Aber wann ist man dann wirklich im Hier und Jetzt? Wenn ich mit jemandem spreche, bin ich mit meiner Aufmerksamkeit auch beim anderen; und inwieweit kann Mond/Neptun überhaupt "hier" sein?
Bei solchen Fragestellungen passe ich gern auf, ob ich mir damit nicht selbst eine Ausrede konstruiere. Ich kann freilich prinzipiell hinterfragen, ob es überhaupt möglich ist, exakt im Hier&Jetzt zu sein ... wie ich es in praktisch allen Herausforderungen machen kann, und ich kann mir dann unschwer nachweisen, dass das (was auch immer) eh nicht geht, weil es grundsätzlich unmöglich ist.
Es gibt da die Geschichte vom Paul Watzlawick in den "Anleitungen zum Unglücklichsein": Eine alte Dame beschwert sich beim Sheriff, dass sie von ihrem Haus aus ein paar Jungs dabei beobachten kann, wie sie nackt im Fluss baden. Der Sheriff nimmt die Jungs ins Gebet und sagt ihnen, sie sollten ein Stück weiter weg vom Haus baden. Die Jungs tun es, aber die alte Dame ruft am nächsten Tag beim Sheriff an: "Ich kann sie immer noch sehen!" Der Sheriff sagt den Jungs, sie sollten noch ein Stück weiter weg gehen. Am nächsten Tag wieder ein Anruf: "Wenn ich auf den Dachboden steigen und durch die Dachluke hinausschaue, kann ich sie immer noch sehen!"
Ich bevorzuge die neptunische Variante, mit dem Hier&Jetzt umzugehen: Ich nehm's unscharf. Ich kenne Augenblicke in der Meditation (selten genug), in denen dieses unmittelbare Gewahrsein des ??? geschieht. Wenn ich das Tao benennen würde, wäre es nicht das Tao. Das Hier&Jetzt ist ein Begriff, und damit ist es in einem gewissen Sinn nie und nimmer das Hier&Jetzt. Es ist die sprachliche Krücke für einen Erfahrungsbereich, den wir alle schon ganz gut kennen. Und wenn ich theoretisch auch nie exakt im Hier&Jetzt sein kann, so ist es doch ohne weiteres möglich, mehr oder weniger im Hier&Jetzt zu sein. Darauf kann ich achten - mehr im Hier&Jetzt zu sein, wenn ich das will.
Und auch das ist kontextbezogen. Es gibt auch die andere Sicht, dass ich ja sowieso im Hier&Jetzt bin und nirgendwo anders sein kann. Es gibt keine Vergangenheit außer die in meinen Erinnerungen, es gibt keine Zukunft außer die in meinen Vorstellungen. Auch wenn ich mich in Erinnerungen verkrieche oder mich in Luftschlösser flüchte, tue ich das genau hier und genau jetzt. Und in dem Augenblick, in dem ich das wahrnehme - in dem ich quasi zum Beobachter meines Verkriechens und meines Flüchtens werde -, bin ich auch schon bewusst im Hier&Jetzt. Ich kann nur im Hier&Jetzt sein, und das umfasst alle Vergangenheiten und alle Zukünfte ... in dem Maße, in dem ich dazu einen bewussten Zugang finde, erschaffe ich mir auch meine Gegenwarten, diesen anderen Aspekt des Hier&Jetzt.
Was zum Threadtitel zurückführt: Durch die jeweiligen Inszenierungen meines Bewusstseins (mehr oder weniger das Sonne-Prinzip) erschaffe ich meine Identitäten. Unter dem stramm-teutonischen Aspekt der Charakterfestigkeit und Treue zu sich selbst klingt das höchst verdächtig. Und im Alltagsmiteinander hätten wir auch gern eher berechenbare Gegenüber. Das Leben zeigt: Im Hier&Jetzt bin ich der, der mit einem gerade gegebenen Kontext in Beziehung tritt. Der sich von ihm herausfordern lässt und die Reaktion dieser Herausforderung an den Tag legt. (In meiner Sicht: MO als "Antenne für den Kontext" und SO als resultierende Verhaltensweise, was freilich in einer permanenten Feedbackschleife abgeht). Ich meine, dass in diesem kontextbezogenen Verhalten der Begriff der Identität ziemlich weit zu fassen wäre, was die Oberfläche anlangt, bzw. ziemlich auf den Kern (AC) zurückzuführen wäre, was die Tiefe betrifft. Mit Fische-betonter Sonne (wie meinereiner) oder fischigem Mond oder AC sehen solche Kontextbeziehungen freilich anders aus als mit, sagen wir, Waage...
Das schreibt einer mit Steinbock-AC, also im Kern (u.a.) Regeln suchend und formulierend, mit einem Zwillings-Mond (die Kontexte mit dem Fokus auf seine funktionalen Zusammenhänge untersuchend) und mit einer Fische-Sonne ... sich eher unscharf ausdrückend und die Verbindungen zwischen dem Vorder- und dem Hintergründigen mitnehmend. Hier und jetzt und immer schon ;-)
Alles Liebe,
Jake