Fckw
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geht der Theravada- Buddhismus eigentlich über den Hinayana hinaus ? Ich hatte noch nie Kontakt z.B. zu Thai- Buddhisten und dem was sie praktizieren
.ich weiß zwar von zwei Tempeln, hatte aber noch nie Ambitionen da hinzugehn, wohl auch eher weil sie da wirklich unter sich sind und man sich da auch nicht noch reindrängen muß
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greetz....
"Hina-Yana" heisst ja wörtlich übersetzt "Kleines Fahrzeug". Diese etwas herablassende Bezeichnung wurde schon vor langer Zeit von Anhängern des "Maha-Yana" ("Grosses Fahrzeug") eingeführt. Sie wollten damit herausstreichen, dass ihre eigene Auffassung der buddhistischen Lehren jenen des Hinayana überlegen sei, ihr eigenes Fahrzeug würde besser, schneller, umfassender und direkter zur vollständigen Erleuchtung führen und sei darum "grösser" als jenes. Üblicherweise mit Hinayana der Therevada-Buddhismus bezeichnet, weil es heute - so weit mir bekannt ist - keine anderen Hinayana-Traditionen (mehr?) ausser dem Therevada gibt.
Der Mahayana-Buddhismus lässt sich noch einmal grob aufteilen in eine nicht-tantrische Tradition (den "Sutra-Mahayana", z.B. Zen und Chan) und eine tantrische Tradition (den "Tantra-Mayahana", z.B. "tibetischer Buddhismus", wobei es auch nicht-tibetische, tantrische Traditionen des Buddhismus gibt, beispielsweise in Russland, China oder auch Japan).
Natürlich behaupten wiederum manche Anhänger des tantrischen Buddhismus, ihre Lehre sei noch einmal jener des nicht-tantrischen Mahayana überlegen. Und selbst innerhalb des tantrischen Buddhismus wiederum gibt es Leute, die behaupten, dass ihre Sekte (z.B. "Gelugpa") allen anderen Systemen überlegen sei - was offensichtlich ziemlicher Schwachsinn ist. Dasselbe Spiel, wie in den christlichen Konfessionen (Katholiken, Protestanten, koptische Christen etc.) also.
Der Tantrismus ist übrigens eine Strömung, welche mit dem ursprünglichen Buddhismus, wie er vom historischen Buddha gelehrt wurde, nicht vorkommt. Es ist gut möglich, dass das eine komplett eigene Strömung war, die sich von Afghanistan her kommend zuerst mit dem Hinduismus in Indien/Pakistan und von dort aus mit dem Buddhismus in Tibet verschmolz. (Deshalb gibt es sowohl den tantrischen Hinduismus als auch den tantrischen Buddhismus.) Die tantrischen Buddhisten behaupten jedoch, dass Buddha diese Lehren in "subtiler Form" (also nicht in seinem physischen Körper) gelehrt haben soll. Wie auch immer.
Aber:
1) Der Therevada-Buddhismus dürfte vermutlich am nächsten sein an dem, was der historische Buddha tatsächlich lehrte. Es ist zu vermuten, dass der historische Buddha selbst tatsächlich eine Art "Ur-Vipassana" lehrte, die nicht allzu unähnlich der Vipassana-Tradition war, die man heute an diversen Orten lernen kann. Dafür sprechen einige Texte aus dem Pali-Kanon.
2) Der Dalai Lama betont, dass der Hinayana keineswegs schlechter oder der eigenen Lehre unterlegen sei. Tatsächlich muss, wer den tibetischen Buddhismus studiert, zuerst die Lehren des Hinayana lernen, dann die Lehren des Sutra-Mahayana und schliesslich die Lehren des tantrischen Mahayana. Wobei hier unter "Hinayana" jeweils eine "ver-tibetisierte Form" von Hinayana gemeint ist. In Wahrheit lesen die wenigsten Mönche in tibetischen Klöstern den Pali-Kanon (welcher wie gesagt eine ganze Reihe an Texten enthält, die mit grosser Wahrscheinlichkeit tatsächlich auf den historischen Buddha zurückgehen), sondern uralte Übersetzungen und Kommentare auf Tibetisch dazu. Es ist also wie eine Art Pyramide: Jedes Element baut auf dem vorherigen auf. Nur weil ein Element "mehr Fundament als Dach" ist, heisst das noch lange nicht, dass das schlechter ist, oder?
3) Im Therevada wird ganz eindeutig gesagt, dass beim Eintritt in die erste Erleuchtungsstufe der Glaube an die Einzigartigkeit der eigenen spirituellen Tradition zerstört wird.
Das wird im Pali-Kanon sīlabbata-parāmāsa ("Hang an Regeln und Riten") genannt. Das sagt wohl so einiges über jene erfinderischen Leute aus, die den Begriff "Kleines Fahrzeug" erfunden haben... .
4) Ich behaupte: Letztlich liegt die Unterscheidung zwischen Hinayana und Mahayana nicht darin, welche Praxis du konkret ausführst (also ob du nun Therevada-Buddhist oder Zen-Buddhist oder tibetischer Buddhist bist), sondern darin, ob du hauptsächlich zur eigenen Befreiung praktizierst (Hinayana) oder ob du zur Befreiung aller Wesen praktizierst (Mahayana). Es gibt durchaus Praktizierende des tib. Buddhismus, welche trotz all der vielen Übungen und des Boddhisattva-Gelübde letztlich nur an sich selbst interessiert sind. Ich bezeichne das als "Hinayana-Gesinnung", während es umgekehrt grossartige Meister und Lehrer im Therevada gab und gibt, welche äusserst selbstlos und zum Wohle aller Wesen praktizierten und lehrten (was ich als "Mahayana-Gesinnung" bezeichne).
Übrigens habe ich kein Problem damit, wenn jemand zuallererst nach der eigenen Befreiung strebt. Ich finde das keineswegs verwerflich oder schlechter oder geringer im Wert.