Eltern - und andere Lebensgefahren

Das erlebe ich im Moment als übergriffig. Und sage es demgemäß auch.

Als Service sag ich auch dazu, warum. Wenn das da oben heißt, "auf mich wirkst du nervig" OK. Wenn da steht, "für mich ist deine Art nervig", auch OK.

Aber wenn da steht, "IST nervig", dann fühl ich mich im Moment in eine Schublade geschoben. Und ich bin in meinem Leben in genug Schubladen gesteckt worden, in die ich nicht hineingehört habe - und habs nicht bemerkt. Jetzt bemerk ichs. Und sags: das erlebe ich als massiv übergriffig.

Ahja und als Übung sag ich auch gleich dazu, was ich bisher immer sozial kompatibel sein wollend nicht ausgesprochen habe: daß sowas in mir auch einen gewissen Grant weckt, zur Zeit. Ganz unkompatobel.
Ja, mit nervig meine ich, daß Du am Ball bleibst, Kinnarih. An Dir selber dran. Früher hättest Du, wenn ich *lach* schreibe gemerkt, daß ich dabei lache. Und nicht, daß ich Dich auslache. Aber ich verstehe natürlich die momentane Sensibilität.

Du bist natürlich nicht ganz so nervig wie ich. *lach*
 
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Ich wollte nur mal allgemein noch sagen, daß vor dem Mitgefühl, vor dem Verstehen oder der Vergebung erstmal ich selbst kommen muß. Nicht mehr die anderen, die immer zuerst kamen, sondern ich selbst.
Unbedingt.
Wenn jemand wie Kinny gerade mal seit acht Wochen erkennt, was da an Gewalt in ihrem Leben, körperlich und seelisch passiert ist, ist man noch gaaanz weit davon entfernt , mit den Tätern Mitgefühl haben zu können. Und es wäre ein nochmaliges Zudecken dessen, was geschehen ist, wenn sie sich da um Mitgefühl bemühen würde. *Die Gute* ist sie lange genug gewesen.
Nö, aber die Zeit heilt alle Wunden, sagt man ja. Dafür muß man die eigenen Wunden natürlich auch erst erkennen dürfen.
Ob man überhaupt vergeben muß, das bezweifle ich. Anerkennen, was gewesen ist, den Täter als Menschen zu sehen, der seinem persönlichen Muster gefolgt ist, irgendwann ohne Schuldzuweisung - und sich selbst vergeben, daß man so blind war, das ist möglich. Nach einer Zeit der Selbsterkenntnis und Selbstbesinnung.
Ich denke man muß sich mit seinem Schicksal versöhnen, wenn man das Leid aus ihm überwinden möchte. Daß das eine lebenslange Arbeit ist, in der man das eigene Leid immer wieder und immer tiefer betrachtet, das ist doch klar. Erst mit dem Leben versöhnen, dann mit dem Tod. Ich glaub das ist wichtig. :):)
Mitleid - manchmal ist auch Mitleid wichtig. Und manchmal ist es auch gut, ein Leiden zu beenden, wenn es in der persönlichen Macht liegt. Man sollte Mitleid nicht gar so negativ behaften, ist meine Ansicht dazu.
Um das Leid eines Anderen zu empfinden muß ich sein Leid auch empfinden. Meinst Du das? Es reicht nicht, nur hin zu fühlen und zu verstehen, daß der Andere leidet, sondern man muß das Leiden des Anderen auch erleben? Entscheiden ist wohl vielleicht, daß man nicht versucht, dem Leidenden einen Teil seines Leids abzunehmen, indem man selber erleidet, worunter der Andere leidet. Dann kann man nämlich nicht mehr helfen. Schließlich hat man auch genug eigenes Leid - bloß vergißt der Helfende es gerne, bis es ihm auf den Kopf fällt....

Das stimmt schon, was Du sagst, glaube ich. Das mit dem Mitleiden. Hatte ich so noch nicht betrachtet. Merci.

:blume:

(das ist wieder einer der Momente, in denen ich es liebe, das Internet. Weil ich hier Menschen treffe, die tiefere Einsichten haben als ich selber, u.a. weil sie älter sind..... und so letztlich auch die Gespräche möglich werden, die nicht in jeder Familie möglich sind. Bin froh, daß es bei mir so ist...)

lg,
Trixi Maus
 
Früher hättest Du, wenn ich *lach* schreibe gemerkt, daß ich dabei lache. Und nicht, daß ich Dich auslache.

