taz: Herr Eschenhagen, im Kampf gegen Ebola hat die akademische Forschung sich nicht mit Ruhm bekleckert. Es ist die ureigenste Aufgabe öffentlicher Gesundheitssysteme, Medikamente und Impfstoffe zu entwickeln für Krankheiten, für die sich die Industrie aus ökonomischen Gründen nicht interessiert. Warum ist das über Jahre nicht geschehen - weder bei Ebola noch bei anderen Erregern?
Thomas Eschenhagen: Zu Ebola hat es durchaus Forschung gegeben, auch an deutschen Universitäten. Sie ist nur nicht dahingehend abgeschlossen worden, dass man am Ende einen einsatzfähigen Impfstoff gehabt hätte.
taz: Woran liegt das?
Akademische Forschung ist zunächst einmal ungerichtet. Ihr Antrieb ist das Interesse zu verstehen, wie die Biologie funktioniert. Und dann wollen wir verstehen, wie es zu Störungen der normalen Funktionen kommt. Das ist zunächst einmal wertfrei: zu verstehen, wie etwas geht. Und das ist ein hoher Wert, wissenschaftliche Neugier ist die Basis aller Entdeckungen. Irgendwann verbindet sich damit die Hoffnung, dass, wenn man besser versteht, auch besser behandeln kann. Indem man etwa besondere Enzyme oder Proteine identifiziert, die beispielsweise nur ein Virus kodiert. Da könnte ein Mikrobiologe dann auf die Idee kommen, daraus ein Medikament zu machen.
taz: Aber, lassen Sie mich raten, dafür fehlt ihm das Geld?
Wenn es mal bloß so platt wäre. Erfolgreiche Arzneimittelentwicklung braucht riesige Apparate, um in die Praxis zu gelangen. Wir wissen inzwischen: Der Erfolg eines Medikaments hängt keineswegs ausschließlich damit zusammen, wie gut das Medikament ist, sondern auch, wie gut der Apparat ist, der diese Medikamente entwickelt. Die wenigsten Universitäten verfügen etwa über aufwendige Screening-Programme, um die Wirkung von Substanzen auf ein komplexes System untersuchen zu können.
taz: Diesen Part der Forschung könnte doch die Industrie übernehmen?
Theoretisch ja. Praktisch sind die Gräben tief. Es mangelt an Kommunikation - zwischen Universitäten und Industrie, aber auch zwischen Universitäten und regulatorischen Behörden. Viele akademische Forscher halten es moralisch für anrüchig, mit der Industrie zu kooperieren, aber das ist Unsinn: Denn auch die akademische Forschung hat eine Verpflichtung, das Steuergeld, über das sie verfügt, zum Nutzen der Menschheit einzusetzen. Wir schweben nicht im luftleeren Raum......