Evatima
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ZITATE VON MARCUS AURELIUS ANTONIUS
Des Kaisers Marcus Aurelius Antonius Selbstbetrachtungen
https://www.projekt-gutenberg.org/antonius/selbstbe/chap009.html
Neuntes Buch.
1.
Denn die Allnatur ist das Reich des Seienden. Das Seiende aber steht mit allem Vorhandenen in engster Verbindung. Ferner wird jene auch die Wahrheit selbst genannt und ist tatsächlich der Urquell alles Wahren.
3.
Wie du des Augenblicks harrst, wo das Kindlein aus dem Schoße deiner Gattin hervorgehen soll, ebenso sollst du die Stunde erwarten, da deine Seele aus dieser ihrer Hülle entweichen wird.
8.
Den vernunftlosen Wesen ist eine Seele, den vernünftigen aber eine denkende Seele zugeteilt, sowie es auch für alle Erdgebilde nur eine Erde gibt und wir alle, die wir sehend und belebt sind, von einem Lichte sehen und eine Luft einatmen.
9.
Alle Dinge, die irgend etwas Gemeinschaftliches haben, streben zur Vereinigung hin. Was von der Erde ist, neigt sich zur Erde.
Ebenso nun, oder auch noch mehr, strebt alles, was an der gemeinschaftlichen, vernünftigen Natur teil hat, seinem Ursprunge zu.
Die denkenden Wesen sind es nämlich jetzt allein, die dieses Zueinanderstreben und Zusammenhalten vergessen, und bei ihnen allein ist jenes Zusammenfließen nicht ersichtlich. Und doch – mögen sie sich immerhin fliehen, sie umschließen sich dessen ungeachtet. Denn die Natur behauptet ihr Herrscherrecht.
13.
Heute bin ich allen Hindernissen entgangen, oder richtiger gesprochen, habe ich alle Bedrängnisse zurückgewiesen; denn sie lagen ja nicht außer mir, sondern in mir, in meinen Vorurteilen.
18.
Dringe in das Innere der Menschenseelen ein, und du wirst sehen, vor was für Richtern du dich fürchtest, und was für Richter sie über sich selbst sind.
22.
Forschend wende dich deiner eigenen Seele, der Seele des Weltganzen und deines Nächsten zu: deiner eigenen Seele, um ihr Sinn für Gerechtigkeit einzuflößen, der Seele des Weltganzen, um dich zu erinnern, du seiest ein Teil davon, der Seele deines Nächsten, um zu erkennen, ob derselbe unwissentlich oder wissentlich gehandelt habe, und zugleich zu bedenken, dass sie der deinigen verwandt ist.
29.
Die Urkraft des Weltganzen ist wie ein gewaltiger Strom, der alles mit sich fortreißt. Wie unbedeutend sind selbst diejenigen Staatsmänner, die die Geschäfte nach den Regeln der Weltweisheit zu lenken wähnen! O Eitelkeit! Was willst du, Mensch? Tue doch, was gerade jetzt die Natur von dir fordert. Wirke, solange du kannst, und blicke nicht um dich, ob's einer auch erfahren wird. Hoffe auch nicht auf einen platonischen Staat, sondern sei zufrieden, wenn es auch nur ein klein wenig vorwärts geht, und halte auch einen solchen kleinen Fortschritt nicht für unbedeutend.
Wie steht's damit, ob sie den Willen der Allnatur erkannt haben und ihre eigenen Erzieher geworden sind? Haben sie aber nur eine Schauspielerrolle gespielt, so verdammt mich niemand dazu, sie ihnen nachzuspielen. Die Philosophie lehrt mich Einfachheit und Bescheidenheit; fort mit vornehm tuender Aufgeblasenheit!
30.