Hey. Das macht mir jetzt grad etwas bewußt - grade weils danebengeht. Und das ist das Schöne am Internet, wenn sowas passiert.

Nein, Trixi. Früher HATTE ich tatsächlich in ähnlichen Fällen das Gefühl, daß du (oder sonstwer) mich auslacht. Und früher habe ich das nicht bemerken wollen, deshalb blitzschnell herumgedreht, neinnein ich fühl mich gar nicht ausgelacht, nööö überHAUPT nicht ich doch nicht. Hab irgendwas sozial kompatibles dazugesagt - und bin dann anschließend wegen irgendetwas anderem als Übersprungsreaktion total giftig geworden. Anstatt das Primärgefühl einfach auszusprechen. Ich konnte es doch nicht merken wollen, weil "man" das doch nicht so empfinden sollen dürfen kann ;)

Ja, an mir selber dranbleiben, das üb ich jetzt grade.

Um das Leid eines Anderen zu empfinden muß ich sein Leid auch empfinden. Meinst Du das? Es reicht nicht, nur hin zu fühlen und zu verstehen, daß der Andere leidet, sondern man muß das Leiden des Anderen auch erleben?

Empfinde ich ähnlich wie Morgenwind. Ungefähr so. Nur wenn ich anfange, stellvertretend statt dem anderen leiden zu wollen, seine Sache dann zu meiner zu machen und anstatt seiner auch zu reagieren - dann hab ich übers Ziel geschossen. Dann entmündige ich ihn und verstricke mich in seine Sache. War ich Weltmeisterin drin, in dieser Disziplin.
 
Schönen guten Morgen!

Ein bewegender, tiefgehender Thread. Ich weiß nicht genau, ob ich da mitreden kann, einerseits ja, weil ich in der Kindheit auch ziemlich heftiger körperlicher Gewalt ausgesetzt gewesen bin, andererseits nein, weil ich offensichtlich anders aus dieser Spirale ausgestiegen bin. Und mein Weg wahrscheinlich auch nur für mich passend ist.

Um das Leid eines Anderen zu empfinden muß ich sein Leid auch empfinden. Meinst Du das? Es reicht nicht, nur hin zu fühlen und zu verstehen, daß der Andere leidet, sondern man muß das Leiden des Anderen auch erleben? Entscheiden ist wohl vielleicht, daß man nicht versucht, dem Leidenden einen Teil seines Leids abzunehmen, indem man selber erleidet, worunter der Andere leidet. Dann kann man nämlich nicht mehr helfen. Schließlich hat man auch genug eigenes Leid - bloß vergißt der Helfende es gerne, bis es ihm auf den Kopf fällt....

So ähnlich ist es bei mir zumindest bis jetzt immer verlaufen. Ich konnte DANN mit einem Thema abschließen, wenn mir das Leben Gelegenheit geboten hatte - oft schmerzhaft - in die Rolle meiner Eltern zu schlüpfen.

Denn plötzlich hatte ich diese Verhaltensweisen von ihnen nachvollziehen können und bemerkte, dass da drin verdammt viel Liebe gesteckt ist. Auch wenn sie sich "falsch" gezeigt hatte für mich.

Die Chance - und auch eine Art Heilung - sah ich für mich darin, aufgrund dieser Erkenntnis es WIRKLICH anders zu machen als meine Eltern (und damit vielleicht auch "falsch" in den Augen meiner Kinder). Wie oft hab ich erschrocken feststellen müssen, dass ich eigentlich in derselben Schiene laufe und die Gefahr besteht, dass sich alles stereotyp wiederholt.

Kinny, ich denke, das Erkennen, was da passiert ist und was es mit Dir gemacht hat, ist ein total wichtiger Schritt. Und der Schritt, der in die Kraft zurück führen kann, ist die Aktion.

Für mich bedeutete Aktion zuerst das, dass ich Situationen, in denen ich genauso zu reagieren drohte, plötzlich klar gesehen habe. Vorher lief da viel unbewusst, wie programmiert. Das war schmerzhaft, weil ich mir eingestehen musste, dass ich womöglich von meinen Kindern später genauso beschrieben werden würde wie ich das Bild von meinen Eltern in meiner Kindheit hatte.

