Liebe Christina!
secretways schrieb:
was meinst du mit "was jemand IST"?
Sehr gute Frage ;-) Entweder ziehe ich mich jetzt damit aus der Affäre, dass ich sage: Was jemand ist, ist das, was an jemand unveränderlich ist. Oder ich beziehe es in den Bereich der unsagbaren Dinge ein und behaupte (ohne es beweisen zu können), dass der Bereich der Wahrnehmung größer ist als der Bereich des Sagbaren und behaupte außerdem, dass jedeR etwas ist, was hinter den wahrnehmbaren Erscheinungsformen ein konsistentes, in-Dividuelles Ganzes ist. Könnte ich nennen das Tao, es wäre nicht das Tao. Sinnvoll kommunizieren kann ich allerdings nur mit dem und im Bereich des Wahrnehmbaren. Wobei Beispiel Umarmung die nonverbale Wahrnehmung nach meiner Erfahrung sehr weit reichen kann. Auch ins In-Dividuelle hinein.
secretways schrieb:
kontext: ja. und wie weit reicht ein kontext oder kontexte überhaupt? dass wir schreiben, steht ja auch im kontext, dass wir schreiben gelernt haben und im kontext, dass wir über sprache mit der ihr gegebenen gewichtung kommunizieren. dass wir "gemeinhin" planen beruht auf kontexten und alles, was wir jetzt sind und tun oder lassen beruht auf kontexten individuell und kollektiv. kontexte beziehen sich ja nicht nur auf das jetzt und die zukunft, sondern all diese beruhen ja auf kontexten der vergangenheit - so lange und so weit wir kontextbezug "definieren" bzw. dinge in einen kontext setzen und in "kontexten" definieren.
Von einem Kontext zu reden macht für mich nur Sinn, wenn ich es zugleich in Beziehung setze zu einem Fokus. Um den herum gruppieren sich dann die Kontexte wie Zwiebelschalen oder noch besser wie die Fraktale einer Apfelmännchengrafik. Und da werden dann die Kontexte rasch relativ konkret... auch und vor allem als Gestaltungsräume.
secretways schrieb:
an "hingabe an den augenblick" ist für mich keine passivität geknüpft.
Nein, selbstverständlich nicht. Hingabe als Kunst, sich zu öffnen... wuwei...
secretways schrieb:
auch "nicht zu entscheiden" beruht ja auf einer entscheidung - der entscheidung, nicht zu entscheiden

ist das "aktiv" oder "passiv" ?
Wenn es eine Entscheidung ist, ist es als Entscheidung ein aktiver Akt. Das dadurch Entschiedene kann beides sein... ich kann mich aktiv entscheiden, mich passiv zu verhalten (was ich jetzt nicht mit Hingabe gleichsetze), z.B. Aber das geht für mich am Punkt vorbei, den ich meinte... ich kenne von mir schon auch die Tendenz, die Dinge einfach laufen zu lassen, und dem geht keine Ich-Entscheidung voraus, sie einfach laufen zu lassen (wobei ich Entscheidung immer als bewussten Akt sehe). Das ist, wenn Du willst (und wie es wohl Milton Erickson oder Gunther Schmidt sehen würden) eine Es-Entscheidung, und solchen Es-Entscheidungen billigen die übrigens hohe Kompetenz zu... bis dorthin, dass sie sagen, dass Ich-Entscheidungen den Es-Entscheidungen oft dysfunktional im Weg stehen. Dem kann ich was abgewinnen.
secretways schrieb:
mir scheint die intention dahinter kausal bedeutend(er), z.b. ist sie: lust? pflicht? gewohnheit?
Mal so, mal so? Mit dem Kausalen hab ich's nicht so, ich seh das lieber im Licht von Verhaltensmustern und dem Potenzial, Muster zu modifizieren. Neben den möglichen Motiven Lust, Pflicht und Gewohnheit fallen mir auch noch die Vernunft ein und das berechnende Kalkül, zum Beispiel.
secretways schrieb:
bei mir ist es so, dass wenn ich mich bewusst als teil eines größeren ganzen erlebe, dies bedeutet, dass ich individueller ausdruck dieses "ganzen" bin, so wie jede/r und alle/s andere/n auch. alles, was an gefühlen und erleben damit einhergeht, fühlt sich vollkommen anders an, als wenn ich mich (ab)getrennt erlebe.
