Die Kraniche fliegen wieder.
Hallo Faydit,
ich hatte auch ein paar Erlebnisse, die ich damit im Grunde nur beschreibe. Ganz spontan hat sich dabei meine Ich-Grenze aufgelöst und ich habe die Welt als einen riesigen Organismus empfunden.
Beim Lesen habe ich gedacht: "da könnte jetzt auch Orgasmus stehen". Denn es ist ja eine Form von Exstase, von Austreten also, die Du beschreibst.
Ich war in den Momenten total angstfrei und es fühlte sich sehr angenehm an - ohne jegliche euphorische Komponente. Dieses Einheitsgefühl hat mein Verstand nun analysiert

und ist zu dem eingebildeten Ergebnis gekommen, dass es sich dabei um Mini-Erleuchtungserlebnisse handeln muss.
Super formuliert: ... ist zu dem eingebildeten Ergebnis gekommen ... Insbesondere wenn man die Lesart des Wortes "eingebildet" im Zusammenhang mit Bildung aus dem Einen versteht.
Auf jeden Fall hört es sich nach einer mystischen Erfahrung an. Wenn ich Erleuchtung als Prozeß ähnlich sehe wie das Nacheinanderanzünden der Kerzen eines Weihnachtsbaumes, dann erkenne ich, daß ich besser oben am Weihnachtsbaum anfange und am besten unten aufhöre. Sonst verbrenne ich mir laufend die Finger. Ginge es im Prozeß der Erleuchtung ebenso vor, daß oben begonnen und unten aufgehört wird, dann erscheint es logisch, daß man sich gerade bei den initialen Seinserfahrungen ein vollkommen anderes Erleben hat als zuvor. Geht aber dann dieser Zündfunke über die Jahre auf den Rest des Wesens über, dann erhellt sich notwendigerweise die Vermystifizierung des eigenen Erlebens immer dann, wenn man den ganzen Prozeß wieder um eine weitere Stufe erdet. Mystisches wird also immer unmystischer, je tiefer man dringt.
Und genau so ist das ja wohl mit der oder dem Erleuchteten. Er wird zu Beginn verklärt sein und dann immer klarer werden. Um dann erst zum Schluß, wenn alle Kerzen an sind, die Geschenke zu offenbaren. Vorher redet er meist wirr. (siehe Lizzy)
Unsere kleinen Ichs mit ihren abgetrennten Verstanden (?Verständen?) sind also scheinbar in etwas Umfassenderes, Einendes eingebettet. In dem Moment hatte ich das Gefühl, dass das Ich, alles Individuelle halt, sich darin auflöst wie der Tropfen Wasser im Meer.
Was du schreibst mit Resonanz zwischen Wesen, Welten... das ist auch mehr eine krude Theorie, der ich anhänge, aber: Wenn wirklich alles Erscheinungen sind, die das Göttliche (ja, nennen wir es doch ruhig so, hört sich doch besser an als "Zustand vor dem Urknall" - dennoch bin ich überzeugt, dass die Physiker da das Gleiche aufspüren wie die Mystiker) hervorruft und es Zustände gibt, in denen unser Geist empfänglich/durchlässig für das Göttliche ist, dann kann der Geist doch auch die anderen Erscheinungen wahrnehmen, die sich das Göttliche ausdenkt. Konkret heißt das: Telepathie, Wahnehmen von anderen Wesen oder Toten - all das ist vielleicht nicht nur Phantasie oder eine Superleistung von Spiegelneuronen, sondern in der Tat eine nicht-sinnliche Wahrnehmung.
Mit dem Verbundensein zu Gott, dem Sein in der Einheit usw. vergeht ja aber vielleicht auch diese Wahrnehmung von Telepathie und den Geistern und Toten. Auch hier wieder meine Frage: wer sollte das wahrnehmen in Gott?
