Antike Stoiker & neuzeitlicher Stoizismus

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ZITATE VON MARCUS AURELIUS ANTONIUS
Des Kaisers Marcus Aurelius Antonius Selbstbetrachtungen
Zwölftes Buch.
https://www.projekt-gutenberg.org/antonius/selbstbe/chap012.html

1.
Alles das, was du nach einiger Zeit zu erlangen wünschst, kannst du jetzt schon haben, wenn du nicht missgünstig gegen dich selbst bist. Und es wird dir werden, wenn du alles Vergangene beiseite lässt, das Zukünftige der Vorsehung anheimstellst und bloß das Gegenwärtige der Frömmigkeit und Gerechtigkeit gemäß einrichtest.

Lass denn, ohnedem schon dem Lebensausgang nahe, alles übrige dahingestellt, ehre einzig und allein die herrschende Vernunft und das Göttliche in dir, fürchte dich nicht vor dem einstigen Aufhören des Lebens, vielmehr nur davor, dass du ein naturgemäßes Leben noch nicht einmal begonnen hast.

2.
Alle Seelen sieht Gott in ihrer Nacktheit, ohne alle körperliche Hülle, Rinde und Unsauberkeit. Nur durch seinen Geist ist er mit dem in Berührung, was aus ihm selbst in sie übergeflossen und abgeleitet worden ist. Gewöhnst du dich daran, ebenso zu verfahren, so wirst du dir eine Menge Sorgen aus dem Wege räumen. Denn wer sich nicht viel um das Fleisch kümmert, von dem er umgeben ist, wird sich noch viel weniger um Kleidung, Wohnung, Ehre und allen solchen Schmuck und Pomp ängstigen.

3.
Eine gerundete Kugel, der wirbelnden Kreisbahn sich freuend, bist du darauf bedacht, nur die Zeit, die du lebst, das heißt die Gegenwart, ganz zu durchleben, so wird es dir möglich sein, den Rest deiner Tage bis zum Tode ruhig, edel und dem Genius in dir hold hinzubringen.

6.
Gewöhne dich auch an Dinge, an deren Ausführbarkeit du anfangs verzweifelst. Fasst ja auch die linke Hand, obgleich sie aus Mangel an Übung gewöhnlich schwächer ist, dennoch die Zügel kräftiger als die rechte; denn hierzu wird sie beständig gebraucht.

8.
Betrachte die Grundeigenschaften der Dinge sowie die Zwecke der Handlungen entkleidet von ihrer Umhüllung. Erwäge, was Unlust, was Lust, was Tod, was Ruhm sei und wie man an seiner Unruhe selbst schuld ist, wie niemand von einem andern gehindert werden kann und dass alles auf die Vorstellung ankommt.

9.
Bei Anwendung deiner Grundsätze musst du dem Ringer, nicht dem Zweikämpfer ähnlich sein. Dieser nämlich wird niedergestochen, sobald er sein Schwert verliert, jenem aber steht sein (angeborener) Arm immer zu Gebote, und er hat weiter nichts nötig als ihn recht zu gebrauchen.

14.
Entweder herrscht ein unvermeidlich notwendiges Schicksal und eine unverletzbare Ordnung der Dinge oder eine versöhnliche Vorsehung oder ein verworrenes, blindes Ungefähr. Herrscht nun eine unveränderliche Notwendigkeit, warum sträubst du dich dagegen? Herrscht aber eine Vorsehung, die sich versöhnen lässt, so mache dich des göttlichen Beistands würdig. Herrscht endlich ein blinder Zufall, so erfreue dich an dem Gedanken, dass du mitten in solch einem Wogensturm in dir selbst an der Vernunft eine Lenkerin hast. Und wenn dich auch die Strömung ergreift, so mag sie das bisschen Fleisch und Lebensgeist und alles andere mit sich fortreißen; kann sie ja doch die Vernunft nicht wegnehmen.

