Ein japanischer Buddhist stellt fest: »Christus hängt hilflos, voller Traurigkeit, an dem senkrecht aufragenden Kreuz. Für das östliche Empfinden ist der Anblick fast unerträglich.«. Da ist es begreiflich, daß jemand sich in solche Ablehnung des Kreuzes hineinsteigert, bis er fest entschlossen ist: Ich will meinen Kindern das nicht zumuten, damit ist es mir Ernst. Immerhin leben wir in einem demokratischen Staat, wo Religionsfreiheit einer der obersten Grundsätze ist. Wenn ich meinen Kindern das Kreuzbild ersparen will, dann soll der Staat das bitte respektieren. Und wenn die Schulbehörde - wie es in jenem bayerischen Ort anscheinend geschah - sich rücksichtslos über meine Einwände hinwegsetzt, weil das Ganze es angeblich verlangt, dann gehe auch ich aufs Ganze und wende mich ans Gericht, bis hin zum höchsten. Wir wissen, wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, mit dem Stimmenverhältnis fünf gegen drei: Die Vorschrift, ohne Rücksicht auf den Glauben der Eltern in jedem Klaßzimmer ein Kreuz anzubringen, sie entspricht nicht dem Grundgesetz.
So sieht es, aus juristischen Gründen, die Mehrheit der Richter. Bemerkenswert ist nun, daß zahlreiche überzeugte Christen derselben Meinung sind, und zwar aus Gründen des Glaubens. Jesus ist auf Anstiften seiner religiösen Obrigkeit gekreuzigt worden, Gott aber hat sich zu ihm, dem geschundenen Einzelnen, bekannt: das bedeutet das Kreuz, deshalb taugt es nicht als Vorschrift für eine Schulordnung. Wer Jesu Kreuz zum Herrschaftssymbol macht, verfälscht und beleidigt es. Früher wurde es sogar vorausgetragen, wenn ein ertappter Ketzer oder eine angebliche Hexe zum Scheiterhaufen gezerrt wurde - kann man sich einen grausigeren Mißbrauch des menschenfreundlichen Gottessohnes denken? Natürlich nicht so schlimm, aber doch in derselben Linie scheint es zu sein, wenn der Gekreuzigte die Sechser und Verweise geplagter Schüler absegnet. Dafür ist das Kreuz zu heilig.