Es gibt andere Lösungen als Grenzen abzuschaffen und Immigranten alles durchgehen zu lassen, oder umgekehrt jeden auszuweisen (oder schlimmer), der irgendwann mal einen nicht-deutschen Vorfahren hatte.
Natürlich. Und über dieses dazwischen kann und muss auch gerne konkret und differenziert diskutiert werden.
Da kann man dann sich dann beispielsweise darüber unterhalten, ab welchem Strafmaß eine Abschiebung eines straffällig gewordenen Ausländers drängend wird - soweit ich weiß zieht das aktuelle gesetz diese Grenze bei einem Strafmaß von drei Jahren (oder waren es fünf?) - oder welche Kriterien ein Land erfüllen muss, um wirklich berechtigt als "sicheres Herkunftsland" deklariert werden zu können.
Wenn man sich jetzt aber z.B. das geschmacklose Wahlwerbeticket der AfD anguckt, was einige dann noch schönzureden versuchen, dass es ja nur um "illegale" Ausländer und "sichere Herkunftsländer" ginge etc. Darauf lasse ich mich nur dann ein, wenn ich erkennen kann, dass hier "illegal" und "sicheres herkunftsland" wirklich fair definiert sind. Und wenn ich da so in den sozialen Plattformen in der rechtsextremen Echokammer stöbere: Die freuen sich schon darauf, Leute abzuschieben, die auch nur wegen zu schnellem Fahren beblitzt wurden, und sie deklarieren JEDES Land als sicher.
Hier ist jetzt wieder ein grausamer Mord geschehen. Es ist nicht das erste derartige Verbrechen, was von einem Ausländer begangen wurde, und es wird auch nicht das letzte sein. Aber was schließen wir daraus? Auf welchen Aspekt des Täters richten wir den Fokus? Darauf, dass er schon psychisch-gewalttätig auffällig war, oder darauf, dass er nicht aus Deutschland kommt? Warum ist das zweite für die Tat so relevant, dass es sofort in den Fokus rückt und genannt wird? Was ist die Lehre daraus, und was wäre die Lehre von einem deutschen Täter mit ähnlicher psychisch-gewalttätiger Verfassung? DAS gibt es auch.
Hier wird dann bedauernd erwähnt, dass dieser Fall ja "Wasser auf die Mühlen der AfD" wäre. Warum? Warum machen wir ihn dazu? Warum machen wir in solchen Fällen dieses Spiel der AfD mit? Es wird nur dann zum Wasser auf deren Mühlen, wenn wir dem Irrglauben mit aufsitzen, dass es so viel besser und sicherer wäre, wenn nur noch weniger Ausländer hier wären... als wenn es alleine und ursächlich die Ethnie (und/oder Religionszugehörigkeit) wäre, die Menschen zu psychisch-auffälligen Gewalttätern mache.
Ich möchte ein weltoffenes Deutschland. Ich konnte schon viele Menschen liebe und interessante kennen lernen, die nicht in Europa geboren wurden. In Schweden hatte ich u.a. zwei syrische Flüchtlinge erlebt, die da jetzt "Schwedisch für Einwanderer" unterrichten, weil sie es beide innerhalb weniger Monate geschafft haben, die schwedische Sprache verhandlungssicher zu erlernen. Als ich vor 15 Jahren schonmal in Stockholm gearbeitet habe, hatte ich einen netten Kollegen aus dem Iran, mit demich mich immer scherzhaftum rechenzeit auf dem Universitäts-eigenen CPU-Cluster gekappelt habe. Vor ein paar Wochen habe ich einen ehemaligen Studienkollegen wieder getroffen - auch ein Iraner (soweit ich weiß) - der jetzt mittlerweile als Mathematik-Professor an einer FH arbeitet. Das alles (und noch einige mehr) Beispiele von Menschen, die niemandem was zu Leide getan haben, die für ihre Freunde wertvolle Mitmenschen sind, und die allerdings beispielsweise nach Deinem Wunschmodell - Asyl bzw. Aufenthaltsrecht nur, wenn Oppositionstätigkeit bewiesen werden kann - KEINE Chance hier oder sonstwo in Europa gehabt hätten, Fuß zu fassen.
Man kann von mir aus durchaus Grenzen ziehen, und Menschen abweisen oder abschieben, von denen man ausgehen kann oder gar muss, dass sie eine Gefahr darstellen. Diese Grenzen sollten aber klar umschrieben sein. Und wenn absehbar ist oder mindestens in der Schwebe unklar bleibt, dass ein großer Anteil der nicht-deutschen bzw. nicht-europäischen Menschen, die ich kennen lernte und die ich als Menschen schätze, damit KEINE Chancen gehabt hätten... dann widerspreche ich und setze mich gegen eine derartige Deklaration.
Zurück zu dem Verbrechen, das geschehen ist:
Was ist relevant? Ist es relevanter, dass er psychisch auffällig ist und schon gewalttätig war/ist, oder ist relevanter, dass er Ausländer war/ist? Unbestritten wäre er nicht zum Täter geworden, wenn er in Abschiebehaft gewesen wäre, und es ist gerne als Versäumnis der Behörden zu werten, wenn er bereits in einem Maße Vorbestraft war, der eine derartige Abschiebung getriggert hätte. Aber wie schützt man mögliche Opfer von ähnlich psychisch auffälligen Menschen, wenn sie aus Deutschland kommen? Was wären die lauten Stimmen und Forderungen dann gewesen? Wer hat in einem solchen Fall wie versagt?