Um die Passionsgeschichte wirklich verstehen will, sollte man einen Rückblick auf das Alte Testament wagen. Das liegt daran, dass die Masse der Ereignisse und Aussagen dieser Geschichte mit den Prophezeiungen aus dem Alten Testament verbunden sind. Im Besonderen spielen hier die Vorstellungen aus Jesaja eine wichtige Rolle und verraten auch, um welche Sünden es da geht.
Durch die Lage Israels zwischen den Machtblöcken bestand für Israel schon immer eine existenzielle Bedrohung. Gerade vor und in den Zeiten Jesajas waren es die Assyrer im Norden unter deren Einfluss sie immer mehr gerieten. Etwas, das auch schon klar und deutlich bei Propheten vor Jesaja zum Ausdruck kommt. Ferner gab es innerhalb Israels große Spannungen, in denen sich die Bewohner in den nördlichen Regionen immer mehr, von Judäa und von Jahwe entfernten. Gerade in der Abkehr von Jahwe sah man den Grund, warum scheinbar Israel als das auserwählte Volk immer mehr in Ungnade Gottes geriet.
Grade Jesaja hatte immer wieder von der akuten Gefahr der Assyrer gemahnt und er sollte noch zu seinen Lebzeiten recht bekommen. Ihm Jahre 729 v. Chr. trennten sich durch einen Aufstand das Nordreich Israel vom Südreich Judäa. Es kam da auch zu einer religiösen Trennung, wobei im Nordreich die alten Götter wieder in den Vordergrund rückten, während man sich in Judäa verstärkt auf Jahwe konzentrierte.
Schon ein paar Jahre später im Jahr 722 v. Chr. griffen dann die Assyrer das Nordreich an und löschten dieses aus. Auch in Judäa marschierten sie ein, das Schicksal Judäas schien besiegelt, aber wie durch ein Wunder brachen die Assyrer diesen Feldzug ab. Ein denkwürdiges Ereignis, das den Glauben an Jahwe und seine Gebote verstärkte.
Jesaja hatte in diesem Zusammenhang den Gedanken vom Messias aus der Taufe gehoben. So ist dann dort auch die rede vom Knecht Gottes, der die Sünden des Volkes Israels auf sich nehmen sollte, um Jahwe wieder zu versöhnen. Hinter diesem Gedanken steckt das Gebot Moses: „Aug um Auge, Zahn um Zahn!“
Es geht da also nicht direkt um eine persönliche Schuld, sondern eine kollektive Schuld eines Volkes. Solche Schuld kann durch die Nachlässigkeit aller entstehen, aber auch durch das Wegsehen oder Nichtstun. So verstieß zum Beispiel das Halten von Sklaven gegen das Gebot Jahwes. Gerade aber die Besitzenden brachten unzählige Gründe vor, warum sie auf Sklaven nicht verzichten könnten. Tja und jene, die sich keine leisten konnten, hüllten sich lieber schweigende Unschuld.
Das und einige Ungerechtigkeiten mehr, ließen den Rufer in der Wüste Jesaja nicht schweigen. So wie kurze Zeit später die Babylonier und Griechen Judäa in Knechtschaft hielten, war so wurden es bei Jesus die Römer. Gerade unter den Griechen gab es viele, die sich Jahwe direkt und indirekt abwandten und somit zu einer kollektiven Schuld mit beitrugen. Für einen Knecht Gottes galt es also, eine Menge abzutragen.
Merlin