Erleben tu ich mich so nur in eher seltenen, wertvollen Augenblicken. Manchmal in einer Meditation, manchmal in der Natur, manchmal in einer Beziehung mit einem Menschen. Ich erlebe mich umgekehrt so gut wie nie als abgetrennt (und ich rede jetzt wirklich immer von erleben und nicht vom Denken oder vom Formulieren eines spirituellen Konzepts). Wie auch... wenn ich die innere Gewissheit habe, im All-Einen aufgehoben zu sein, warum sollte ich mich dann abgetrennt fühlen? Im konkreten Erleben (die Denke fügt ein: des dualen Raums) ist das eine wie das andere kein Thema. Da erlebe ich (oder mal diese, mal jene Ich-Instanz) in aller Vielfalt der Möglichkeiten die Vielfalt aller Möglichkeiten
und mit Staunen die fraktalen Muster, die diese Vielfalt ordnen und sie als keineswegs beliebig erscheinen lassen
Astrologie ist für mich eines dieser Muster.
secretways schrieb:
nur in der "separierten" warhnehmung ist es mir möglich, mich z.b. bedroht zu fühlen, weil es nur darin ein außen und ein fremd, ein "nicht zu mir gehörend" begründen kann und damit angst, wut, verletzung, feinde etc., also alles, was wir als "negativ" werden.
Mit dem Gefühl der Bedrohung hab ich wenig Erfahrung, das kenn ich eigentlich nicht... oder hab's erfolgreich verdrängt, wer weiß. Aus meiner letzten halbwegs ans Eingemachte gehenden Beziehungskrise weiß ich, dass meine Angst meine Angst ist, dass meine Wut auf meiner Angst aufsetzt, dass meine Verletzung meine Verletzung ist... und ich hab's nicht gewertet, ich hab's genommen, habe mich entschieden, es zu nehmen als meins und bin daran nicht hängengeblieben. Es wäre mir völlig unnatürlich vorgekommen (und käme es mir auch jetzt noch), so einen Einschnitt ins Leben in aller Gleichmut vorbeigehen zu lassen. Wichtig und hilfreich war mir, dass die Ebene der Turbulenzen nicht die einzige war.
Separierte Wahrnehmung... gibt es eine andere Wahrnehmung? Das Gewahrsein, diese (für mich) seltenen Augenblicke des Seins im All-Einen, sind ein Sein und kein Nehmen. WahrNEHMUNG hat wohl immer die Unterscheidung im Gepäck. Übrigens ein nettes Wortspiel vom Gunther Schmidt, der für den Austausch auch den Begriff der Wahrgebung einbringt...
secretways schrieb:
so weit und so lange ich mich in dieser weise als teil des ganzen erlebe, ist es mir nicht mal unbewusst möglich, z.b. "autoaggressiv" weder meinem "äußeren selbst" noch meinem "inneren selbst" zu begegnen.
Das ist banal gesagt einfach logisch. Wie oder wem sollte das Ganze begegnen? Begegnen kann ich nur, wenn ich unterscheide... in Du und Ich zum Beispiel. Oder in Ich und Ich
vermutlich ist ja sogar die Eigenliebe nur durch Unterscheidung möglich, indem ich mich gleichzeitig als liebendes Subjekt und geliebtes Objekt erfahre. Schon Nestroy stellte in einem Lustspiel die Frage: Ich weiß ned, wer g'winnt... I oder I?
secretways schrieb:
"gewohnheitsrealität" - super stichwort, danke dir
Falsche Adresse. Ich hab das vom Gunther Schmidt, und der dankt auch wieder irgendwem dafür. Jedenfalls finde ich den Begriff auch für sehr brauchbar er suggeriert, dass Realität ein Konstrukt ist, ein Produkt der Wahrnehmung, und jederzeit veränderbar. Für die Astrologie und den Umgang mit dem Saturn halte ich das für einen äußerst nützlichen Ansatz.
Alles Liebe wünsche ich Dir (und freu mich sehr über die endlich mal wieder etwas andere Diskussion hier in diesem Rahmen),
Jake