Gibt es Seelen, die zum ersten Mal geboren werden?

Von meinem Gefühl her ist es eben schon lange so, daß "das Ego auflösen" irgendwie nicht stimmig sein kann. Nicht, weil ich so ein großes Ego habe, sondern weil ich es irgendwie als unlogisch sehe.

Es ist ja auch noch die Frage, was man unter "das Ego auflösen" versteht. Vielleicht beziehst du dich auf die buddhistische Philosophie, die als Endziel ja ein *Verlöschen* im Nirvana in Aussicht stellt? Aber selbst da ist nicht eindeutig zu klären, was darunter eigentlich zu verstehen sei.

Laut diesem Konzept gelingt es einzig und allein demjenigen, der "bodhi" erreicht hat, aus dem Kreislauf von Leben-Sterben-Wiedergeburt auszusteigen. Dazu bedarf es zweierlei: *vollkommene Weisheit* und *unendliches Mitgefühl* mit allem Lebendigen, also so etwas wie universale Empathie. Erst dann gelänge es, so die Vorstellung, aus dem *samsara*, also dem Kreislauf der Wiedergeburten, auszusteigen und ins Nirvana überzugehen.

Der Begriff "Nirvana" bleibt im Buddhismus indessen seltsam unbestimmt und "unbeschreibbar" und hat deutlich widersprüchliche Elemente an sich. Feststeht, daß es sich um einen Zustand frei von den drei *Grundübeln* der Daseinsanhaftung (Gier/Haß/Verblendung) handelt, wie im Tibetischen Totenbuch immer wieder erläutert wird. Allerdings ist nicht einmal sicher, ob es sich um einen *Zustand* handelt, denn dieser Einheit *Nirvana* wird fortlaufend das Attribut der *Zustandslosigkeit* zugeschrieben, z.B.:

Diese Einheit ist grundlos und wurzellos frei. Sie kann in keiner Richtung erblickt werden Sie kann nicht als Etwas betrachtet werden, weil sie als intelligente Klarheit strahlt. Und sie kann nicht als Entweder-Oder betrachtet werden, denn Leere und Klarheit sind nichtdual.
Das Tibetische Totenbuch, Frankfurt a. M. 1996 S.336

Ebenso unklar ist, was denn letztlich in dieses Nirvana eingeht. Das macht den Buddhismus zu einem guten Teil ungenießbar, zumindest für mich. In Wikipedias Erklärungen zum Nirvana-Begriff findet sich diesselbe Herumeierei:

In psychisch-existentieller Hinsicht ist Nirvana das Verlöschen von falschen Wirklichkeitsvorstellungen, von Leidenschaften und Begierden, es ist die Aufhebung des "Durstes": des Verlangens, etwas unbedingt haben zu wollen oder unbedingt von etwas frei sein zu wollen. Wenn ein Träumer erwacht, merkt er, dass er aus dem Traumbewusstsein hinausgetreten ist. Ebenso kann das als normal geltende Wachbewusstsein überwunden werden, so dass ein Erwachen auf einer höheren Ebene stattfindet, ein Erwachen in eine andere Wirklichkeit - in die absolute Wirklichkeit. Durch die Nirvana-Erfahrung weiß man, dass das, was man im Alltag als Realität erfährt, Maya (Schein) ist. Man ist dabei nicht mehr der, als den man sich selbst kennt, sondern in der Nirvana-Erfahrung ist das Ich verloschen (aufgehoben). Wer Erleuchtung erlangt und damit das Nirvana dauerhaft erfährt, sammelt kein Karma mehr an, wird nicht mehr geboren und geht im Tod vollständig ins Nirvana ein. Der Buddha lehrt, dass alles, was man vom Menschen als Person kennen kann, vergänglich ist. Wer endgültig ins Nirvana eingeht, kann in nichts mehr als Person wiedergefunden werden. Manche meinen, das vollständige Verlöschen des Ichs im Nirvana bedeute eine Auflösung und Vernichtung der Person, dies ist insofern nicht richtig, als die Annahme einer Person nur eine Täuschung und damit nie wirklich existent war.
Dann aber auch wieder:

Nirvana ist kein Gegenstand sondern eine Erfahrung.
http://de.wikipedia.org/wiki/Nirvana

Fein, aber welchen Sinn macht es wohl, von einer "Erfahrung" zu reden, wenn das Subjekt aufgelöst wird, das etwas erfährt? Schon die Aussage die Annahme einer Person sei eine Täuschung, scheint mir eine Antinomie zu sein, denn wenn man das Ego so weit auflöst, daß es nicht mehr da ist, bleibt auch nichts übrig, was sich täuschen könnte.

Eine sehr komplexe Sache. Ich für meinen Teil rechne mit einem Überdauern einer wie immer auch beschaffenen Identität, die weiterhin "Ich" zu sich sagt, und *Nirvana* hieße in meiner Lesart *universaler Bewußtseinsstrom*, in den diese Einheit am Ende aller Inkarnationen eingeht, gleichwohl nicht verlischt.
 
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Hallo Tommy,

das ist richtig, ich dachte an das Nirvana. Und irgendwie mag ich es nicht.

Was du da geschrieben hast, finde ich sehr schlüssig. Wozu das alles, wenn das Ego/die Persönlichkeit NICHTS mehr ist. Gar nichts mehr. Das finde ich einfach nicht erstrebenswert - ewiges Vergessen und dafür die ganze Plackerei.

Dein letzter Satz : Super , da schließe ich mich gleich mit an!

liebe Grüsse
 
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