Eltern - und andere Lebensgefahren

K

Kinnaree

Guest
Einen schönen guten Nachmittag euch allen, die sich von diesem Titel angesprochen fühlen.

Zunächst einmal: ich schmücke mich ungern mit fremden Federn, also sag ich gleich dazu, daß Melodie mich zu diesem Titel für mein Thema inspiriert hat. :)

Wo fange ich an. Von vorne geht in dem Fall nicht so gut, weil ich ja mitten drin steh in diesem Thema.

Wie schon andernorts in diesem Forum erwähnt, habe ich mich seit Ostern aus zwei zwischenmenschlichen Gewaltbeziehungen befreit.

Die eine war eine Lebenspartnerschaft - in der der Schwerpunkt der Gewalt auf körperlicher Ebene lag, aber durchaus auch psychische Gewalt und emotionale Erpressung Platz hatten - mit einer gehörigen Portion Abhängigkeit meinerseits. Ich wurde geschlagen, gewürgt, getreten, mit dem Erschießen bedroht, beschimpft und auch mein Kind wurde geschlagen.

Die andere war eine intensive Freundschaft, in der sich die Gewalt ausschließlich auf seelischer und emotionaler Ebene abspielte, und das massiv, mit enormem Abhängigkeits- und Sucht-Verhalten meinerseits. Ich wurde übergriffig für das Befinden des anderen verantwortlich gemacht, meine Wahrnehmungen angezweifelt und verdreht, ich wurde ausgelacht, bloßgestellt vor anderen, mit Ignorieren und Kontaktabbruch bestraft für Dinge, die ich nie getan hatte - und es wurde (auf Grund beruflich psychologischer einschlägiger Erfahrung besonders wirksam) massiv mit meinen Verlustängsten gespielt.

Erstaunlicherweise, so habe ich erstmal erkannt, hab ich offenbar jemanden gebraucht, von dem ich NOCH abhängiger war als von meinem Lebenspartner, um aus der mißbräuchlichen Gewaltbeziehung zu ihm freizukommen. Danach, und als ich begann, meine eigenen Verhaltensmuster unter die Lupe zu nehmen, mußte ich mit Bestürzung feststellen, daß ich tatsächlich vollkommen blind gewesen war, was die psychische Gewalt betraf, die mir in der freundschaftlichen Beziehung angetan worden war.

Immer und immer dieselben Strickmuster, dieselben verletzenden Verhaltensweisen, die mir begegneten. Und immer und immer wieder mein von tiefer Angst vor dem Verlust geprägtes Verhaltensmuster - lieber alles erdulden und leiden als einen Menschen, für den ich Liebe oder tiefe Freundschaft empfinde, zu verlieren... und die Wurzeln dieser tiefsitzenden Angst bei der Mutter zu finden - und auch beim Vater. Wie massiv und wie vernichtend da destruktive "Erziehungsprinzipien" am Werk waren, wird mir jetzt grad mal als Spitze des Eisberges sichtbar.

Das war einmal der Anfang. Und weil einen Beitrag, der wesentlich länger ist als dieser hier, ja niemand mehr wirklich liest ;), werde ich hier im Laufe der Zeit mehr darüber erzählen, wie eine Mutter ihr Kind fürs Leben prägen kann - darauf, immer wieder Menschen darum anzubetteln, bitte schau doch, wieviel ich für dich empfinde - bei denen das garnichts bringt außer Schmerz und Verzweiflung.

Wer von euch sich dunkel dran erinnert, mehr als eine Beziehung mit Gewaltmißbrauch (egal ob seelisch oder körperlich oder beides) erlebt zu haben, ist herzlich eingeladen zum Erfahrungsaustausch. Und wem - wie mir - aufgefallen sein sollte, daß es gelegentlich (zertifizierte) Therapeuten gibt, die ihre Kenntnisse der menschlichen Seelenlandschaft dazu verwenden, Menschen mit entsprechenden Verletzungen für sich zu gewinnen und von sich abhängig zu machen (aus welchen Gründen auch immer) - ist auch herzlich willkommen.