Ich glaube daß die Durchlässigkeit für die Botschaften Gottes (also das Erfahren der eigenen Einheit - Gott ist ja nicht getrennt von uns vorhanden) - ich glaube also, daß die Durchlässigkeit uns ermöglicht, zu erfahren, was wir wirklich wollen. Wenn ich auf die Gesamtheit meiner inneren Stimmen höre, in die Einheit also, dann höre ich die Stimme Gottes oder aber empfange Zeichen von ihm, die "ich" wahrnehme. Gott scheint mir also derjenige (in mir) zu sein, der mir die Wegweisung über meinen Pfad des Lebens anbietet.
Ich kann diese Wegweisung wahrnehmen - dann glaube ich (an) Gott und seine Zeichen. Oder aber ich lehne sie ab. Dann muß ich einen anderen Weg gehen, muß in "mir selber" suchen und nicht in Gott, und daher den buddhistischen Weg und nicht den christlichen Pfad versuchen. Und in diesem buddhistischen Weg, da habe ich die Idee der "Vergeistigung" der Welt durch das Geistsein der Materie. Am Schönsten zeigt sich das für mich im Shintoismus, in dem die gesamte materielle Welt "begeistert" ist und jedes Ding einen eigenen Geist enthält, der sein Wesen und sein Dasein ausbildet.
Anders wäre es, die Dinge "beseelt" zu sehen, wie man es vielleicht im Schamanismus betrachten könnte. Der dritte Weg wäre für mich, die Dinge als "göttlich" zu betrachten, also als unbeseelte und unbegeistigte Materie, als Verkörperung letztlich. Auch mich in meiner Körperlichkeit. So kann auch ich mich als Verkörperung Gottes erkennen, als sein Ebenbild. Und im Grunde bin ich auf diesem 3. Weg erst unabhängig davon, ob ich mich als Schrank da vorne, als der Stapel Autoreifen in meinem Wohnzimmer dort (da seht ihr, wie der Kerl lebt...) oder als eine Kerze in meinem Fokus bei der Objekt-Meditation oder als der Beobachter von Geistern und Telepathie empfinde. Denn wenn alles in Gott ist, kann ich auch alles sein.
"Ich" bleibt dann ungebunden und frei und kann die Perspektiven gut wechseln. Das meine ich immer mit "freie Wahrnehmung". Sie ist ungebunden an Worte und Taten, kennt sich mit Vergangenheit und Zukunft nicht aus. Sie nimmt ganz einfach wahr, ohne sich zu binden und identifiziert sich dann, wenn sie sich verliebt. Dann geht sie in eine Art empathische Resonanz, es entsteht dann Schwingung, Klang, Ton, Laut, in diesen Lauten entsteht Ordnung und die Sprache mit dem Wort erscheint. Ist das Wort gut, wird Energie vermieden und Verstehen entsteht.
Bis es also überhaupt zum Wort kommt, sind von der freien Wahrnehmung aus diverse Schritte zu tun, und Gott entsteht dann irgendwann viel später, wenn das Gehirn sich bereits sprachbildend beschäftigt. Gott lehrt aber: "höre". Und nicht: bilde Worte. Natürlich wird auch bei dieser Art des Hörens auf Gott Sprache entstehen, aber die Quelle ist dann eben eine andere.
(...)
Und ich finde, hier liegt in ein Dilemma: Es gibt zwei Wege. Den östlich-buddhistischen, der das Ich als reine Täuschung betrachtet und den abendländisch-christlichen, der jedem Menschen eine Seele zuordnet. Im Moment finde ich, dass beide nicht kompatibel sind.
Das täuscht, behaupte ich mal. Ich bin da auch seit geraumer Zeit in Verstehensprozessen begriffen in diesem Zusammenhang. Ich finde das wichtig für mich, daß ich das vereinen kann in mir, sonst kann ich als Christ nicht in Ruhe Chigong machen und sollte lieber einen Kurs in meditativem christlichen Tanz besuchen. (aber da muß ich lachen nur bei der Vorstellung...)