Nicht genauso - aber ähnlich, in anderen Situationen. Ich bin weit mehr wie meine Eltern, als ich es mir eingestehen wollte. Und trotzdem spüre ich meine eigene Liebe zu den Kindern dabei - ich denke, meinen Eltern ist es genauso ergangen.

Es gab oft Situationen, wo ich im Zimmer stand, vor mir ein wütendes und stampfendes Kind, wo ich meine momentane Hilflosigkeit und Ohnmacht in dieser Situation bemerkte. Und ich hielt mir die Hände krampfhaft am Rücken, weil ich diesen Hand-vorschnell-Impuls spürte, nur um irgendwas zu tun um die Situation zu "lösen".

Ich habe es geschafft, meine drei Kinder gewaltfrei groß zu kriegen. Dieser Impuls verlor sich im Laufe der Zeit, Lösungen gab es durch Gespräche. Aber um das gehts jetzt gar nicht - sondern um dieses Gefühl, das ich dabei spürte in diesen Situationen - DAS war gerade mein Vater, den ich in mir erlebte.

Und solche Situationen waren in dem Moment auch für mich wie eine Erlösung, auch wenn sie verwirrend und schrecklich waren. Weil ich an mir selbst spüren konnte, wie sehr ich dieses schreiende und stampfende Bündel mit rotem Kopf liebe und TROTZDEM dieser Impuls da war, zuzuschlagen - weil mir damals noch keine andere Reaktion bekannt war.

Und das Erkennen und Nachspüren der Gefühle meiner Eltern war für mich der Schritt zur Aktion. Aktion insoferne, dass ich wusste, ich KANN wählen, ich kann es anders machen.

Und dass ich es vielleicht auch nicht wirklich anders gemacht hatte, wurde mir klar, als meine älteste Tochter mal meinte, sie hätte mir etwas Wichtiges nicht gesagt, weil sie Angst vor mir gehabt hätte.

Da brach eine Welt für mich zusammen. Denn ich verstand nichts mehr - war ich ein Monster, vor dem man sich fürchten musste? War ich mein Vater?

Wir setzten uns zusammen und sie meinte, die Angst wäre gewesen, sich wieder stundenlang :rolleyes: mit mir unterhalten zu müssen - es gäbe einfach Dinge, die wolle sie selbst durchziehen, ohne Logik, ohne Analyse, ohne doppeltem Boden.

Für mich war Angst etwas ganz anderes. Aus Angst eine Stunde später als vereinbart heimzukommen, weil ich wie ein Roboter immer wieder um den Häuserblock gegangen bin, weil ich mich nicht heimtraute. Angst vor Schlägen, Angst vor Schmerzen, Angst davor, wieder nicht in die Schule gehen zu können weils das Gesicht erwischt hatte.

Und meine Tochter sprach nun von Angst vor mir, ohne jemals Gewalt in meiner Definition (!) erfahren zu haben. Ich war fassungslos und momentan total zerbrochen in mir.

Machte ich im Prinzip dasselbe mit ihnen, nur auf einer anderen Ebene?

Kinny, ich hab mir im Laufe der Jahre hundertmal den Kopf darüber zerbrochen, ob ich nicht auch viele, viele Fehler gemacht habe. Meine Erziehung war ohne körperliche Gewalt, ja. Aber wie meine Kinder das selbst sehen, wie sie MICH als Mutter sehen, das weiß ich nicht wirklich.

Nun hab ich lange geschrieben, was ich eigentlich damit sagen will ist, dass ich meine Eltern nicht verurteilen kann, weil ich selbst nur versuche, es so halbwegs "richtig" zu machen - Fehler mach ich sicher genauso.

Und ich ahne, dass sie das auch so empfunden haben, aus ihrer Sicht und ihrer Zeit heraus. Sie wurden selbst auch so behandelt, ich denke sogar noch viel schlimmer, wenn ich mir so manche Erzählung von ihnen überlege.