Wie von einer Anhöhe aus betrachte die unzähligen Volkshaufen mit ihren unzähligen Religionsgebräuchen, die Seefahrten nach allen Richtungen unter Stürmen und bei ruhiger See und die Verschiedenheiten zwischen den werdenden, mit uns lebenden und dahinschwindenden Wesen. Betrachte auch die Lebensweise, wie sie vormals herrschend war, wie sie nach dir sein wird und wie sie jetzt unter unkultivierten Völkerschaften herrscht. Ferner, wie viele nicht einmal deinen Namen kennen, wie viele ihn gar bald vergessen, wie viele, jetzt vielleicht deine Lobredner, nächstens deinen Tadel anstimmen werden, und wie weder der Nachruhm noch das Ansehen noch sonst etwas von allem, was dazu gehört, Beachtung verdient.
31.
Zeige Gemütsruhe den Dingen gegenüber, die von äußeren Ursachen herkommen, und Gerechtigkeit bei denen, die von deiner eigenen Tatkraft bewirkt werden, das heißt, dein Streben und Tun soll kein anderes Ziel haben als das allgemeine Beste; denn das ist deiner Natur gemäß.
32.
Viele unnötige Anlässe zu deiner Beunruhigung, die nur auf deiner falschen Vorstellung beruhen, kannst du aus dem Weg schaffen und dir selbst unverzüglich einen weiten Spielraum eröffnen; umfasse nur mit deinem Geiste das ganze Weltall, betrachte die ewige Dauer und dann wieder die rasche Verwandlung jedes einzelnen Gegenstandes; welch kurzer Zeitraum liegt zwischen der Entstehung und Auflösung der Geschöpfe; wie unermesslich ist die Zeit, die ihrer Entstehung voranging, wie unendlich gleicherweise die Zeit, die ihrer Auflösung folgen wird!
39.
Entweder ist ein denkendes Wesen die Urquelle, von der dem ganzen Weltall, als einem Körper, alles zuströmt, und alsdann darf sich der Teil über dasjenige, was zum Nutzen des Ganzen geschieht, nicht beklagen, oder das All ist ein Gewirr von Atomen, eine zufällige Mischung und dann wieder Trennung; wozu dann deine Unruhe? Sprich eben zu deiner Seele: Du bist tot, bist nur Schein und Verwesung, denkst nur wie ein Tier, deinen Hunger zu stillen und deine Bedürfnisse Zu befriedigen.
41.
Während meiner Krankheit, sagt Epikur, unterhielt ich mich nicht über meine körperlichen Leiden, auch sprach ich nicht mit denen, die mich besuchten, davon; vielmehr setzte ich meine früher angefangenen Naturforschungen fort und beschäftigte mich hauptsächlich mit der Frage, wie die denkende Seele, trotz ihrer Teilnahme an den Empfindungen des Körpers, unerschütterlich bleiben und das ihr eigentümliche Gut bewahren könne. Auch gab ich, fährt er fort, den Ärzten keine Veranlassung, sich damit zu brüsten, als hätten sie Wunder was an mir getan; vielmehr führte ich auch damals ein gutes und heiteres Leben.
42.
Jeder Fehlende aber irrt, insofern er sein Ziel verfehlt. Und nun, welchen Nachteil hast du dadurch erlitten? Du wirst finden, dass keiner von denen, über die du dich so sehr ereiferst, durch irgendeine seiner Übeltaten deine denkende Seele hat verschlechtern können.
Besonders aber, sooft du dich über Treulosigkeit und Undank von jemand zu beschweren hast, richte deinen Blick auf dein eigenes Innere.
Denn offenbar liegt hier der Fehler auf deiner Seite, wenn du einem Menschen von dieser Gesinnung zutrautest, dass er sein Wort halten werde, oder wenn du ihm nicht ohne allerlei Nebenabsichten eine Wohltat erzeigtest und nicht vielmehr in dem Gedanken, dass du von deiner Handlung selbst schon alle Frucht eingeerntet habest.
Denn was willst du noch weiter, wenn du einem Menschen eine Wohltat erwiesen hast? Genügt es dir nicht, dass du deiner Natur gemäß etwas getan hast, sondern verlangst du noch eine Belohnung dafür?