Ja. Das wars mal fürs erste.

Liebe Grüße
Kinny
 
Werbung:
Hi Kinny,

als erstes Gratulation Du bist schon schon sehr weit gekommen, ist zumindest mein Empfinden.

Direkte körperliche Gewalt hab ich nicht erfahren, aber ich "leide" unter einer ziemlich dominanten Mutter, die ihr Gluckenverhalten nicht in den Griff bekommt und mir selber muss ich Schwäche ankreiden, weil ich bislang es noch nicht geschafft habe mich aus ihrem Klammergriff wirksam zu befreien.

Es sind so diese typischen Spielchen - Kind ich mach doch alles für dich, es soll dir und den Kindern gut gehen. Mama macht und tut und erwartet halt das man täglich anruft, sich 1-2mal in der Woche blicken lässt und einen Rechenschaftsbericht über das tägliche Leben abgibt. Macht man das nicht bzw. sie erwischt einen bei "zurechtgezimmerten Wahrheiten" (sie muss ja nun wirklich nicht alles wissen) dann kann sie leiden ohne Ende.

Das sogut das mich das schlechte Gewissen packt und einknicke und nachgebe. Bei Streiteren werd ich irgendwann ruhig und sie trompetet lauthals weiter...

Scherzhaft betrachtet rechtfertige ich das ganz gerne mit - sie Schütze, ich armer Fisch.
 
Hallo Belle,

überbehütende Glucke - ja das ist eine besonders hübsche Form von Übergriffigkeit. Wo sich so wunderbar Schuldgefühle beim anderen ausbrüten lassen...

Es ist mir in meiner Kindheit nicht einmal passiert, sondern es war ein Prinzip meiner Mutter, mich so zu behandeln: ich hatte irgendetwas getan, was in ihren Augen unverzeihlich gewesen war. Ich wurde mit tagelangem eisigen Schweigen und Isolation bestraft. Solange, bis ich weinend vor ihr am Boden gekniet bin, "Mutti Mutti bitte sag mir doch wenigstens, warum du so bös bist auf mich" hab ich gebettelt. Ich wagte nicht einmal mehr darum zu bitten, sie möge nicht mehr bös sein. Ich war schon so vernichtet, daß es bereits eine Erlösung gewesen wäre, zu wissen, warum ich denn so grausam bestraft wurde.

Ich bekam die höhnischen Worte zu hören "ah, das weißt du nicht einmal? Na das wird ja immer besser! na dann denk halt noch ein bissl nach, es wird dir schon einfallen" - und dann war ich wieder allein im Schlafzimmer... einen weiteren Tag lang...

Nun ja. Meine Lebenspartner (nicht nur der letzte, ich hatte diesbezüglich wirklich einen sicheren Griff in den Gatsch ;) ) haben mich mit Vorliebe niedergemacht, ohne mir zu sagen, was eigentlich der Grund ihres Zorns war - und bei Nachfrage geschnaubt, "das solltest du eigentlich wissen".

Und der psychologisch gut geschulte Freund hatte das Lieblingsspiel, mir zu sagen, ich hätte ihn so furchtbar verletzt, daß er nun einige Zeit seine Ruhe von mir brauche - und ich solle inzwischen in mir nachforschen, was ich getan haben könnte, daß es ihm nun so schlecht ginge.

Eine gesunde Frau mit gesunden Strukturen sagt auf sowas an sich: weißt was Alda überleg dir was du eigentlich wollen sollst und rutsch mir den Buckel runter - nicht so Kinny. Kinny hat verzweifelt angefangen, in sich nach einer Schuld zu suchen, deren Wesen sie nicht einmal erahnen konnte. Und war tatsächlich selig, wenn sie wenigstens herausgefunden hatte, warum der jeweilig Anbeleidigte so furchtbar anbeleidigt war... und ich hab es tatsächlich als Wohltat empfunden und erlebt, daß ich mich dann für das Gefundene ausgiebig entschuldigen mußte, bis ich wieder Gnade fand...