Mein Vater hatte mir einmal gesagt, die Prügel hätten ihm mindestens genauso wehgetan wie mir. Man kann das ironisch sehen, klar. Aber wenn ich in genau das Gefühl gehe, das ich in den beschriebenen Krisensituationen mit meinen eigenen Kindern gespürt hatte, weiss ich, was er meint.

Und die Eltern der vorigen Generationen haben auch versucht, es "besser" zu machen - was man dabei auch nicht vergessen sollte, ist die Zeit.

Denn erstens war vor ein, zwei Generationen noch eine völlig andere Meinung vorherrschend, was Erziehung bedeutete. Da war es wichtig, dass aus dem Kind ein "wertvolles Mitglied der Gesellschaft" wurde, die Maßnahmen dafür waren oft Schläge - das war ein "gutes und brauchbares" Mittel. Zumindest in meinem Verwandten- und Bekanntenkreis. "Liebe" zeigte man vor allem dadurch, dass man die Kinder "gut" erzogen hatte, damit sie eine reelle Chance hatten, ein besseres Leben zu führen, als das eigene war.

Heute tun wir uns zumindest in dieser Hinsicht leichter - der Druck von außen, dass ein Kind genau in einen vorbestimmten Raster zu passen hat, damit man als Eltern nicht versagt hat (und seine Liebe nicht gezeigt hat), ist zumindest etwas weniger geworden. Liebe zu den Kindern darf sich heute anders zeigen, als es früher teilweise streng geregelt war.

Und zweitens glaube ich, dass es mit jeder Generation "leichter" wird. Eine Generation prügelt halbtot, die nächste hat schon die Erfahrung, wie sich das anspürt, sie gibt noch Ohrfeigen, die nächste Generation schlägt gar nicht mehr. Weisst Du, was ich meine?

Die Kraft, in die man kommt, von der ich anfangs gesprochen habe, die beginnt genau da.

Du hast nun die Macht, diesen Kreislauf zu durchbrechen - durch das Erkennen und BENENNEN, was es ausgelöst hat. Hier ist der Knackpunkt - Du KANNST es anders machen.

Und ich denke, es ist bei allem im Leben so: Analysieren und Erkennen ist der erste Schritt - der Schritt, in dem etwas positives draus werden kann, ist die Aktion, die Macht, es zu ändern - für die Zukunft.

Wie schon hier geschrieben wurde - die Vergangenheit lässt sich nicht ändern - aber aktiv die Zukunft. Und das gibt eine unheimliche Kraft, finde ich.

Noch eine Bitte auch @an alle: Mein Beitrag ist nicht allgemein gültig. Was ich geschrieben habe, entspricht nur meinem eigenen Fokus - es ist mir bewusst, dass man meine Erfahrungen nicht mit anderen Erfahrungen vergleichen kann. Und meine persönlichen Konsequenzen und mein Weltbild daraus möchte ich niemandem aufdrücken.

Es ist MEIN Weg, mit dieser Problematik umzugehen, der muss nicht richtig sein für jemanden anderen. Kann sogar sein, dass er nicht mal richtig war für meine Kinder, wer weiß.:rolleyes:

Liebe Grüße
Suena
 
Ich denke man muß sich mit seinem Schicksal versöhnen, wenn man das Leid aus ihm überwinden möchte. Daß das eine lebenslange Arbeit ist, in der man das eigene Leid immer wieder und immer tiefer betrachtet, das ist doch klar. Erst mit dem Leben versöhnen, dann mit dem Tod. Ich glaub das ist wichtig. :):)

Bei mir war es andersrum. Zuerst war ich mit dem Tod versöhnt, den empfand ich leichter als das Leben. Und ja, irgendwann ist man mit dem eigenen Schicksal ausgesöhnt.

Um das Leid eines Anderen zu empfinden muß ich sein Leid auch empfinden. Meinst Du das? Es reicht nicht, nur hin zu fühlen und zu verstehen, daß der Andere leidet, sondern man muß das Leiden des Anderen auch erleben? Entscheiden ist wohl vielleicht, daß man nicht versucht, dem Leidenden einen Teil seines Leids abzunehmen, indem man selber erleidet, worunter der Andere leidet. Dann kann man nämlich nicht mehr helfen. Schließlich hat man auch genug eigenes Leid - bloß vergißt der Helfende es gerne, bis es ihm auf den Kopf fällt....