17.
Was nicht pflichtgemäß ist, das tue nicht; was nicht wahr ist, sage nicht; denn deine Willensrichtung ist ganz von dir abhängig.

18.
Unterlass nie zu untersuchen, was jenes gerade sei, das in dir eine Vorstellung erzeugt, indem du daran die Grundkraft, den Stoff, den Zweck und die Zeit, innerhalb deren es wieder aufhören muss, unterscheidest.

19.
Empfinde es doch endlich, dass du etwas Besseres und Göttlicheres in dir hast als das, was die Leidenschaften erregt und dich hin- und herzerrt wie der Draht die Marionetten. Denn was ist deine Seele? Besteht sie aus Furcht oder Argwohn oder Begierde oder etwas anderem der Art?

20.
Fürs erste handele nicht aufs Geratewohl, nicht ohne Zweck, zum andern richte deine Endabsicht auf nichts anderes als auf das Gemeinwohl.

22.
Alles ist Meinung, und diese hängt ganz von dir ab. Räume also, wenn du willst, die Meinung aus dem Wege, und gleich dem Seefahrer, der eine Klippe umschifft hat, wirst du unter Windstille auf ruhiger See in den sicheren Hafen einfahren.

23.
Jegliche Tätigkeit, die zur bestimmten Zeit ihr Ende erreicht, erleidet durch das Aufhören keinen Schaden. Ebenso wenig erleidet der, der sich hierbei tätig gezeigt hat, durch diese Beendigung einen Nachteil. Folglich erleidet der Inbegriff aller Tätigkeitsäußerungen, die wir das Leben nennen, durch ebendiese Beendigung keinen Nachteil, und so ist auch der, der zu seinerzeit diese Reihe geschlossen hat, hierdurch in keine schlimme Lage versetzt worden, denn jene Zeit und diese Lebensgrenze weist die Natur an und zwar zuweilen, wenn sie erst im Greisenalter eintritt, zugleich die eigene Natur des Menschen, jedes Mal aber jene Allnatur.
So ist auch der ein von Gott Geführter, der sich von Gott auf dessen Wegen und mit seiner Gesinnung zu gleichen Zielen führen lässt.

24.
Wenn du, plötzlich über die Erde emporgerückt, von oben herab auf die Menschenwelt herniederschauen, den großen, vielgestaltigen Wechsel in derselben wahrnehmen und zugleich den ganzen Umkreis luftiger und ätherischer Wesen mit einem Blicke übersehen könntest, dass du dennoch, sage ich, sooft du emporgerückt würdest, immer wieder dasselbe, nämlich alles gleichförmig und kurzdauernd finden müsstest. Und hierauf dürftest du stolz sein.

25.
Mache dich nur von den Vorurteilen los, und du bist gerettet. Wer hindert dich aber, dich davon loszumachen?

26.
Beklagst du dich über irgend etwas, so hast du vergessen, dass alles sich der Allnatur gemäß ereignet und dass fremde Vergehen dich nicht anfechten sollen; ferner vergessen, dass alles, was geschieht, immer so geschehen ist, immer so geschehen wird und überall jetzt so geschieht; vergessen, welch innige Verwandtschaft zwischen dem einzelnen Menschen und dem ganzen Menschengeschlecht besteht; denn hier findet nicht sowohl eine Gemeinschaft von Blut oder Samen als vielmehr Teilhaftigkeit einerlei Geistes statt. Du hast aber auch vergessen, dass der denkende Geist eines jeden gleichsam ein Gott und ein Ausfluss der Gottheit ist; vergessen, dass niemand etwas ihm ausschließlich Eigenes besitzt, sondern sein Kind sowohl als sein Leib und selbst seine Seele aus jener Quelle ihm zugekommen ist; vergessen endlich, dass jeder nur den gegenwärtigen Augenblick lebt und folglich auch nur diesen verliert.