Des Kaisers Marcus Aurelius Antonius Selbstbetrachtungen
https://www.projekt-gutenberg.org/antonius/selbstbe/chap009.html
Neuntes Buch.
1.
Denn die Allnatur ist das Reich des Seienden. Das Seiende aber steht mit allem Vorhandenen in engster Verbindung. Ferner wird jene auch die Wahrheit selbst genannt und ist tatsächlich der Urquell alles Wahren.
3.
Wie du des Augenblicks harrst, wo das Kindlein aus dem Schoße deiner Gattin hervorgehen soll, ebenso sollst du die Stunde erwarten, da deine Seele aus dieser ihrer Hülle entweichen wird.
8.
Den vernunftlosen Wesen ist eine Seele, den vernünftigen aber eine denkende Seele zugeteilt, sowie es auch für alle Erdgebilde nur eine Erde gibt und wir alle, die wir sehend und belebt sind, von einem Lichte sehen und eine Luft einatmen.
9.
Alle Dinge, die irgend etwas Gemeinschaftliches haben, streben zur Vereinigung hin. Was von der Erde ist, neigt sich zur Erde.
Ebenso nun, oder auch noch mehr, strebt alles, was an der gemeinschaftlichen, vernünftigen Natur teil hat, seinem Ursprunge zu.
Die denkenden Wesen sind es nämlich jetzt allein, die dieses Zueinanderstreben und Zusammenhalten vergessen, und bei ihnen allein ist jenes Zusammenfließen nicht ersichtlich. Und doch – mögen sie sich immerhin fliehen, sie umschließen sich dessen ungeachtet. Denn die Natur behauptet ihr Herrscherrecht.
13.
Heute bin ich allen Hindernissen entgangen, oder richtiger gesprochen, habe ich alle Bedrängnisse zurückgewiesen; denn sie lagen ja nicht außer mir, sondern in mir, in meinen Vorurteilen.
18.
Dringe in das Innere der Menschenseelen ein, und du wirst sehen, vor was für Richtern du dich fürchtest, und was für Richter sie über sich selbst sind.
22.
Forschend wende dich deiner eigenen Seele, der Seele des Weltganzen und deines Nächsten zu: deiner eigenen Seele, um ihr Sinn für Gerechtigkeit einzuflößen, der Seele des Weltganzen, um dich zu erinnern, du seiest ein Teil davon, der Seele deines Nächsten, um zu erkennen, ob derselbe unwissentlich oder wissentlich gehandelt habe, und zugleich zu bedenken, dass sie der deinigen verwandt ist.
29.
Die Urkraft des Weltganzen ist wie ein gewaltiger Strom, der alles mit sich fortreißt. Wie unbedeutend sind selbst diejenigen Staatsmänner, die die Geschäfte nach den Regeln der Weltweisheit zu lenken wähnen! O Eitelkeit! Was willst du, Mensch? Tue doch, was gerade jetzt die Natur von dir fordert. Wirke, solange du kannst, und blicke nicht um dich, ob's einer auch erfahren wird. Hoffe auch nicht auf einen platonischen Staat, sondern sei zufrieden, wenn es auch nur ein klein wenig vorwärts geht, und halte auch einen solchen kleinen Fortschritt nicht für unbedeutend.
Wie steht's damit, ob sie den Willen der Allnatur erkannt haben und ihre eigenen Erzieher geworden sind? Haben sie aber nur eine Schauspielerrolle gespielt, so verdammt mich niemand dazu, sie ihnen nachzuspielen. Die Philosophie lehrt mich Einfachheit und Bescheidenheit; fort mit vornehm tuender Aufgeblasenheit!
30.
