Unsicherheit heißt nicht: „Worst Case ignorieren“ – aber auch nicht: „Worst Case reicht für Politik“
Die Tatsache, dass politische Entscheidungen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren müssen, ist unbestritten. Doch es ist ein Unterschied, ob Politik sich ausgewogen auf die ganze Bandbreite der Szenarien stützt – oder ob einseitig die dramatischeren Szenarien kommuniziert und als Handlungsgrundlage etabliert werden.
Das geschieht doch. Nur ein kleiner durch extremen Optimismus getragener Anteil der Szenarien könnte Klimaschutz noch als "überzogen" darstehen lassen. Alle anderen seriösen Szenarien, nicht nur der worst case, machen schnelle(re)n Klimaschutz sehr sinnvoll bishin zu notwendig.
Unsicherheit wird selektiv verwendet – als Verstärker für Aktionismus, aber nie zur Vorsicht bei weitreichender Regulierung.
Nein. Im Gegenteil bist Du es gerade, der selektiv so tut, als würden die Unsicherheiten bedeuten, dass das Worst case ganz sichernicht eintreffen könnte.
Kritik an Unsicherheit ≠ Leugnung
Es ist ein Strohmann-Argument, zu behaupten, Kritiker wie Lindzen würden Unsicherheit als Beweis dafür verwenden, dass die pessimistischeren Szenarien „ganz sicher falsch“ seien.
Das mag vielleicht für Leizden gelten, wenn es ihm nur um eine akademische Diskussion über einen Zahlenwert (Klimasensitivität) geht. Es wird aber von AfD und co gerne zur Leugnung ausgeschlachtet.
Ihr Argument lautet vielmehr:
Die Unsicherheit ist so groß, dass kein Szenario – weder optimistisch noch pessimistisch – mit der nötigen epistemischen Sicherheit politisch priorisiert werden sollte.
Das geschieht auch nicht, weil schneller Klimachutz auch bei relativ moderaten Szenarien eigentlich unabdingbar ist. Wie viel und wie schnell Klimaschutz umzusetzen ist, hängt nicht vom genauen Wert der Klimasensitivität ab. Ein im Rahmen etwas geringerer Wert würde uns vielleicht etwas mehr Zeit zur Umsetzung verschaffen, aber es schadet ja nichts, auch schon vorher möglichst klimaneutral zu werden.
Wer mit Unsicherheit verantwortlich umgeht, erkennt: Sie ist kein Freifahrtschein für Alarmismus – genauso wenig wie für Untätigkeit. Sondern: Grundlage für vorsichtige, robuste, breit abgestützte Entscheidungen.
Die mitunter zu langsam sein könnten, insbesondere, wenn das worst case Szenario Recht behält.
Rubust gerne. Die Zeit drängt aber nunmal - und das nicht nur in den worst case Szenarien.
Politischer Missbrauch beginnt, wenn Kritik moralisch diskreditiert wird
Das geschieht nicht. Niemand wird deswegen diskreditiert, wenn er nur eine akademische Diskussion über einen Zahlenwert (Klimasensitivität) führen will. Und so wurden auch die Behauptungen von Leizden angeschaut und mittlerweile auch falsifiziert. Die dämpfende Rückkopplung, die er meinte gefunden zu haben, ist doch nicht da. Kein Problem; das ist Wissenschaft.
Die Probleme beginnen da, wo das derart verdreht wird, dass der Sinn vom Klimaschutz in Gänze negiert wird oder gewünscht wird, ihn zu bremsen.
Wenn Menschen, die auf Modellgrenzen oder methodische Schwächen hinweisen, sofort als „Verharmloser“ oder „politische Agitatoren“ abgetan werden, dann ist das nicht wissenschaftlich, sondern ideologisch motiviert.
Es zeigt sich, dass so einige dieser Menschen - z.B. EIKE und AfD - politisch motiviert agieren, um eben den Klimaschutz zu stoppen. Und es ist auch bekannt, dass Ölkonzerne sich Leute einkaufen, die mit dieser Art von Argumentation den Klimaschutz in misskredit bringen sollen.
Das IPCC hat nicht die Aufgabe, politische Narrative zu stützen, sondern Unsicherheit abzubilden – auch wenn sie unpopulär ist.
Das tut das IPCC, indem es seine Ergebnisse als Confidenz-Intervalle angibt. Da wird nicht gesagt, dass die Klimasensitivität ganz sicher 5° pro CO2-Verdoppellung betragen würde (worst case der IPCC-Ergebnisse), sondern zwischen 2° und 5° liegt. Das IPCC gibt den "best fit" sogar mit 3° an, womit es diesen "wahrscheinlichsten Wert" in die untere Hälfte seines Intervalles legt, obwohl andere Studien mitunter deutlich höhere Werte der Klimasensitivität angeben. Und die basieren nicht nur auf Modellrechnungen, sondern da sind auch Betrachtungen früherer Klimaveränderungen dabei, die man anhand von Eisbohrkernen und diversen anderen Messangern aus der Vergangenheit untersuchen kann.