Meine oben beschriebenen Erlebnisse gehen eher mit dem östlichen Glauben konform. Trotzdem ist es auch absurd, das Ich (und damit die Grundlage für eine individuelle Seele, oder sehe ich das falsch?) komplett zu leugnen, denn ganz offensichtlich gibt es mich ja - mit Körper, Familie, Freunden, Lebensweg... Da kann man mir 10000 Koans geben, die meinen Verstand ausrenken sollen, *Zugvogel* gibt es, auch wenn die Vergangenheit nur eine Geschichte ist und *Zugvogel* auch im Jetzt nur eine Erscheinung ist.
So einen Koan hat mir das Wort "individuell" aufgegeben. Es heißt wörtlich genommen, wenn's nach mir geht, im Deutschen: "Dem Ungeteilten zugehörig". Genau das heißt "individuell". (Ich beschäftige mich seit über 25 Jahren mit der Betrachtung von Sprache und den Zusammenhängen von Buchstaben im Autogenen Training. Von daher habe ich manchmal eine etwas eigenartige Vorstellung davon, was ein Wort im Zusammenhang mit anderen Worten aufgrund seiner Buchstaben bedeutet. Oft gibt aber gerade dieses Verständnis des Wortes einen besonderen Sinn, der mir alles erklärt, was mein Mißverständnis war: ich verstand "individuell" als "getrennt". Das ist aber noch eine nicht richtige Verstehensweise des Wortes. "Individuell" bedeutet eigentlich: "dem Ungeteilten zugehörig". I.N.D.I.V.I.D.E.U.L.L. und nicht "dividuell". "Dividuell" gibt es leider nicht als Wort, aber "getrennt" müßte eigentlich "dividuell" heißen und
individuell ist dagegen eben das Ungeteilte. Klingt logisch, ist es auch, und daher ist es zunächst mal richtig, denn es folgt den Pfaden Gottes, der Frage: was bedeutet dieses Wort?
Verleugnen die Buddhisten das Ich und die Christen erhöhen es? So, jetzt habe ich mich selber komplett verwirrt

...
Danke für eure inspirierenden Beiträge!
LG und Gute Nacht, Zugvogel
Ich denke, daß die Art der Herangehensweise einfach nur eine andere ist. Im christlichen Glauben gehe ich von "dem Einen" aus, in dem ich enthalten bin. Lustigerweise ist der Christ dann entsetzt, wenn er genau dies erlebt. Gell?
Ich spiele immer in mir drin mit den Begriffen "Pfad" und "Weg". So grenze ich das Christliche vom Buddhistischen für mich unter Anderem sprachlich voneinander ab.
Mir hilft es, in dieser Frage zu betrachten: was ist mein Pfad,
auf dem ich gehe, und was ist mein Weg,
den ich gehe?
Hier neben meinem Haus läuft ein solcher Pfad entlang. Wenn ich ihn hochgehe, dann nehme ich den Pfad (Gottes) wahr, auf dem ich gerade (?) gehe. Seine Schöpfung, seine Natur, die ich betreten darf und die ich aufgerufen bin zu schützen und behutsam mit ihr umzugehen. Inklusive meiner eigenen Natur.
Ich könnte den gleichen Pfad auch als Weg betrachten. "Weg" klingt für mich weniger geheimnisvoll, offensichtlicher, erklärbarer, definierter. An Wegen stehen am Rand meist Schilder, denen ich folgen kann. Pfade halten das nicht bereit.
So in dieser Art sehe ich den Unterschied. Das Eine ist ein Einlassen auf Gott und seine Wunderlichtkeit, das Andere ist das Gehen des Weges, den Gott bereitet, und der lehrbar und erklärbar ist. Beides ist im Grunde Eins.
lg
oh, 9 Uhr. Arbeiten...