Devot sein - ist man dann krank?

Schrödingers Katze;1322050 schrieb:
Die Devoten haben ein echtes Handicap. Da geht es tiefer. In die Kindheit rein. Bei den Masos auch, doch der Umgang damit ist seltsamerweise dominanter.
Bei den Devoten fehlt die Vaterfigur ganz.

also ich denke nicht, dass man das so pauschal sagen kann. weil, wo wir schon bei erfahrungsberichten sind ;), mir fehlt sie nicht.

und dazu möchte ich noch etwas zitieren aus einem buch, sehr zu empfehlen übrigens.. das heißt "die wahl der qual" und in der einleitung, mit dem 10 schönsten vorurteilen steht:

"über die ursachen sadomasochistischer interessen hat man bisher nicht sehr viel herausgefunden. man kann aber wohl mit sicherheit sagen, dass es die eine, alles erklärende ursache nicht gibt. zum einen fallen die individuellen ausprägungen ganz unterschiedlich aus, zum anderen können auch äußerlich ähnliche verhaltensweisen ganz verschiedene hintergründe haben. die biographien und erfahrungen von sadomasochisten weisen keine elemente auf, die allen gemeinsam wären."

und ich gehe davon aus, dass sich die autoren auch einige zeit mit dem thema auseinander gesetzt haben ;)

zugegeben, man weiss ja nicht alles was einem in der kindheit so wiederfahren ist, und ich möchte auch garnicht abstreiten, dass schlechte erfahrungen die ursache sein KÖNNEN, aber selbst wenn bei mir etwas gewesen sein sollte, dann bin ich da heute dankbar für, denn das ist etwas, was ich einfach nicht mehr missen will.

so etwas wundervolles kann keine krankheit sein.

lg
 
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David Deida
Nackt zur Wahrheit

Ein sehr gutes Buch, welches ein spirituelles Bild zeigt, indem auch BDSM seinen Platz haben darf.
:)
 
Ich hab mal zufällig das Tagebuch der heiligen Therese von Lisieux in die Finger bekommen - und selten ein intensiveres Psychogramm einer zutiefst devot-masochistischen Seele gesehen. Nur eben nicht auf der sexuellen Ebene ausgelebt, sondern auf der spirituellen - körperlich aber durchaus nicht unbefriedigt, weil strikt eingebunden in die harte Klosterdisziplin, in der das Leiden gesucht und verherrlicht wird. Sehr viele religiöse bzw. spirituelle Kontexte sind in ihren Strukturen ja ganz ähnlich aufgebaut wie Dom-dev-Beziehungen (oder umgekehrt) ... und dann könnte man auch noch in hierarchische Strukturen in Wirtschaft und Politik reinschauen oder in Familien... es gibt jede Menge lustlosere Arten, das zu leben, als eine Realisierung im erotischen Beziehungsbereich.

Alles Liebe,
Jake
 
Ich hab mal zufällig das Tagebuch der heiligen Therese von Lisieux in die Finger bekommen - und selten ein intensiveres Psychogramm einer zutiefst devot-masochistischen Seele gesehen. Nur eben nicht auf der sexuellen Ebene ausgelebt, sondern auf der spirituellen - körperlich aber durchaus nicht unbefriedigt, weil strikt eingebunden in die harte Klosterdisziplin, in der das Leiden gesucht und verherrlicht wird. Sehr viele religiöse bzw. spirituelle Kontexte sind in ihren Strukturen ja ganz ähnlich aufgebaut wie Dom-dev-Beziehungen (oder umgekehrt) ... und dann könnte man auch noch in hierarchische Strukturen in Wirtschaft und Politik reinschauen oder in Familien... es gibt jede Menge lustlosere Arten, das zu leben, als eine Realisierung im erotischen Beziehungsbereich.

Alles Liebe,
Jake


Da fällt mir der Film "Die heilige Hure" ein - ein hochinteressanter Film ....


Ein kenne einige Leute aus der SM-Szene und ich hab selten so interessante und vor allem niveauvolle Menschen kennengelernt wie gerade dort


:)
Mandy
 
Vielleicht sollte man bei dieser Gelegenheit mal den Begriff *niveauvoll* definieren, naja er wird sicher so viele Interpretationen benötigen, wie die Anzahl der Leute, die versuchen, ihn zu erklären.

Aber die eigentliche Frage von Maud lautete ja auch nicht, ob praktiziertes Sado-Masoverhalten und/oder Devotismus niveauvoll ist oder nicht und die Vor- und Nachteile davon, sondern ob oder ab wann es als krankhaft einzustufen ist. Dazu gibt es eine ziemlich große Grauzone und unterschiedliche Definitionen, außerdem hat der Volksmund eine andere abweichende Sichtweise dazu als die Experten.


