die fesseln der wissenschaft

Ich denke, das eigentlich Problem hier ist doch klar. Es geht hier nur um "persönliche Erfahrungen", und wie man damit umgeht.

Im Prinzip ist jede Erfahrung eine Beobachtung. Deshalb sind alle Erfahrungen wissenschaftlich interessant.

Aber: Erfahrungen (oder Beobachtung oder Messungen) sind trügerisch. Die Begründung ist einfach: Der Mensch ist fehlerhaft.

Deshalb würde ich mich nie auf einzelne Erfahrungen verlassen. Die Masse macht den Unterschied. Und das ist die große Stärke der Wissenschaft. Wissenschaftliche Erkenntnis wird ständig von vielen Menschen überprüft.

Genau darum ist es doch auch sinnvoll, Erfahrungen zu sammeln. Und zwar möglichst alle Erfahrungen (auch wenn sie unterschiedlich sind). Deshalb macht man repräsentative Studien.

In einem älteren Beitrag hat Reiner auf Inganz Semmelweis verwiesen. Ich denke, diese Geschichte bringt es auf den Punkt:
Hier ein gutes Beispiel:
wikipedia: Ignaz Semmelweis schrieb:
...Er führte unterschiedlich starkes Auftreten von Kindbettfieber auf mangelnde Hygiene bei Ärzten und Krankenhauspersonal zurück und bemühte sich Hygienevorschriften einzuführen. Seine Studie von 1847/48 gilt heute als erster praktischer Fall von evidenzbasierter Medizin in Österreich. Zu seinen Lebzeiten wurden seine Erkenntnisse nicht anerkannt und insbesondere von positivistisch eingestellten Kritikern und Kollegen als spekulativer Unfug abgelehnt. Nur wenige Ärzte unterstützten ihn, da Hygiene als Zeitverschwendung und unvereinbar mit den damals geltenden Theorien über Krankheitsursachen angesehen wurde...

...Der „Semmelweis-Reflex“, demzufolge Innovationen in der Wissenschaft eher eine Bestrafung als eine entsprechende Honorierung zur Folge haben, weil etablierte Paradigmen und Verhaltensmuster entgegenstehen...

...Semmelweis wies seine Studenten daher an, nach Leichensektionen die Hände und Instrumente mit Chlorkalk zu desinfizieren – wie sich herausstellte, eine wirkungsvolle Maßnahme, da die Sterblichkeitsrate von 12,3 % auf 2 bis 3 % sank...

...Dadurch gelang es ihm, 1848 die Sterblichkeitsrate auf 1,3 % zu senken...

...Trotz dieses Erfolgs wurden die Arbeiten von Semmelweis lange Zeit nicht anerkannt. Seine Studenten hielten Sauberkeit schlicht für unnötig, und viele Ärzte wollten noch immer nicht wahrhaben, dass sie selbst die Verursacher jener Krankheit waren, die sie eigentlich heilen wollten...

Was ist evidenzbasierte Medizin? Wikipedia: "eine Richtung in der Medizin, die verlangt, dass bei jeder medizinischen Behandlung patientenorientierte Entscheidungen ausdrücklich auf der Grundlage von empirisch nachgewiesener Wirksamkeit getroffen werden."
Was sind positivitisch eingestelle Kritiker? Wikipedia: "eine Richtung in der Philosophie, die fordert, Erkenntnis auf die Interpretation „positiver Befunde“ zu beschränken."

Jetzt überleg mal: Wer fordert hier empirische Studien? Und wem reichen hier ein paar positive Erfahrungen.
Da sieht man doch, was passieren kann, wenn man sein Wissen nur auf Erfahrungen einzelner (oder der eigenen) aufbaut.

Grüße Tomilo
 
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Nein, eben das ist Wissenschaft nicht.

Basis der Wissenschaft ist alles, was man messen (Naturwissenschaften) bzw. anderweitig beobachten (Wirtschafts- bzw. Geisteswissenschaften) kann - innerhalb dieser Grenzen bewegt sie sich (Formalwissenschaften sind jetzt ausgenommen, die sind da ein eigenes Kapitel).

