Dass Dir Statistiken wichtig sind, hat mittlerweile wohl jeder hier begriffen. Was mir auffällt ist allerdings ein völliger Bruch in Deiner Argumentation :
Einerseits willst Du für Dich nur statistisch abgesicherte Behandlungen. (Was sicherlich als Deine persönliche Entscheidung nachvollziehbar ist.) Andererseits kannst Du Dir aber auch die Teilnahme an einer Studie vorstellen. In einer Studie wird aber ein neues Behandlungsverfahren getestet, zu dem es weder statistische Werte noch aussagekräftige Erfahrungswerte gibt. (Es wurden ja auch schon Studien abgebrochen, weil sie eine deutlich höhere Sterberate mit sich brachten, als das "alte" Behandlungsverfahren.)
Ja, die Teilnahme an einer Studie bringt ein Risiko mit sich. Es gibt aber auch die Chance, dass das getestete Verfahren wirklich besser ist. Es wird ja nicht blind jedes Verfahren getestet, was vorgeschlagen wird. Die Leute haben (hoffentlich) schon ihre Gründe, warum sie glauben, dass ein Verfahren besser sein könnte. Zumindest haben sie das, wenn es in der Medizin so zugeht, wie in der Physik.
Das heißt : Du setzt Dich lieber einem völlig unbekannten Verfahren aus (nur weil es im Rahmen einer Studie durchgeführt wird) - als Dich genauer über ein bereits länger praktiziertes Verfahren zu erkundigen, das Du selbst jederzeit an Dir bei "kleineren" Krankheiten ausprobieren kannst und bei dem Du auch zu Menschen Kontakt knüpfen kannst, die damit gesund geworden sind. (Und dass Menschen wieder gesund geworden sind - auch wenn sie schulmedizinisch aufgegeben waren - wenn sie die Neue Medizin in Anspruch genommen haben, das ist ja unbestreitbar.)
Es ist aber auch unbestreitbar, dass Hamer und seine Anhänger Menschen eingeredet haben, dass die Qualen, die sie gerade durchleiden, zum Heilungsprozess gehören, und dass bald alles vorbei sei, wenn sie denn weiter nach den Konflikten suchen. Und als es dann wirklich vorbei war - allerdings nicht so wie erhofft - wurde nur mit der Schulter gezuckt und gesagt: "Sie haben ja den Konflikt abgstritten." Angenommen da war wirklich kein Konflikt. Geht diese Möglichkeit in den Schädel dieser Leute rein? Ich weiß, dass Ihr Euch in diesem Punkt von Hamer distanziert... nun würde mich interessieren, wie ihr zu der Möglichkeit steht, dass da vielleicht wirklich kein Konflikt war in dem von mir verlinkten Beispiel.
Ein sehr ernüchterndes Erlebnis möchte ich noch erzählen : In einem Zeitungsinterview bestritt ein mir persönlich bekannter Primar, dass es diese Heilungen in Zusammenhang mit der Neuen Medizin tatsächlich gäbe. Er sagte wortwörtlich "Einmal möchte ich so jemanden kennenlernen." Als ich von der Dame erfuhr, die (aus schulmedizinischer Sicht unheilbar) an einem massiv metastasiertem Melanom erkrankt war (Lebenserwartung mit palliativer Chemotherapie 1/2 Jahr - nach einem halben Jahr bei Dr. Hamer hingegen völlig gesund), verständigte ich den Primar davon, nachdem ich von der Dame das Einverständnis bekommen hatte, dass sie bereit wäre, mit ihm zu sprechen. Seine Reaktion : Ja, ja, das kenne er. Das wäre eine Spontanremission, das gäbe es öfters. Nein, besuchen will er sie nicht - aber sie möge ihm ihre Befunde schicken, weil er solche Fälle sammelt.
Da haben wir wieder die Problematik, die nur mit einer Studie zu klären wäre. Woran liegt es, dass diese Menschen wieder gesund wurden? Liegt es an der NM oder liegt da doch nur eine sog. Spontanheilung aufgrund anderer (unbekannter) Faktoren vor? Wie groß ist der Anteil an Patienten, die durch Hamer wirklich geheilt wurden?
Motto : "Es kann nicht sein, dass nicht sein darf." Zu einer Autofahrt innerhalb Österreichs reicht es nicht, um eine schulmedizinisch unmögliche Heilung kennenzulernen - aber in eine Studie werden Millionen investiert bezüglich einer palliativen Chemotherapie, die 1-2 Monate Lebensverlängerung bringen könnte.
Dieses Motto wird ja gerne den Skeptikern vorgeworfen... nicht unbedingt zu Unrecht. Ich bin aber mittlerweile der Überzeugung, dass jeder mehr oder weniger nach diesem Motto lebt. Wenn dabei Menschenleben auf dem Spiel stehen, sind die Folgen allerdings dramatisch. Und ihr gebt selber zu, dass Hamer mit seiner Einstellung ziemlich eindeutig nach diesem Motto lebt.
Ich habe mich zu den CT-Aufnahmen erkundig. Der Kritikpunkt an dieser Geschichte ist, dass solche "Herde" - wie Hamer sie nennt - wahrscheinlich CT-Artefakte sind. Stutzig macht die Kritiker vor allem, dass z.B. die Kreise ungestört durch die Trennung von rechter oder linker Gehirnhälfte oder in Liquor-Holräumen verlaufen.