Wenn ich mir das jetzt anschau, komm ich aus dem Kopfschütteln nicht heraus - und langsam entsteht sogar der Wunsch (wenn auch noch kopfgesteuert und noch nicht gefühlsmäßig), die kleine Kinny von damals in den Arm zu nehmen und zu trösten. Aber das ist noch so seltsam vernunftbetont, empfinden kann ich da noch nichts.
 
oja, liebe kinnarih,

ich kann auch ein lied davon singen.
solange wir es nicht geschafft haben uns emotional völlig von einer mutter zu lösen, die es nicht besser verstanden hat als die natürliche liebe ihres kindes zu missbrauchen, werden wir im 'erwachsenenleben' immer wieder vor die aufgabe gestellt falsche liebe durchschauen lernen zu müssen.
wenn wir bereit sind zu lernen - so wie du - dann lernen wir eben uns zu distanzieren, auch wenn es verlust bedeuted und einsamkeit.

so ganz bin ich auch noch nicht durch.
auch das ausnutzen durch therapeuten kenne ich - will das öffentlich aber nicht breit treten.

in jedem fall kinnarih, denke ich, dass durch so viel leid eine sehr hohe sensibiltät für wahre liebe entsteht -
sowohl innerhalb von uns selbst, als auch für das erkennen falsch verstandener liebe anderer.
wir lernen uns besser zu schützen, unsere grenzen eindeutiger zu definieren - das ist schon mal positiv.
und das positivste an einem solchen weg erkenne ich darin, dass es im menschwerdungsprozess darum geht zur wahren liebe zu finden und wenn es immer mehr menschen sind, die vor eine solche aufgabe gestellt sind und sich auf den weg machen sie zu bewältigen, wird irgend wann einmal die welt eine bessere werden. :)
 
oja, liebe kinnarih,

ich kann auch ein lied davon singen.
solange wir es nicht geschafft haben uns emotional völlig von einer mutter zu lösen, die es nicht besser verstanden hat als die natürliche liebe ihres kindes zu missbrauchen, werden wir im 'erwachsenenleben' immer wieder vor die aufgabe gestellt falsche liebe durchschauen lernen zu müssen.
wenn wir bereit sind zu lernen - so wie du - dann lernen wir eben uns zu distanzieren, auch wenn es verlust bedeuted und einsamkeit.

so ganz bin ich auch noch nicht durch.
auch das ausnutzen durch therapeuten kenne ich - will das öffentlich aber nicht breit treten.

in jedem fall kinnarih, denke ich, dass durch so viel leid eine sehr hohe sensibiltät für wahre liebe entsteht -
sowohl innerhalb von uns selbst, als auch für das erkennen falsch verstandener liebe anderer.
wir lernen uns besser zu schützen, unsere grenzen eindeutiger zu definieren - das ist schon mal positiv.
und das positivste an einem solchen weg erkenne ich darin, dass es im menschwerdungsprozess darum geht zur wahren liebe zu finden und wenn es immer mehr menschen sind, die vor eine solche aufgabe gestellt sind und sich auf den weg machen sie zu bewältigen, wird irgend wann einmal die welt eine bessere werden. :)

Da muss ich dir aber gewaltig widersprechen Magdalena, weil durch solche Erfahrungen bekommt man mit Sicherheit keine Sensibilität für Liebe.

Du willst doch jetzt nicht damit sagen, dass je mehr Kinder misshandelt werden - und das was Kinny wiederfahren ist, das ist für mich eine Form von Misshandlung - und je mehr man zu bewälgiten hat, desto besser wird die Welt einmal werden. Das ist - sorry - aber schon Schrott vom Feinsten.


:confused:
Mandy
 
Ähm... bevor ich jetzt mal mit meinem "Kleinen" ins Kino geh, wollt ich schnell noch was sagen.

Das ist ein emotionsgeladenes Thema, in allen Richtungen. Daß es hier kontrovers zugehen wird, ist mir bewußt, und das ist auch gut so. Seids bitte nur so gut und schlagt euch inzwischen verbal nicht vollkommen die Köppe ein, ja? :) Damit ich nicht über einen Haufen virtueller Leichen steigen muß, wenn ich wiederkomm.