Die Wissenschaft versucht, das Gemessene (bzw. Beobachtete) zuerst einmal zu abstrahieren - das heißt alle Faktoren wegzudenken, die die Messung (Beobachtung) nicht maßgeblich beeinflussen. Dann macht sie verschiedene Versuche und stellt anhand dieser Versuche eine Theorie auf - um das zu tun, benötigt man natürlich Fakten (das sind Dinge, die man direkt aus den Messungen bzw. Beobachtungen ablesen kann, z.B. "der Siedepunkt von H2O ist bei Normaldruck 100°C" - Messung - oder "Menschen, die ein geringes Einkommen haben reagieren auf eine Erhöhung des Brotpreises paradoxerweise mit einer erhöhten Nachfrage nach Brot" - Beobachtung).
So, nun haben wir also unsere Hypothese, die erklären soll, warum das so ist. Diese Erklärung wirft man nun ins "wissenschaftliche Forum", und jeder, der gewillt ist, darf sich daran gütlich tun und sie regelrecht zerlegen. Die Hypothese wird von jeder Seite genau betrachtet und es wird nach Falsifizierungsmöglichkeiten gesucht. Nur, wenn keinem anderen Menschen eine Erklärung einfällt, unter welchen Umständen die Hypothese nicht stimmen könnte, wird sie verworfen. Dazu muss man entweder Fakten haben (also Messungen/Beobachtungen, die die Hypothese widerlegen), oder einen Denkfehler bei der Erstellung der Hypothese feststellen.
Schafft die Hypothese diese "Feuertaufe", wird sie eine Theorie und ist anerkannt, einen bestimmten Sachverhalt befriedigend zu erklären.


Alles, was man gemeinhin unter Esoterik fasst, geht normalerweise andere Wege:
Erstens befasst sie sich nur damit, was Einzelne "denken, fühlen, tun". Leider tun sich Menschen schwer, ihre eigenen Erfahrungen objektiv auszuwerten. Ich werde meine folgenden Ausführungen anhand eines sehr guten Beispiels aufzeigen: Homöopathie. Die Basis der Homöopathie gründete Samuel Hahnemann mit seinem berühmten "Chinarindenversuch"; er nahm eine höhere Dosis Chinarinde und stellte fest, dass sich bei ihm genau die gleichen Effekte einstellten wie bei der Krankheit, die man oft mit Chinarinde behandelt hat damals: Malaria. Er folgerte, dass man mit Substanzen, die in hohen Dosen ein Symptom hervorrufen in geringen Dosen eben jenes Symptom bekämpfen könne.
Hier kommt schon die erste Verletzung wissenschaftlichen Arbeitens her, die in der Esoterik oft verwendet wird: Ein eingeschränkt induktives Argumentationsverfahren. Dabei nimmt man Einzelbeispiele ("bei mir hat Homöopathie dort geholfen, wo die Schulmedizin versagt hat!") und baut auf diesen eine Theorie genereller Gegebenheit auf. Das Problem? Es werden immer nur einzelne und sehr subjektive Beispiele hergenommen. Ein Gegenbeispiel wären die Wirtschaftswissenschaften, die zwar ebenfalls rein induktiv auf der Basis von Beobachtungen arbeiten (wie im vorigen Brot-Beispiel), dies jedoch auf einer universellen Skala machen und gemäß des wissenschaftlichen Prinzips jedes "Gegenbeispiel" genau untersuchen und in die Theorie einzubauen versuchen.
Hahnemanns Beispiel ist gut, weil er aus dieser einen Erfahrung eine generelle Gesetzmäßigkeit abgeleitet hat, die so nicht stimmen kann. Schließlich gibt es tausende Wirkstoffe, die nicht das Symptom hervorrufen, das sie therapieren. Solange die homöopathische Theorie das nicht erklären kann, ist sie nicht wissenschaftlich.

Schließlich leitete er noch das "Potenzierungsprinzip" ab; dass, je geringer man einen Wirkstoff konzentriert, sich die Wirkung desselben steigern. Auch hier haben wir eine Verletzung der Wissenschaftlichkeit in Form eines einfachen Logikfehlers, er noch dazu auf keiner Faktenbasis (Beobachtung, Messung) aufbaut.

Zweites Problem an der Esoterik ist, wenn man unbedingt will, dass eine Hypothese stimmt, obwohl das nach dem Konsensus der rational Denkenden nicht der Fall ist. Das ist natürlich höchst unwissenschaftlich. Perfektes Beispiel ist die moderne Homöopathie:
Nachdem die Theorie der Homöopathie durch die Loschmidt'sche Zahl bzw. das Dalton'sche Atommodell in Form von anderen, auf Fakten basierenden Theorien angezweifelt (bzw. falsifiziert) wurde, versuchte man krampfhaft, die Theorie irgendwie am Leben zu erhalten. Das geschah durch diese "Erinnerung des Wassers"-Sache. Das Wasser erinnert sich nämlich auch, wenn kein Wirkstoff mehr drin ist. Hier wird versucht, eine Theorie zu verifizieren, indem man eine andere Theorie erfindet, die wiederum in keinster Weise auf Fakten basiert. So etwas ist natürlich eine absolute Umkehr der wissenschaftliche Methodik und verstößt gegen die Regeln selbiger auf mehrere Weisen. Das Problem: die Wissenschaft falsifiziert (sich selbst), die Esoterik versucht (sich selbst) zu verifizieren, immer öfter durch scheinwissenschaftliche Argumente.