Das stimmt schon, was Du sagst, glaube ich. Das mit dem Mitleiden. Hatte ich so noch nicht betrachtet. Merci.

Gern geschehen :) Ich nehm jetzt mal ein Beispiel: ich bemerke, daß jemand seinen Katzen kein Futter mehr kaufen kann, und auch den Tierarzt nicht mehr bezahlen kann. Ich weiß, wie sich solches Leid anfühlt. Ich helfe, wenn es mir möglich ist. Die allgemeinen Vorstellungen von Mitleid würden sagen - nee, das hilft nicht. Jeder hat seines zu tragen. Das find ich eben nicht. Warum geht mich das Leid eines anderen nichts an? Sind wir getrennt? Ist der andere was anderes als ich? Ich hätte mich oft gefreut über Hilfe, auch wenn sie aus Mitleid entstanden wäre.
Ich hoffe, ich komme nie soweit, daß ich vorbeigehe am Leid anderer, ohne mitzufühlen und auch ohne deren Leid nachzuempfinden. Wenn ich schon so empathisch geworden bin und das Leid anderer sehr hautnah spüre, dann soll es auch zu etwas gut sein.

Es ist sogar möglich, mit anderen Leid zu tragen, und zwar bewußt. Wenn z.B. die jährliche Robbenschlachtaktion läuft, dann "stelle ich mich zur Verfügung" , das Leid mitzutragen (alles Leid, das der Opfer und das der Täter), und das aus meinem Mitgefühl heraus. Ist jetzt nur ein Beispiel, läßt sich auf vieles anwenden. "Geteiltes Leid ist halbes Leid" - da ist schon etwas Wahres dran.

Und das, Sayalla, ist der Unterschied: nicht Mitleid aus einem unbewußten verdrängtem inneren Anteil, sondern die ganz bewußte Entscheidung, Leid mitzutragen, ohne es jedoch aufzuzwingen. Ich denke, daß wir uns alle soweit einig sind, daß das mitleidige Gejammere, wie schlimm es doch manchen ergeht, niemandem etwas hilft. Jedoch, ich denke sogar, daß jemand, der Mitleid nicht kennt, zu Mitgefühl nicht fähig sein kann.


(das ist wieder einer der Momente, in denen ich es liebe, das Internet. Weil ich hier Menschen treffe, die tiefere Einsichten haben als ich selber, u.a. weil sie älter sind..... und so letztlich auch die Gespräche möglich werden, die nicht in jeder Familie möglich sind. Bin froh, daß es bei mir so ist...)

Jo , ist bei mir auch so. Und es geht mir auch bei jüngeren Menschen so, daß sie mir tiefe Einsichten geschenkt haben, da warst du auch schon dabei!

:zauberer1
 
Hi Suena!

Vielleicht ist ja auch da noch ein Unterschied, wenn jemand "aus Liebe schlägt" oder wenn jemand dazu sagt: "du verkommenes unnützes Ding"?
Ich mag das zwar nicht so recht glauben, denn Schläge sind Schläge.
Und doch hat nicht jeder der Kriegsgeneration, der geschlagen wurde, das weiter getan. Sehr oft ist das eben nicht passiert, das weiß ich aus meinem Freundeskreis aus der Kindheit. Den wenigsten ist es so ergangen wie uns vieren.
Vielleicht hast du keine seelische Grausamkeit erlebt von Seiten deiner Eltern? Bei KInny verstehe ich das so, daß sie sich sofort alles schöngefärbt hat, sie dachte, es wäre Liebe, was ihr da passiert. Ich nicht, ich dachte, es wäre ungerecht, was mir da passiert. Aber jede hat gelitten darunter, und du ja auch unter den Schlägen und der Angst.

Ich glaube nicht, daß ich das jemals wirklich verstehen werde können, wie man seine Kinder so behandeln kann. Was mich nicht dran hindert, zu akzeptieren, daß es so war, zu akzeptieren, daß es denjenigen anscheinend nicht anders möglich war, zu akzeptieren, daß diejenigen Menschen waren mit ihren eigenen Leiden und Nöten. Und dann geht auch das Leid und die Wut in einem selbst weg.

Liebe Grüsse, Alana
 
Liebe Alana!

