Hinsicht? Kann es das sein? Oder verstehe ich da etwas falsch?
 
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Ich sehe es so, diese Welt, dieses Universum hat uns hervorgebracht, wir sind aus ihm heraus entstanden, wie alles andere, im schöpferischen Prozess des Seins.
Dessen Urgrund die unveränderliche, unbenennbare Göttlichkeit jenseits des Materiellen ist, und auch ich bin überzeugt, dorthin zurück zu kehren. Aber solange man in einem Körper steckt, nur einmal oder oftmals sei dahingestellt, ist es doch trotzdem empfehlenswert, diese Zeit möglichst sinnvoll zu gestalten. Auch in Beziehung zum Diesseits. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott von uns will, dass wir nichts tun, für die Welt, für die Mitmenschen, und unsere Fähigkeiten und Talente verkümmern lassen oder für uns behalten.
Auch Gnostiker sind wohl aufgefordert, ihren Beitrag zu leisten in der Menschheitsfamilie, wenn auch im Zustand des Nicht -Angehaftet- Seins, was ja durchaus empfehlenswert ist. Aber nur Beobachten und aufs Sterben warten, und sagen, ich will mir nicht die Hände schmutzig machen? Denn ich stehe drüber, in jeder Hinsicht? Kann es das sein? Oder verstehe ich da etwas falsch?
Die gnostische Botschaft bringt einen Paradigmenwechsel mit sich, der mit der kopernikanischen Wende verglichen werden kann. Das geozentrische Weltbild wurde von Nikolaus Kopernikus (1473 – 1543) durch ein heliozentrisches Weltbild abgelöst. In der gnostischen Weltanschauung wird das anthropozentrische (immanente) Weltbild durch ein theozentrisches (transzendentes) Weltbild abgelöst. Für einen unbeteiligten Betrachter, der noch in Begriffen der anthropozentrischen Kultur denkt, ist es unvermeidlich, auf empfundene Widersprüche zu stoßen. Diese lassen sich durch den mitunter schwierigen Übergang von der alten zur neuen Denkweise erklären. Jesus dazu: "Auch füllt niemand jungen Wein in alte Schläuche. Sonst würde ja der junge Wein die Schläuche zerreißen; er läuft aus und die Schläuche sind unbrauchbar. Sondern: Jungen Wein muss man in neue Schläuche füllen." [Lukas 5,37-38]

Die Zeit "sinnvoll" zu gestalten und etwas für die Welt oder die Mitmenschen zu tun, ist an sich nicht falsch. Schließlich haben wir einen Körper und eine Seele mit jeweils physischen und sozialen Bedürfnissen, die befriedigt werden wollen. Solange wir in diesem Tal wohnen, müssen wir noch dazu unsere Pflichten erfüllen. "So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!" [Mt 22,21]. Das alles gehört unbestreitbar zu unserem diesseitigen Leben dazu.

Es kommt jedoch auf die richtige Einstellung an. Betrachten wir die Befriedigung unserer Bedürfnisse und die Erfüllung unserer Pflichten als einen Grund, uns an diesem Leben zu erfreuen? Wird unser ganzes Wesen von weltlichen Vorstellungen, Erinnerungen und Zielen dominiert? Schmieden wir Pläne darüber, wie wir in dieser Welt noch mehr Freud und noch weniger Leid erzielen können? Dann haben wir aufs falsche Pferd gesetzt. Der Gnostiker sieht alles mit dem Augen Gottes und weiß, dass dies die Fallstricke der demiurgischen Herrschaft sind, damit wir immer mehr anthropozentrisch und immanent leben und unsere wahre Berufung vergessen. Der Gnostiker hat keine menschliche, sondern eine göttliche Agenda.

"Nun gibt es manche Menschen, die verzehren die Kräfte der Seele ganz und gar in dem äußeren Menschen. Das sind die Leute, die alle ihre Sinne und Gedanken auf vergängliche Güter richten und nichts von dem inneren Menschen wissen. Wie nun ein guter Mensch manchmal den äußeren Menschen aller Kräfte der Seele beraubt, wenn sie eine hohe Aufgabe hat, so berauben tierische Leute den inneren Menschen aller Kräfte der Seele und gebrauchen sie für den äußeren Menschen. Nun musst du wissen, dass der äußere Mensch in Tätigkeit sein kann, während der innere gänzlich derselben entledigt und unbeweglich steht."
[Meister Eckhart]
 
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