Wie von einer Anhöhe aus betrachte die unzähligen Volkshaufen mit ihren unzähligen Religionsgebräuchen, die Seefahrten nach allen Richtungen unter Stürmen und bei ruhiger See und die Verschiedenheiten zwischen den werdenden, mit uns lebenden und dahinschwindenden Wesen. Betrachte auch die Lebensweise, wie sie vormals herrschend war, wie sie nach dir sein wird und wie sie jetzt unter unkultivierten Völkerschaften herrscht. Ferner, wie viele nicht einmal deinen Namen kennen, wie viele ihn gar bald vergessen, wie viele, jetzt vielleicht deine Lobredner, nächstens deinen Tadel anstimmen werden, und wie weder der Nachruhm noch das Ansehen noch sonst etwas von allem, was dazu gehört, Beachtung verdient.
31.
Zeige Gemütsruhe den Dingen gegenüber, die von äußeren Ursachen herkommen, und Gerechtigkeit bei denen, die von deiner eigenen Tatkraft bewirkt werden, das heißt, dein Streben und Tun soll kein anderes Ziel haben als das allgemeine Beste; denn das ist deiner Natur gemäß.
32.
Viele unnötige Anlässe zu deiner Beunruhigung, die nur auf deiner falschen Vorstellung beruhen, kannst du aus dem Weg schaffen und dir selbst unverzüglich einen weiten Spielraum eröffnen; umfasse nur mit deinem Geiste das ganze Weltall, betrachte die ewige Dauer und dann wieder die rasche Verwandlung jedes einzelnen Gegenstandes; welch kurzer Zeitraum liegt zwischen der Entstehung und Auflösung der Geschöpfe; wie unermesslich ist die Zeit, die ihrer Entstehung voranging, wie unendlich gleicherweise die Zeit, die ihrer Auflösung folgen wird!
39.
Entweder ist ein denkendes Wesen die Urquelle, von der dem ganzen Weltall, als einem Körper, alles zuströmt, und alsdann darf sich der Teil über dasjenige, was zum Nutzen des Ganzen geschieht, nicht beklagen, oder das All ist ein Gewirr von Atomen, eine zufällige Mischung und dann wieder Trennung; wozu dann deine Unruhe? Sprich eben zu deiner Seele: Du bist tot, bist nur Schein und Verwesung, denkst nur wie ein Tier, deinen Hunger zu stillen und deine Bedürfnisse Zu befriedigen.
41.
Während meiner Krankheit, sagt Epikur, unterhielt ich mich nicht über meine körperlichen Leiden, auch sprach ich nicht mit denen, die mich besuchten, davon; vielmehr setzte ich meine früher angefangenen Naturforschungen fort und beschäftigte mich hauptsächlich mit der Frage, wie die denkende Seele, trotz ihrer Teilnahme an den Empfindungen des Körpers, unerschütterlich bleiben und das ihr eigentümliche Gut bewahren könne. Auch gab ich, fährt er fort, den Ärzten keine Veranlassung, sich damit zu brüsten, als hätten sie Wunder was an mir getan; vielmehr führte ich auch damals ein gutes und heiteres Leben.
42.
Jeder Fehlende aber irrt, insofern er sein Ziel verfehlt. Und nun, welchen Nachteil hast du dadurch erlitten? Du wirst finden, dass keiner von denen, über die du dich so sehr ereiferst, durch irgendeine seiner Übeltaten deine denkende Seele hat verschlechtern können.
Besonders aber, sooft du dich über Treulosigkeit und Undank von jemand zu beschweren hast, richte deinen Blick auf dein eigenes Innere.
Denn offenbar liegt hier der Fehler auf deiner Seite, wenn du einem Menschen von dieser Gesinnung zutrautest, dass er sein Wort halten werde, oder wenn du ihm nicht ohne allerlei Nebenabsichten eine Wohltat erzeigtest und nicht vielmehr in dem Gedanken, dass du von deiner Handlung selbst schon alle Frucht eingeerntet habest.
Denn was willst du noch weiter, wenn du einem Menschen eine Wohltat erwiesen hast? Genügt es dir nicht, dass du deiner Natur gemäß etwas getan hast, sondern verlangst du noch eine Belohnung dafür?