Vielleicht ist ja auch da noch ein Unterschied, wenn jemand "aus Liebe schlägt" oder wenn jemand dazu sagt: "du verkommenes unnützes Ding"?

Ich muss gestehen, das weiss ich nicht... Ich denke mir, dass so ein Satz in seiner Essenz aussagt: "Ich bin von Dir (bzw. von mir selbst) enttäuscht, hatte Erwartungen, die Du nicht erfüllst."

Enttäuschung und deshalb Ohnmacht, Schlagen als Reaktion, die man nur so kennt. Es geht glaube ich um das Reaktionsmuster. Ohnmachtsgefühle, Enttäuschung lösen den Reflex aus, zuzuschlagen. Es gäbe andere Möglichkeiten, sicher - die Frage ist nur, ob derjenige diese Möglichkeiten als erfolgreich gesehen hätte. Meine Eltern sicher nicht, da war Schlagen einfach das Mittel der Wahl....

Ich mag das zwar nicht so recht glauben, denn Schläge sind Schläge.
Und doch hat nicht jeder der Kriegsgeneration, der geschlagen wurde, das weiter getan. Sehr oft ist das eben nicht passiert, das weiß ich aus meinem Freundeskreis aus der Kindheit. Den wenigsten ist es so ergangen wie uns vieren.

Bei uns war das gang und gäbe - ich weiß noch, wie erstaunt ich war, als ich im Gymnasium eine Schulkollegin näher kennenlernte, die noch nie (!) geschlagen worden war. Das war für mich eigentlich undenkbar, in der Verwandtschaft, in meiner näheren Umgebung, wir hatten alle Bammel vor dem "Watschenbaum", an dem wir manchmal rüttelten.

Aber es stimmt sicher, es gibt/gab 100%-ig Menschen, auch damals schon, die das anders machten in der Erziehung.

Vielleicht wars für mich auch deshalb nicht ganz so schlimm, weils eben überall so war - vielleicht hab ich deshalb auch nicht so das Gefühl entwickeln können, das was an mir falsch ist. Kann gut sein.

Vielleicht hast du keine seelische Grausamkeit erlebt von Seiten deiner Eltern?

Nein, ich glaube, das habe ich nicht. Auch wenn mein Vater ein Choleriker war, meine Mutter sehr zurückhaltend mit Liebesbezeugungen, ich fühlte mich immer geliebt. Es war sogar eher so, dass ich immer dachte, mein Vater fühlte sich abgewiesen von mir.

Meine Mutter erzählt heute noch, dass ich als Kleinkind bereits meinem Vater das tägliche Begrüßungsbussi verweigert hätte. Ich spitzte den Mund, bereit zum Busserl und wenn er näher kam, drehte ich den Kopf weg. Mein Vater ärgerte sich immer und meine Ma gab mir (muss für ziemlich lange Zeit gewesen sein, denn an das kann ich mich bereits erinnern) oft eine Kleinigkeit, später auch ein wenig Geld, wenn ich dem Vater wenigstens diesmal ein Begrüßungsbussi geben würde, weil sie sonst seinen Ärger ausbaden durfte.:rolleyes:

Und ich dachte mir immer, dass er es gerade so dicke auf mich hat, hätte mit diesen Zurückweisungen zu tun.

Ich schrieb, dass meine Erfahrung sicher auch anders ist als die von Dir und die von Kinny. Der Hintergrund dürfte ein anderer sein, da hatte ich das vielleicht wesentlich leichter.

Ich glaube, der Unterschied liegt darin, dass ich zwar auch genausoviel Angst hatte vor den Schlägen, ich aber als Kind schon spürte, dass ich nicht völlig machtlos war. Durch Manipulation, genaues Schauen und Spüren konnte ich den "Gefahren" ausweichen, das ist das, was hier schon beschrieben wurde mit der Empathie. Und ich wusste, wenn ich nachgebe und duckmäusere, Papa ein wenig um den Bart streiche, konnte ich alles haben. Nur wollte ich das eben nicht immer, und später, als ich größer wurde, gar nicht mehr.

Bei KInny verstehe ich das so, daß sie sich sofort alles schöngefärbt hat, sie dachte, es wäre Liebe, was ihr da passiert. Ich nicht, ich dachte, es wäre ungerecht, was mir da passiert. Aber jede hat gelitten darunter, und du ja auch unter den Schlägen und der Angst.