Nun gut, es wurde ja noch behauptet, dass Hamer anhand der Bilder die Krankheitsgeschichte ihm unbekannter Patienten rekonstruieren konnte. Im Rahmen der obigen Aussage, dass es sich wahrscheinlich nur um Artefakte handelt, hätte ich diese Geschichte über Hamers Diagnostig gerne belegt. Gibt es da mehr als nur Geschichten, die Hamer-Befürworter erzählen (und die deswegen vielleicht sehr aufgebauscht sind)? Gibt es da nüchterne Berichte von dabei gewesenden Ärzten?
Reinfried schrieb:
Versuche nur einmal in einem kleinen Gedankenexperiment, nur die Voraussetzungen für so einen - offiziellen - Check zu schaffen: (Ich hatte vorher schon geschrieben, dass so ein Check in dem Sinne nicht durchführbar wäre), aber bleiben wir mal bloß bei den Voraussetzungen:
Und ich habe dazu geschrieben, warum er doch durchführbar wäre. Gerade weil so viele Faktoren nicht kontrollierbar sind, ist das das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, Wissenschaft zu betreiben und Gesetzmäßigkeiten zu erfassen.
Reinfried schrieb:
Du würdest
a) keinen Geldgeber dafür finden - hättest Du einen Vorschlag, wer sich dazu bereiterklären würde, so eine Studie zu finanzieren?
b) keine Ärzte finden, die sich trauen würden, offiziell nach der NM zu therapieren
c) es schaffen müssen, dass der Zustand von Patienten während des Checks nicht nach schulmedizinischen Kriterien beurteilt wird.
d) vorsichtig formuliert: eine Ahnung davon bekommen, was es heißt, verfolgt zu werden oder zumindest sehr unbeliebt zu sein
....um nur einige Punkte zu nennen, die mir ad hoc einfallen....
Es wurde hier behauptet, dass in Spanien solche Studien durchgeführt wurden (Beitrag #2 in diesem Thread). Stimmt das nun oder nicht? Wenn die NM in Spanien offiziel etabliert ist, wie behauptet wurde, dann gibt es entweder Studien dazu oder ich möchte nicht in Spanien sein, wenn ich Krebs habe.
Reinfried schrieb:
Ok, da hast Du recht - ich gestehe, ich verwende Statistiken nur zu manipulativen Zwecken. Eine andere Funktion sehe und sah ich nie darin.
Dann möchte ich von Dir auch wissen, welchen Würfel Du nehmen würdes in meinem Beispiel. Du hast Recht: Mit Statistiken kann man herrlich lügen und manipulieren. Wenn der Leser die Stolperfallen aber kennt, geht das nicht mehr. Und eine gut geführte Statistik liefert objektive Einblicke, ohne dass man sich subjektiv die Einzelberichte anschaut, die einem gefallen.
Kinnarih schrieb:
Das ist vielleicht auch ein Grund für Mißverständnisse - unsere Sichtweisen sind schon ziemlich entgegengesetzt. Mir persönlich springen halt immer zuerst diese einzelnen Geschichten der einzelnen Menschen ins Auge. Ich hab persönlich immer Hemmungen, verallgemeinern zu sollen, weil jeder Mensch anders tickt. Mir ist schon klar, worauf du hinauswillst und daß allgemeingültige Aussagen treffen zu können durchaus wichtig ist - mir ist nur nicht klar, warum du dich offenbar so heftig dagegen wehrst, Schul... und Neu... könnten vielleicht gemeinsam zu besseren Ergebnissen führen, wenn sie einander vorurteilsfrei begegnen könnten. Auch und gerade weil Neu... statistisch eben a priori nicht einwandfrei erfaßbar ist.
Die NM würde statistisch erfassbar sein, wenn sie denn so getestet werden würde (oder vielleicht in Spanien sogar wurde).
Mir fallen auch Geschichten einzelner Menschen ins Auge. Ich kenne auch Leute, die unter einer schulmedizinischen Behandlung elendig gestorben sind. Und einige dieser Menschen haben mir sehr viel bedeutet und tun es immernoch. Ich kenne aber auch Leute, die nach einer schulmedizinischen Behandlung derzeit krebsfrei leben. Von der NM kenne ich auch Berichte zu beiden Seiten. Fallen Dir denn die Negativ-Berichte über die NM nicht ins Auge? Ich habe da Seiten am Anfang dieses Threads verlinkt. Was ist Deine Meinung zu diesen Beispielen? Was lernst Du aus diesen Geschichten?
Da werden die Erfolge der NM gefeiert und die der Schulmedizin klein geredet. Die Misserfolge der Schulmedizin werden zum Skandal aufgebläht, die der NM gar nicht erwähnt. Wären die Berichte in diesem Thread verlinkt worden, wenn ich es nicht getan hätte, oder wäre nur weiter vom Bekannten erzählt worden, der sich gesund gedacht hat und vom Onkel, bei dem der Konflikt offensichtlich war und und und...?
Das ist das Problem mit Berichten und Einzelschicksalen. Es fallen einem immer die ins Auge, die das eigene Bild stützen. Das geht mir ja nicht anders. Aber auch darum poche ich so auf Statistiken und Studien; da geht das nicht mehr so einfach.
Es ist nicht so der neuen Behandlungsansatz, gegen den ich mich sträube. Ich wehre mich zum einen gegen die Statistikfeindlichkeit, die ich hier vorzufinde und versuche den Sinn von Statistiken zu erläutern. Und ich wehre mich dagegen, dass ungetestete Verfahren als Wissen dargestellt werden, anhand von eigenen Erlebnissen und Einzelfällen, wobei jedem klar ist, dass man sich bei der Auswahl dieser Einzelfälle gerne selbst betrügt (was den Skeptikern vorgeworfen wird).
Viele Grüße
Joey