GreenTara
Sehr aktives Mitglied
Liebe Eva 
Das möchte ich - aus meiner persönlichen Erfahrung heraus - unterstreichen. Süchtig und auf der Suche nach möglichst "einfacher" Heilung wandte ich mich dem Buddhismus zu, nahm Zuflucht und suchte mir einen Lehrer aus. Den fragte ich, was ich praktizieren soll. Er gab mir zur Antwort: "Liebe und Mitgefühl - das ist gut für dich." Und dazu bekam ich eine ausführliche Meditationsanleitung.
Zwei Jahre später war ich der Ansicht, ich sei jetzt prima mitfühlend. Immerhin hatte ich mich richtig ins Zeug gelegt, um jedem zu helfen, immer geduldig und lieb. Es ging mir zwar nicht besser, aber eine neue Meditation würde das sicher richten. Also ging ich wieder zu Rinpoche und fragte, was ich am besten meditieren soll. Die Antwort war: "Auf Liebe und Mitgefühl - das ist gut für dich."
Aha. Na gut. Also legte ich mich noch mehr ins Zeug (und rutschte noch tiefer in sämtliche süchtigen Verhaltensweisen). Wieder gingen zwei Jahre ins Land. Und wieder fragte ich Rinpoche, was ich meditieren soll (ich hatte mir in den Kopf gesetzt, auf Tara zu meditieren und wollte natürlich hören, dass ich genau das machen soll). Die Antwort war... Natürlich: Liebe und Mitgefühl.
Dieses Mal war ich wirklich angeeiert und habe darüber mit meiner Schwester gesprochen und wollte irgendwie ein wenig Trost und Zustimmung. Und was macht die? Die pfiff mich an, das mir Hören und Sehen verging. Sie legte mir dar, wie ruppig und hart ich mit mir selbst umgehe. Danach war ich erst recht angeeiert und habe erst einmal einen Bogen um meine Schwester gemacht.
Weitere zwei Jahre später ging ich wieder zu Rinpoche. Ich war gerade aus einer Woche Dauerbetrunkensein aufgetaucht und fühlte mich nicht wirklich gut. Mir war klar, dass ich sehr tief gefallen war und daher bat ich um seinen Segen, damit ich nie wieder so tief falle. Diesen Segen bekam ich.
Knapp eineinhalb Jahre danach wurde mir deutlich, dass ich mich umbringe. Ich ging in eine Klinik, danach in eine mehrmonatige Entwöhnung. Darauf folgten zwei Jahre in ambulanter Begleitung. Nach und nach begriff ich, wie ich mit mir umgegangen war. Das war schmerzlich und befreiend. Und noch befreiender war, mich selbst auszuhalten, mich anderen zuzumuten und mich dafür nicht zu verurteilen, zu schimpfen, zu überfahren. Die konsequente Hinwendung zu mir hat mich gesunden lassen.
Das hast du wunderbar ausgedrückt! Es ist so leicht, beides zu verwechseln. Mir passiert das gelegentlich schon noch bzw. ab und an halte ich mich für eine Art Ungeheuer, weil ich eben nicht mitleidend trösten will.
Ganz bewusst wurde mir das vor wenigen Wochen. Meine Mutter hat einen Teil ihrer Lebensgeschichte aufgeschrieben und an ihre vier Kinder geschickt. Dass ihr Stiefvater sie sexuell belästigt hat, weiß ich seit einigen Jahren. Wie sie es über Jahre erlebt hat, das weiß ich seit diesem Brief. Vieles, was ich mir während der Therapie schon deutlich gemacht hatte, wurde jetzt noch deutlicher, verständlicher für mich. Und trotzdem war für mich ganz klar: Es ist die Geschichte, das Erleben meiner Mutter - nicht meines. Ich wünsche ihr sehr, dass sie eine für sich gute Lösung findet. Aber ich bin nicht bereit, ihre Last auf mich zu nehmen. Das hat mich erschreckt, denn es war so unemotional, klar, deutlich und ich habe mich auch nicht wirklich betroffen gefühlt.
Das hat mich sehr beschäftigt. Denn obwohl es vermutlich lebensrettend für mich war, nicht "sozialverträglich" zu sein und ich mich meist auch sehr in Ordnung damit fühle, wenn ich es in entsprechenden Kontexten nicht bin, beschlich mich der Eindruck, nicht in Ordnung zu sein. Nicht so wie früher, nicht so ausschließlich und vernichtend, aber untergründig war da immer so ein "Ob das seine Richtigkeit hat? Schottest du dich nicht zu sehr ab, entfernst dich von deinen Mitmenschen? Ist es das, was im Buddhismus als Umwandlung der Emotionen/Störgefühle angestrebt wird oder täusche ich mich?"
Die letzte Frage stellte ich Rinpoche. Er sagte, es sei völlig in Ordnung, sich emotional nicht zu verstricken. Er sagte noch einiges mehr. Aber er sagte nicht mehr, ich solle auf Liebe und Mitgefühl meditieren.
Den Moment, in dem ich die Symbiose aufgeben konnte, werde ich so schnell nicht vergessen. Zuvor hatte ich mit meiner Therapeutin am Thema Abgrenzung, Nähe und Distanz gearbeitet. Als mir deutlich wurde, welch einen hohen Wert Nähe in meinem Familiensystem hatte und wie wichtig für mich persönlich Distanz und Abgrenzung sind, dass sich Nähe und Distanz bedingen und Distanz/Abgrenzung nichts Schlechtes sind, da habe ich mich "reinkarniert".