Ja, das war das eine, die Angst vor den Schlägen. Für mich war das Geschlagenwerden allerdings nicht das Fehlen von Liebe, sondern ein Brechen-Wollen meines Willens bzw. meines Widerstandes. Ich stellte mich schon verdächtig oft gegen meinen Vater. Das letzte Mal, als er zugeschlagen hatte, hob ich mein Knie. Eine Stunde später saß ich dann auf der Straße und musste mir eine Wohnung suchen. Da war ich 16. Heute ist das alles irgendwie anders. Wenn ich mir seine Hände heute ansehe, kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, dass diese jemals zugeschlagen haben.

Ich denke auch, dass meine Eltern ziemlich überfordert waren durch die vielen Kinder, der Druck von außen, dass aus Kindern was werden muss, dass sie immer höflich sein müssen und und und....

Ich glaube nicht, daß ich das jemals wirklich verstehen werde können, wie man seine Kinder so behandeln kann. Was mich nicht dran hindert, zu akzeptieren, daß es so war, zu akzeptieren, daß es denjenigen anscheinend nicht anders möglich war, zu akzeptieren, daß diejenigen Menschen waren mit ihren eigenen Leiden und Nöten. Und dann geht auch das Leid und die Wut in einem selbst weg.

Ich glaube, es ist wahrscheinlich gar nicht wichtig, ob man versteht oder nicht oder teilweise oder sonstwas....wichtig ist, dass man zu sich selbst findet, auf seinen Bauch hören kann. Der Bauch sagt einem nämlich eh ganz klar, dass Schlagen nicht ok ist - das ist mein eigenes Fleisch und Blut, ich würde mich selbst schlagen damit. Und genauso fühlt sich das dann wahrscheinlich an.

Und manchmal findet man am besten zu sich, wenn man genügend Abstand zu den Eltern gekriegt hat.

Das, was Du über das Mitleid geschrieben hast, sehe ich auch so ähnlich. Alles, was übertrieben ist, kann vom Positiven ins Negative gehen. Es macht einfach einen Unterschied, ob man hilft, wenns jemanden schlecht geht oder ob man jemandem die komplette Verantwortung abnehmen möchte und Mama spielt für denjenigen.

Diese Differenzierung in Mitgefühl und Mitleid hab ich auch nie ganz kapiert.:rolleyes:

Liebe Grüße
Suena
 
Meine Lieben.

Kinny kommt mit der nächsten Ladung.

Zunächst einmal, danke für alle Gedanken und Erzählungen und Anregungen, die hier wieder zu finden sind.

Und jetzt. In den letzten beiden Tagen haben einige Worte vor allem von Melodie etwas in mir klargemacht und offenbar auch etwas befreit. Als ich endlich sehen konnte, was für Mechanismen da am Werk sind.

Und gestern ist dann in mir endlich Platz geworden für die Wut auf den "Freund", dem gegenüber ich bis jetzt nur Traurigkeit empfinden konnte. Endlich - und jetzt hab ich es live und bewußt erlebt, weil ja hier im Austausch mit euch und in dauernder Reflektion durch die Hausaufgabe meiner Therapeutin, zu benennen, was ich empfinde. Jetzt weiß ich aus nächster Nähe, in welchem Ausmaß diese Art von Wut befreiend wirken kann. Das sprengt Mauern in die Luft.

Von dieser Art von Wut ist übrigens auch die Rede, wenn der tibetische Buddhismus von "zornvollen" Gottheiten spricht. Genau diese Art von befreiender Energie. - Die Wirkung: es ist kein Platz mehr für diese falschen, in mich hineinmanipulierten Restschuld-Gefühle. Die sind hochgegangen wie Raketen - und irgendwo draußen im Raum verglüht. *zisch* :)

Aber damit war es nicht zu Ende. - Das hat über Nacht nachgewirkt. Wie ein Erdbeben mit Nachrüttlern. - Und heute früh ist genau diese Wut, die ich so lang im Keller eingesperrt hatte, wutschnaubend vor mir gestanden. Tja was sollte ich machen, da war sie nun einmal, also hab ich sie auf die Terrasse gebeten und sie auf einen Kaffee und einen Zigarillo eingeladen. Komm, sagte ich, laß uns gemeinsam vor Wut rauchen :D. Und erzähl mir, was du zu sagen hast.