29.
Bei jedem Gegenstande zu sehen, was er im ganzen, was er nach seinem Stoffe, was weiter nach seiner Wirkungskraft sei, von ganzer Seele das Rechte tun und das Wahre reden: darauf beruht die Glückseligkeit des Lebens. Reihst du dergestalt Gutes an Gutes, ohne den mindesten Zwischenraum zu lassen, was anderes ist dann die Folge hiervon als froher Lebensgenuss?

31.
Was wünschst du? Länger zu leben? Das heißt zu empfinden? Dich zu bewegen? Zu wachsen? Wiederum stille zu stehen? Deine Stimme zu gebrauchen? Nachzudenken? Was von allem diesem scheint dir so wünschenswert? Ist aber eines wie das andere geringfügig, so wende dich dem letzten Ziele zu, dem Gehorsam gegen die Vernunft und gegen die Gottheit. Der Verehrung dieser widerspricht es jedoch, wenn man sich von dem Gedanken gedrückt fühlt, durch den Tod der erstgenannten Dinge beraubt zu werden.

32.
Welch kleines Teilchen der unendlichen und unermesslichen Zeit ist jedem von uns zugemessen und wie plötzlich wird es wieder von der Ewigkeit verschlungen! Was für ein winziges Teilchen ist der Mensch im Verhältnis zum Weltganzen, welch kleines Teilchen von der ganzen Weltseele! Wie klein ist endlich das Erdklümpchen, auf dem du umherkriechst! Dies alles bedenke und halte dann nichts für groß als das: zu tun, wie deine Natur dich leitet, und zu leiden, wie die Allnatur es mit sich bringt.

35.
Wer das, was die Zeit schickt, für gut hält, wem es gleichgültig ist, ob er eine größere oder kleinere Zahl vernunftgemäßer Handlungen aufzuweisen hat, wer zwischen einer länger oder kürzer dauernden Betrachtung der Welt keinen Unterschied macht, der sieht dem Tod nicht mit Schrecken ins Angesicht.

36.
Es ist nichts anderes, als wenn ein Schauspieler durch denselben Prätor, der ihn angestellt hat, wieder entlassen wird. – »Aber ich habe nicht fünf Akte gespielt, sondern erst drei.« – Wohl gesprochen; doch im Leben sind drei Akte schon ein ganzes Stück. Denn den Schluss bestimmt derjenige, der einst das Gesamtspiel einrichtete und es heute beendet; weder das eine noch das andere hängt von dir ab. So scheide denn freundlich von hier; auch er, der dich entlässt, ist freundlich.
 
Der Stoizismus liegt wie der Minimalismus im Trend aufgrund der heutigen Reizüberflutung und nimmersatten Konsumgesellschaft sowie einer zunehmenden Entfremdung im spirituellen und religiösen Bereich. Der antike Stoizismus entwickelte sich in einer ähnlichen Umbruchzeit. Der Götterglaube wurde zunehmend rational umgedeutet, die damalige Zivilisation in Athen und Rom verfiel einer Dekadenz.

https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/53988/

Ich zitiere folgende Stelle: https://www.bibelwissenschaft.de/wi...stoa/ch/55877e3095d3bc552c13d2af7357b693/#h15

"Stoa und Gnosis können als Reaktion auf die griechisch-römische Globalisierung gedeutet werden: Erstere reagiert darauf mit einem Akkomodationsprogramm, letztere mit einer radikalen Verweigerungstheorie (Kraft, 28)."

Akkomodation bedeutet im Stoizismus keine völlige Ablehnung der Welt, aber den Rückzug in die eigene Innenwelt (Konzentration auf eigene Intuition) als Anpassungsreaktion auf die damalige Globalisierung und Dekadenz.
 
Ich finde es plausibel, vor allem weil der biblische König Salomo ebenfalls ziemlich dekadent lebte (mitunter der Reizüberflutung vieler Religionen ausgesetzt) und deshalb im Alter auch stoizistisch reagierte (biblisches Buch der Prediger).
 
XIX.

