Das Gingko-Blatt

MariaH.

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1. August 2004
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Ruhrgebiet
Hallo,
nun stöbere ich schon zwei Wochen in diesem Forum herum, kann mich aber nicht schnell durch die Beiträge klicken, so dass ich noch lange viel zu lesen haben werde. Meist reicht die Lektüre eines einzigen Threads aus als Impuls für den ganzen nächsten Tag.
Beim Lesen wird mir immer wieder mein innerer Zwiespalt bewusst, ich komme mir vor wie ein Gingko-Blatt, das kennt Ihr doch sicher.
Eine Hälfte meines Wesens ist geprägt durch die intensive christliche Erziehung durch meine Mutter, die sehr streng katholisch war. Sie hat uns vier Geschwistern ihren Glauben vorgelebt, und mein ältester Bruder ist Priester geworden. Mein Vater (evangelisch) hat in seinem letzten Lebensdrittel mit einem Mal seine esoterischen Ansichten intensiv entwickelt. Dadurch geriet er in eine Art Außenseiterrolle in der Familie, was ich persönlich sehr bedauerte. Nie hätte ich gedacht, dass ich selbst einmal an eine innere Weggabelung gelangen würde, indem ich Jahre nach dem Tode meines Vaters durch gute Freunde und durch Bücher, die man mir ungefragt auslieh, erneut mit der Esoterik in Berührung kam. Seitdem bin ich beständig dabei, mein verwurzeltes christliches Weltbild teils abzuwerfen, vor allem aber umzustrukturieren in ein allumfassendes einheitliches esoterisches Lebensgefüge. Eure Beiträge, die ich hier lese, sind mir dabei sehr hilfreich, dienen der "zweiten" Hälfte meines inneren Gingko-Blattes als Nahrung.
Aber die Zwiespältigkeit scheint ein sehr altes Problem zu sein, ich habe ein Gedicht von Goethe entdeckt, der sich auch schon damit befasst hat

GINKGO BILOBA

Dieses Baumes Blatt, der von Osten meinem Garten anvertraut,
Gibt geheimen Sinn zu kosten, wie's den Wissenden erbaut.
Ist es ein lebendig Wesen, das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen, dass man sie als eines kennt?
Solche Fragen zu erwidern, fand ich wohl den rechten Sinn.
Spürst du nicht an meinen Liedern, dass ich eins und doppelt bin?

Johann Wolfgang von Goethe (Westöstlicher Diwan)

Was genau Goethe zum Schreiben dieser Zeilen veranlasst hat, weiß ich natürlich nicht. Aber ich fühle mich schon wie eine Art Gingko-Blatt und vielleicht wirkt sich das auch aus in dem einen oder anderen Beitrag, den ich noch schreiben werde, dass ich gedanklich evtl. aus beiden Hälften gespeist werde.

Meine Frage, die ich ans Ende dieser Schilderung stellen möchte, lautet, ob mein verstorbener Vater heute wohl auf irgendeine Weise weiß, dass ich nun auch den esoterischen Weg eingeschlagen habe. Ich frage mich, ob mir dieses schon als Erbgut mit in die Wiege gelegt wurde, wobei meine Geschwister bis heute kein Interesse an Esoterik haben, habe nur ich es "geerbt" und mein Bruder, der Priester wurde, hat er die intensive Fähigkeit zur Religiosität von meiner Mutter"geerbt"?

Wie viel ist wohl Erziehung und wie viel Veranlagung?

MariaH.
 

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