Danke für deine Worte
Rita
Nicht nur durch Mitgefühl? Nur durch Mitgefühl und ausschließlich mit sich selbst. DAS macht menschlich, das führt ohne weitere Anstrengung, quasi als Nebenwirkung zu Mitgefühl mit anderen.
Das möchte ich - aus meiner persönlichen Erfahrung heraus - unterstreichen. Süchtig und auf der Suche nach möglichst "einfacher" Heilung wandte ich mich dem Buddhismus zu, nahm Zuflucht und suchte mir einen Lehrer aus. Den fragte ich, was ich praktizieren soll. Er gab mir zur Antwort: "Liebe und Mitgefühl - das ist gut für dich." Und dazu bekam ich eine ausführliche Meditationsanleitung.
Zwei Jahre später war ich der Ansicht, ich sei jetzt prima mitfühlend. Immerhin hatte ich mich richtig ins Zeug gelegt, um jedem zu helfen, immer geduldig und lieb. Es ging mir zwar nicht besser, aber eine neue Meditation würde das sicher richten. Also ging ich wieder zu Rinpoche und fragte, was ich am besten meditieren soll. Die Antwort war: "Auf Liebe und Mitgefühl - das ist gut für dich."
Aha. Na gut. Also legte ich mich noch mehr ins Zeug (und rutschte noch tiefer in sämtliche süchtigen Verhaltensweisen). Wieder gingen zwei Jahre ins Land. Und wieder fragte ich Rinpoche, was ich meditieren soll (ich hatte mir in den Kopf gesetzt, auf Tara zu meditieren und wollte natürlich hören, dass ich genau das machen soll). Die Antwort war... Natürlich: Liebe und Mitgefühl.
Dieses Mal war ich wirklich angeeiert und habe darüber mit meiner Schwester gesprochen und wollte irgendwie ein wenig Trost und Zustimmung. Und was macht die? Die pfiff mich an, das mir Hören und Sehen verging. Sie legte mir dar, wie ruppig und hart ich mit mir selbst umgehe. Danach war ich erst recht angeeiert und habe erst einmal einen Bogen um meine Schwester gemacht.
Weitere zwei Jahre später ging ich wieder zu Rinpoche. Ich war gerade aus einer Woche Dauerbetrunkensein aufgetaucht und fühlte mich nicht wirklich gut. Mir war klar, dass ich sehr tief gefallen war und daher bat ich um seinen Segen, damit ich nie wieder so tief falle. Diesen Segen bekam ich.
Knapp eineinhalb Jahre danach wurde mir deutlich, dass ich mich umbringe. Ich ging in eine Klinik, danach in eine mehrmonatige Entwöhnung. Darauf folgten zwei Jahre in ambulanter Begleitung. Nach und nach begriff ich, wie ich mit mir umgegangen war. Das war schmerzlich und befreiend. Und noch befreiender war, mich selbst auszuhalten, mich anderen zuzumuten und mich dafür nicht zu verurteilen, zu schimpfen, zu überfahren. Die konsequente Hinwendung zu mir hat mich gesunden lassen.
Was anderes ist Mitleid und das darf bitte nicht mit Mitgefühl verwechselt werden. Mitgefühl hält aus, bleibt da und steht mit durch. Mitleid will trösten, das Leid vorschnell beenden,
Das hast du wunderbar ausgedrückt! Es ist so leicht, beides zu verwechseln. Mir passiert das gelegentlich schon noch bzw. ab und an halte ich mich für eine Art Ungeheuer, weil ich eben nicht mitleidend trösten will.
Ganz bewusst wurde mir das vor wenigen Wochen. Meine Mutter hat einen Teil ihrer Lebensgeschichte aufgeschrieben und an ihre vier Kinder geschickt. Dass ihr Stiefvater sie sexuell belästigt hat, weiß ich seit einigen Jahren. Wie sie es über Jahre erlebt hat, das weiß ich seit diesem Brief. Vieles, was ich mir während der Therapie schon deutlich gemacht hatte, wurde jetzt noch deutlicher, verständlicher für mich. Und trotzdem war für mich ganz klar: Es ist die Geschichte, das Erleben meiner Mutter - nicht meines. Ich wünsche ihr sehr, dass sie eine für sich gute Lösung findet. Aber ich bin nicht bereit, ihre Last auf mich zu nehmen. Das hat mich erschreckt, denn es war so unemotional, klar, deutlich und ich habe mich auch nicht wirklich betroffen gefühlt.
Das hat mich sehr beschäftigt. Denn obwohl es vermutlich lebensrettend für mich war, nicht "sozialverträglich" zu sein und ich mich meist auch sehr in Ordnung damit fühle, wenn ich es in entsprechenden Kontexten nicht bin, beschlich mich der Eindruck, nicht in Ordnung zu sein. Nicht so wie früher, nicht so ausschließlich und vernichtend, aber untergründig war da immer so ein "Ob das seine Richtigkeit hat? Schottest du dich nicht zu sehr ab, entfernst dich von deinen Mitmenschen? Ist es das, was im Buddhismus als Umwandlung der Emotionen/Störgefühle angestrebt wird oder täusche ich mich?"
Die letzte Frage stellte ich Rinpoche. Er sagte, es sei völlig in Ordnung, sich emotional nicht zu verstricken. Er sagte noch einiges mehr. Aber er sagte nicht mehr, ich solle auf Liebe und Mitgefühl meditieren.
Man möge sich bitte deutlich von seinen Eltern abgrenzen und, insbesondere wo schon seit Generationen Traumen wirken, auch auf symbiotische Verschmelzungen achten.
Danke für deine Worte
Rita