Wie ich vorher schon schrieb, ist die mangelnde Krankheitseinsicht oder Verleugnung etwas, was sich durch viele Krankheitsbilder in der Psychiatrie zieht. U.a. deswegen:

Ich-Syntonie vs. Ich-Dystonie bei Paraphilien


Im Gegensatz zu vielen psychischen Störungen sind die Paraphilien in der Regel Ich-synton. Dies führt in vielen Fällen dazu, dass Paraphile nicht erkannt werden, da sie sich selbst meist nicht als krank empfinden. Demnach entsteht der Leidensdruck (wenn überhaupt) erst spät im Krankheitsverlauf und ist meist sekundär, sprich der Patient leidet nicht unter seiner eigenen Symptomatik, wie bei Ich-dystonen Erkrankungen (z. B. Phobien), sondern er leidet unter Missständen, die sich sekundär aus seiner Krankheit ergeben. Hierzu gehören häufig juristische Folgen, soziale Isolation, finanzielle Schwierigkeiten, Verluste des Arbeitsplatzes, medizinische Krankheitsfaktoren etc., hervorgerufen durch das Auftreten der sexuellen Phantasien, Bedürfnisse oder Verhaltensweisen.(...)

Mehr zu Paraphilien hier:

http://de.wikipedia.org/wiki/Paraphilie


Meine persönliche mal ganz mutwilige Ansicht: Vielleicht ist dieses oder anderes immer dann scheibe oder krank, wenn man nicht mehr sagen kann:

"Isch habe fertig damit!"

:)

Eure Jo
 
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Im Gegensatz zu vielen psychischen Störungen sind die Paraphilien in der Regel Ich-synton. Dies führt in vielen Fällen dazu, dass Paraphile nicht erkannt werden, da sie sich selbst meist nicht als krank empfinden. Demnach entsteht der Leidensdruck (wenn überhaupt) erst spät im Krankheitsverlauf und ist meist sekundär, sprich der Patient leidet nicht unter seiner eigenen Symptomatik, wie bei Ich-dystonen Erkrankungen (z. B. Phobien), sondern er leidet unter Missständen, die sich sekundär aus seiner Krankheit ergeben. Hierzu gehören häufig juristische Folgen, soziale Isolation, finanzielle Schwierigkeiten, Verluste des Arbeitsplatzes, medizinische Krankheitsfaktoren etc., hervorgerufen durch das Auftreten der sexuellen Phantasien, Bedürfnisse oder Verhaltensweisen.(...)
Das finde ich ja nun wirklich spannend und bemerkenswert. Da verursachen von anderen auferlegte Sanktionen, die mehrheitlich (eigentlich nur die medizinischen Folgen ausgenommen und die juristischen, die auf klaren Rechtsgrundlagen beruhen) durch Unverständnis, Vorurteil, soziale Ausgrenzung, rigiden Moralismus etc. begründet sind, den Leidensdruck ... und das soll Krankheit definieren?

Dann sei zumindest die Frage gestattet, über wessen Gesundheit hier Befunde abgeliefert werden und wie Gesundheit definiert wird. Gesund ist, wer angepasst ist? Völlig klar, dass Nichtanpassung und Normabweichung eine andere individuelle und soziale Kosten-/Nutzenrechnung anstellen als Normalität (die aufgrund oft genug auftretender Verdrängungen und entsprechender psychosomatischer Folgen ja nun auch nicht gerade das ewige Leben verspricht...).

Wie gesund ist ein System, das solche Klassifizierungen trifft - und vor allem: cui bono? Gut für alle, die von einer gleichgeschalteten Normalität profitieren. Gut für einen Krankenverwaltungsapparat, der Fälle statt Menschen bearbeitet. Der Vergleich ist sicherlich sehr weit hergeholt, aber wenn ein System Menschen wegen devianten Sexualverhaltens als krank punziert und in zynischer Kälte allfällige Prozesse misslungener sozialer Integration mit einem "selber schuld" quittiert und als Leidensdruck aus individueller Erkrankung ideologisiert ... das erinnert mich an die finstersten Kapitel deutscher Geschichte, in der solche Klassifizierungen durch eine willfährige Medizin notorisch waren.

Aber vielleicht ist es ja auch nur die Lust an der Erfindung von Krankheitsbildern, wie sie Jörg Blech zum Beispiel in seinem Buch "Die Krankheitsmacher" beschreibt. Da sind herrliche Beispiele beschrieben, zu welch skurrilen "Syndromen" sich manche Götter im weißen Mantel versteigen... oder die Pharma-Marketingabteilungen, die sich damit lukrative Pfründe erschließen. Auch irgendwie krank, oder?

Alles Liebe,
Jake
 


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