"Denke nicht, wenn dir etwas schwer fällt, es sei nicht menschenmöglich. Und was nur irgendeinem Menschen möglich und geziemend ist, davon sei überzeugt dass es auch für dich erreichbar sein wird."

XXII.

"Ich suche das meinige zu tun: alles übrige, alles was leblos oder vernunftlos oder seines Weges unkundig und verirrt ist, geht mich nichts an und kann mich nicht verwirren."


Finde den Fehler ....
 
Finde den Fehler ....

Was meinst Du konkret? Welchen Kontext willst Du herstellen zwischen zwei isolierten Zitaten, die nicht zusammengehören? Es wäre auch gut, wenn Du die Quelle angibst, d. h. den Ursprungsbeitrag, sonst weiß ich nicht, welche Stelle Du aus dem Werk von Aurelius meinst. Es hat 12 Seiten (bzw. 12 Bücher) mit vielen Unterziffern.
 
Was meinst Du konkret? Welchen Kontext willst Du herstellen zwischen zwei isolierten Zitaten, die nicht zusammengehören? Es wäre auch gut, wenn Du die Quelle angibst, d. h. den Ursprungsbeitrag, sonst weiß ich nicht, welche Stelle Du aus dem Werk von Aurelius meinst. Es hat 12 Seiten (bzw. 12 Bücher) mit vielen Unterziffern.

Sind die Texte wirklich so isoliert voneinander? Sie stehen zumindest untereinander in einer Aufzählung, die ja etwas vermitteln will - nehm ich an.

Der zweite Text sagt aus, dass alles was nicht das Meinige ist, leblos, vernunftlos, unkundig und verirrt ist und mich nichts angeht.

Der erste Text sagt, dass alles was auch andere machen, für mich gut und erreichbar sein kann.

So ist es mir zumindest aufgefallen.
 
Der erste Text sagt, dass alles was auch andere machen, für mich gut und erreichbar sein kann.

Nein, das steht dort nicht. Es geht um die Zielsetzung. Was der eine Mensch erreichen kann, ist grundsätzlich auch für einen anderen möglich als Zielerreichung.

Es sind völlig verschiedene Themen. Da ich nicht weiß, woraus Du zitiert hast, kann ich nicht mehr dazu sagen, aber die Nummern sind auch nicht gleich nacheinander, außerdem trennen die Nummern ja schon die Themen, sonst wäre alles unter der gleichen Ziffer.
 
Nein, das steht dort nicht. Es geht um die Zielsetzung. Was der eine Mensch erreichen kann, ist grundsätzlich auch für einen anderen möglich als Zielerreichung.

Es sind völlig verschiedene Themen. Da ich nicht weiß, woraus Du zitiert hast, kann ich nicht mehr dazu sagen, aber die Nummern sind auch nicht gleich nacheinander, außerdem trennen die Nummern ja schon die Themen, sonst wäre alles unter der gleichen Ziffer.


Ich hab aus deinem Post zitiert und die Nummern waren nacheinander.

Aber vielleicht interpretierst du das anders - mag ja sein. Ich seh die beiden Texte halt stark gegensätzlich. wobei mir der zweite Text allein schon merkwürdig erscheint.
 
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Okay, ich habe es gefunden. Wichtig ist, dass Du richtig zitierst, damit ich im Originallink nachschauen kann. Das wäre hier

ZITATE MARCUS AURELIUS STOIZISMUS
Marcus Aurelius: Selbstbetrachtungen

Selbstbetrachtungen. Sechstes Buch.
http://www.philosophie-der-stoa.de/selbstbetrachtungen-6.php

XIX.

"Denke nicht, wenn dir etwas schwer fällt, es sei nicht menschenmöglich. Und was nur irgendeinem Menschen möglich und geziemend ist, davon sei überzeugt dass es auch für dich erreichbar sein wird."

XXII.

"Ich suche das meinige zu tun: alles übrige, alles was leblos oder vernunftlos oder seines Weges unkundig und verirrt ist, geht mich nichts an und kann mich nicht verwirren."
 
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