Ich möchte übrigens deine Darstellung auch nicht unkommentiert übernehmen, Magdalena, laß das aber einmal einwirken, bevor ich da dazu was formuliere.

Schöne Zeit derweil - bis später ;)
Kinny
 
Ähm... bevor ich jetzt mal mit meinem "Kleinen" ins Kino geh, wollt ich schnell noch was sagen.

Das ist ein emotionsgeladenes Thema, in allen Richtungen. Daß es hier kontrovers zugehen wird, ist mir bewußt, und das ist auch gut so. Seids bitte nur so gut und schlagt euch inzwischen verbal nicht vollkommen die Köppe ein, ja? :) Damit ich nicht über einen Haufen virtueller Leichen steigen muß, wenn ich wiederkomm.

Ich möchte übrigens deine Darstellung auch nicht unkommentiert übernehmen, Magdalena, laß das aber einmal einwirken, bevor ich da dazu was formuliere.

Schöne Zeit derweil - bis später ;)
Kinny


Viel Spass im Kino. Was gibt es denn? Wicky und die starken Männer ???


:)
Mandy
 
Da muss ich dir aber gewaltig widersprechen Magdalena, weil durch solche Erfahrungen bekommt man mit Sicherheit keine Sensibilität für Liebe.

Du willst doch jetzt nicht damit sagen, dass je mehr Kinder misshandelt werden - und das was Kinny wiederfahren ist, das ist für mich eine Form von Misshandlung - und je mehr man zu bewälgiten hat, desto besser wird die Welt einmal werden. Das ist - sorry - aber schon Schrott vom Feinsten.


:confused:
Mandy
mütter, die so wie kinnys mutter mit ihren kindern umgehen haben es auch nicht besser erfahren. mütter wie kinny setzen sich mit fehlverhaltensformen auseinander, verändern sich dadurch selbst und können ihren kindern dadurch bessere mütter werden.
dadurch verändert sich die welt.

schrott vom feinsten ist natürlich ein echtes gegenargument und alternativlösung vom allerfeinsten. :ironie: :D
 
Werbung:
magdalena schrieb:
mütter, die so wie kinnys mutter mit ihren kindern umgehen haben es auch nicht besser erfahren. mütter wie kinny setzen sich mit fehlverhaltensformen auseinander, verändern sich dadurch selbst und können ihren kindern dadurch bessere mütter werden.
dadurch verändert sich die welt.


Hmmm, ich muß da gerade an meine Mutti denken: Tolerant, entspannt, zu weich, ging jedem Streit aus dem Weg....

Ihre Eltern (meine Großeltern) dagegen waren sehr kämpferisch, beide. Die Ehe ein ewiges Gezanke und Kräftemessen, aber immer nur auf intellektueller Ebene. Körperliche Gewalt war nie im Spiel.
Meine Mutter haßte diese Wortkappeleien ihrer Eltern und hielt sich stets abseits, ließ sich auch nie hineinziehen, ergriff keine Partei....

Sie hatte weder etwas von ihrem Vater, noch von ihrer Mutter übernommen, was manchmal aber ganz gut gewesen wäre, meiner Ansicht nach....Es fiel ihr schwer, Grenzen zu ziehen und sie ließ sich von anderen leicht ausnutzen. Und so dachte ich immer, dass ich sie beschützen müßte vor der "bösen,bösen Welt".....Und so kam es, dass sie letztendlich mein Kind wurde und ich ihre Mutter...:rolleyes:

Na ja, was soll´s.....Ich hatte sie lieb und sie mich. Diese Liebe zwischen mir und meiner Mutsch prägt einen auch für immer.....Ich verdanke dieser guten Beziehung meinen Selbstwert, der eigentlich durch nichts zu erschüttern ist. Geliebten Kindern kann nichts wirklich im Leben erschüttern. Übrigens auch durch die Zuwendung durch meinen Vater, den ich hier nicht vergessen will.....:)


LG
U.
 
Zurück
Oben