Long story short:
Wissenschaft beobachtet und misst zuerst Dinge und versucht dann nach der Auswertung, eine funktionierende Theorie zu erstellen.
Esoterik baut auf Basis von isolierten Einzelbeobachtungen oder oberflächlichen bzw. assoziativen "Allgemeinweisheiten" Theorien auf, und versucht sie dann mithilfe von Messungen oder Beobachtungen zu verifizieren.

Auch seitenweise Wortschöpfung verändert Wahrheit nicht. WAHRHEIT IST.

Es gibt Menschen, die messen anders als mit dem Zollstock. Und die messen bereits auch schon anderes jetzt, nämlich das, was später die Wissenschaft versucht nachweisen.

Lieben Gruss
Paulus
 
Da nimmt man sich 20 Minuten Zeit um einen Aufsatz über die wissenschaftliche Methode zu verfassen, und alles, was man zurückbekommt sind zwei nichtssagende Floskeln.

:schmoll:


Was sind das denn für Dinge, die das "gemessen" werden?
Und was "ist" Wahrheit denn nun, wenn nicht das, was "da" ist? (und damit beschäftigen sich die Wissenschaften ja - das, was "da" ist, im Gegensatz zur Esoterik).
 
Es ist mir hier leider schon zu oft passiert, dass jemand einfach nur isolierte Sätze ohne Kontext herauskopiert und diese dann mit irgendwelchen Plattitüden kommentiert. Deshalb habe ich mich daran gewöhnt, hier meine Meinung so ausführlich wie möglich zu beschreiben und dabei absolut keine Vorkenntnisse zu verlangen, sodass die Chance der Missinterpretation aufgrund mangelnden Vorwissens geringer ist.

Aber ich werde immer wieder überrascht ;)
 
Paulus, da warn noch zwei Fragen in meinem Beitrag, die waren an dich gerichtet:
Was sind das denn für Dinge, die das "gemessen" werden?
Und was "ist" Wahrheit denn nun, wenn nicht das, was "da" ist? (und damit beschäftigen sich die Wissenschaften ja - das, was "da" ist, im Gegensatz zur Esoterik).
 
Da nimmt man sich 20 Minuten Zeit um einen Aufsatz über die wissenschaftliche Methode zu verfassen, und alles, was man zurückbekommt sind zwei nichtssagende Floskeln.

:schmoll:


Was sind das denn für Dinge, die das "gemessen" werden?
Und was "ist" Wahrheit denn nun, wenn nicht das, was "da" ist? (und damit beschäftigen sich die Wissenschaften ja - das, was "da" ist, im Gegensatz zur Esoterik).


Esoterik ist nicht das GANZE. Und die WAHRHEIT ist nicht allein Esoterik, ebensowenig wie WAHRHEIT nicht allein das Ergebnis wissenschaftlicher Beweise ist.

Beides aber ist ein Teil der WAHRHEIT.

Spirituelles Erwachen ist mein Zustand, übersinnliches Bewusstsein hat sich mir erschlossen, worin ich mehr und mehr auch lebe. Zu den "Spielbereichen" der Esoterik fühle ich mich nicht zugehörig. Vielleicht sogar weniger als du, aber ich weiss ja nicht deine ungeklärten Beweggründe. Die Begriffe sind eben nicht getrennt, und so gehört auch Spiritualität im Weiteren zur Esoterik.

DIE Wissenschaft
beschäftigt sich gar nicht damit. Allein die Menschen, die für den Begriff "wissenschaft" benutzt werden, beschäftigen sich damit.

Ich möchte mich nun nicht wiederholen.

Erfasst? Auch ohne nachmessen, einfach im HERZEN erfasst?

Lieben Gruss
Paulus
 
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Es ist mir hier leider schon zu oft passiert, dass jemand einfach nur isolierte Sätze ohne Kontext herauskopiert und diese dann mit irgendwelchen Plattitüden kommentiert. Deshalb habe ich mich daran gewöhnt, hier meine Meinung so ausführlich wie möglich zu beschreiben und dabei absolut keine Vorkenntnisse zu verlangen, sodass die Chance der Missinterpretation aufgrund mangelnden Vorwissens geringer ist.

Aber ich werde immer wieder überrascht ;)

Ebenso ergeht es mir.

Ich kann manchmal nicht glauben, wie dumpf und töricht Mensch noch immer ist. Aber, er braucht noch Zeit.

Du hast ja immerhin das Glück, dass noch die Masse Mensch genau aus diesem auch dir zugänglichem Denken und Wahrnehmen schöpft.

Nur gut aber, dass immer wieder einzelne Menschen bereit waren, zu dem ihnen geschenktem Wissen zu stehen, und dafür auch Sterben mussten, sonst müssten wir vielleicht noch heute am Rand der Erde umdrehen, oder wagten uns gar nicht erst dorthin.

Lieben Gruss
Paulus
 
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