Ich konnte mir erst einmal was anhören über das finstere Kellerloch. Und dann standen zwei Situationen aus meiner Kindheit vor mir. Wo mein Vater mich wegen NICHTS und dann nocheinmal NICHTS verprügelt hatte. (In beiden Fällen Handlanger meiner Mutter, die ihn zu Hilfe gerufen hatte, weil ich so "frech" und "schlimm" gewesen war. MHM. Die Schlimmheit in dem einen Fall bestand darin, daß mir ein Glasl Saft ausgerutscht und zu Bruch gegangen war.)

Und ich war noch STOLZ auf meinen tollen Vater gewesen. Jahrelang. Wie toll er war, ich hätte sowas (ja WAS denn eigentlich ich hatte ja NICHTS verbrochen) nie wieder gemacht. Richtig. Ich hab nichts nie wieder gemacht, und bis jetzt noch - bis in die "Freundschaft" mit dem tollen "Therapeuten", der seine eigenen unbewältigten Konflikte in sich selber perfekt auf andere (und zwar mit Vorliebe auf mit beruflich geschultem Blick ausgesuchte Andere, von denen klar ist, daß sie sich möglichst lang nicht wehren werden) projiziert, weil er den Blick in sich selbst hinein nicht aushält (ja gell da müßte man ja den Mut haben, den man von anderen immer so locker einfordert) - immer schon von vornherein alles zu vermeiden versucht, was mir eine Tracht Prügel einbringen hätte können. Ich war perfekt darauf geschult, in allem und jedem, was ich NICHT getan hatte, schon von vornherein eine Untat meinerseits zu vermuten.

Herrschaften, hab ich jetzt eine Viechswut auf meinen Vater gekriegt. Endlich. Endlich eine, die sich nicht wieder gegen mich selbst gerichtet hat.

Tut DAS gut. Und nein, in mir ist im Moment nicht das BISSCHEN Bedürfnis nach irgendeiner verlogenen Versöhnung. Mit was, mit wem, WOZU??? Die kommt irgendwann viel später vielleicht von selber oder eben auch nicht.

Wichtig ist, endlich zu tun, was befreit.

Ahja übrigens, Frau Wut hat den Zigarillo mit Genuß geraucht - und ist dann eine Runde spazieren gegangen. :D


Ja. Wollt ich nur mal gesagt haben. Und übrigens, Melodie, ich bin im Moment ganz und gar nicht sozial kompatibel - *grins* gestern hab ich einem übergriffigen Typen zum ersten Mal in meinem Leben auf eine Art und Weise Grenzen aufgezeigt, daß schlagartig Ruh war.
 
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Hallo Kinny
Es geht also immer noch schlimmer. Dein Vater schlug zu, das tat meiner nicht... dachte ich im allerersten Moment... und ziemlich sofort hinterher: "Halt Stop, biste denn verrückt dich schon wieder zu verleugnen?"
Ohweia, ist das tiefliegend.
Mein Vater hat mich ja "nur" auf mein Zimmer geschickt mit der Bemerkung, ich solle darüber nachdenken und erst wieder kommen, wenn ich mich entschuldigen will.
Da sass ich nun, allein und grübelte, weshalb ich mich entschuldigen sollte. Das Problem war, mir fiel überhaupt nichts ein. Naja, dass ich es dennoch irgendwann tat, ist logisch (für mich), einfach eben, um nicht länger eingesperrt zu sein. Wie sehr ich mich selbst damit einsperrte, war mir als Kind doch nicht klar.
Meine Mutter brüstete sich noch mit ihren Erziehungsmethoden. Sie hatte dafür Worte wie "dieses Kind braucht man überhaupt nicht schlagen, die *hört* auch so... fängt ja sofort an zu heulen (Lachen ihrerseits)". Das klang in meinen Ohren wie ein Lob... immerhin bekam ich auf diese Weise ein Lob von ihr... also war meine Welt damals erstmal wieder in Ordnung.
So, Pause. Vielleicht schreibe ich später mal weiter... falls es jemand lesen mag.

Sayalla :)
 
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