Antike Stoiker & neuzeitlicher Stoizismus

Evatima

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ZITATE MARCUS AURELIUS STOIZISMUS
Marcus Aurelius: Selbstbetrachtungen

Selbstbetrachtungen. Fünftes Buch.
http://www.philosophie-der-stoa.de/selbstbetrachtungen-5.php

IX.

"Meine nicht, dass die Philosophie ein Zuchtmeister sei. Greife zu ihr nur so wie die Augenkranken zum Schwamm oder zum Ei, wie andere zum Pflaster oder zum Aufguss. Denn nichts wird dich zwingen, der Vernunft zu gehorchen. Man muss sich ihr viel mehr vertrauensvoll hingeben."

Hallo zusammen!

Die Philosophie der antiken Stoiker ist mir als neuzeitliche Interpretation des Stoizismus tatsächlich eine angenehme seelische Medizin geworden, die sich bei mir sogar körperlich positiv auswirkt, wie ich gerade heute merke, ebenso auch im Umgang mit schwierigen Angehörigen.

Es hilft mir, mich innerlich zu entlasten und räumt auf mit meinen persönlichen Diskrepanzen zu den Religionen, von denen ich mich entfernt habe, auf stoische Weise, ohne dass ich meinen Glauben verloren hätte, ganz im Gegenteil. Aber ich habe meinen individuellen Glauben gefunden und der sympathisiert mit dem Stoizismus, so wie viele Religionen und Religiöse. Sobald ich mich irgendwie belastet fühle, hilft es mir, stoizistische Texte und Zitate zu lesen. Deshalb eröffne ich hiermit diesen Thread! :)
 
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Die philosophischen Stoiker der Antike (wie Epiktet) zu Zeiten des Urchristentums (um 80 n. Chr.) haben sich eingehend mit Sein und Schein beschäftigt. Da ich unnütze Gedankengänge abbauen will, um den Kopf vor Reizüberflutung zu schützen und mich auf das wirklich Wesentliche zu konzentrieren, habe ich auch diesbezüglich einiges recherchiert und für mich an Erkenntnis dazugewonnen. Es wäre zu viel Stoff, meine Notizen hier in aller Breite wiederzugeben.

Meine Gedanken und Worte gehen meiner Umsetzung immer voraus. Wie ein befreundeter Rabbi mir einmal sagte, formen die Gedanken doch sehr stark das Leben, sie bauen das Leben mit der Zeit um. Und auf einmal wird es gelebt, wenn es wirklich von innen kommt.

Nachdem ich meine persönliche Ziel- und Handlungsanleitung abgeschlossen habe und kein Wort mehr fehlt, ging ich an die Umsetzung und ließ sehr viele Gedanken los, die mich nur ablenken und unnötige illusorische Welten nähren. Ich bin nicht mehr bereit, mir dadurch Energie entziehen zu lassen. Es geht mir um die gelebte Transzendenz. So folge ich ganz meiner Intuition, so wie ich es bereits bei der Niederschrift meiner persönlichen Anleitung tat.
 
Ich fasse das für mich Wesentlichste punktuell zusammen: Epiktet war ein bedeutender antiker Philosoph sowie pragmatischer Ethiker und Theologe (geboren 50 n. Chr. in Hierapolis/Phrygien), der als Sklave in Rom mit den stoischen Lehren in Berührung kam. Von dort vertrieben gründete er daraufhin eine Philosophenschule in Nikopolis, wo er 138 n. Chr. starb in Epirus. Epiktet lehrte eine wertneutrale Betrachtungsweise, die es dem Menschen erlaubt, selbst zu entscheiden, welcher Wert er den Dingen beimisst, um sich nicht von den an sich wertneutralen Dingen und Zuständen des Lebens bestimmen zu lassen. Epiktet gab der angewandten Ethik den Vorzug gegenüber einer rein theoretischen Logik. Durch diese innere Synchronisierung mit der wertneutralen Gegenständlichkeit wird das Leiden der innerseelischen Diskrepanz aufgelöst und es entsteht Übereinstimmung, Frieden und Glücksempfinden, ein versöhnliches, dankbares Einssein zwischen Innen und Außen sowie dem Göttlichen.

Erstaunlich ist, dass ich unabhängig davon vorgängig ähnliche Gedankengänge in meiner persönlichen Ziel- und Handlungsanleitung niederschrieb, aber die Recherche zu Epiktet half mir, diesen Aspekt noch besser zu verankern und zu vertiefen. Es zeigt aber auch, wie gut und ausreichend meine Intuition das alles vorher eigenständig erfasst hatte und es wirklich nur noch um die Umsetzung geht, was ja gerade Epiktet auch besonders betonte. Am Bergfuß ist die Basis noch breit und uneindeutig, die große Suche, viel Wissen, viel Theorie. Je höher du steigst, desto weniger Fragen hast du, dann geht´s in die Umsetzung des Wesentlichen bis in die höheren Dimensionen.
 
Stoische Präsenz und Achtsamkeit

Um eine Aufgabe im Leben sinnvoll zu erleben und selbstführend zu gestalten, braucht es eine innere Sicherheit und Souveränität, die sich von äußeren Faktoren unabhängig macht. Diese innere Sicherheit wird durch intuitive Stimmigkeit und Konsistenzerfahrungen hergestellt, was Orientierung gibt. Dies fördert wiederum das Selbstvertrauen und das Vertrauen in eine versteh- und bewältigbare Welt, die in einem sinnvollen Kontext der Ordnung und Zugehörigkeit steht, wodurch die damit verbundene Anstrengung und Veränderungsbereitschaft einen Kohärenzsinn ergibt, dabei gleichzeitig die angstvolle Kontrollsucht abbaut und das perfektionistische Streben nach Erkennen der Komplexität reduziert. Dieses innere Sicherheitsgefühl wird gesteigert durch eine wertneutrale und angstfreie stoische Präsenz und Achtsamkeit.

Annehmen ist das Zauberwort. Das ist gerade bei den Stoikern so wichtig. Aber zuerst muss ich innerlich aufräumen, damit ich nicht zu viel auf einmal sehe. Sonst geht das mit dem Annehmen der vor mir liegenden unliebsamen Aufgaben nicht wirklich.

Die Philosophie des Minimalismus, welche ja derzeit sehr im Trend ist, befasst sich auch mit der Ordnung der innerseelischen Räume, dem Abbau von Reizüberflutung, der Reduktion auf das Wesentliche und Überschaubare. Auch das nahm ich neben der äußeren Ordnung in Angriff. Die Ideen der alten Philosophen Griechenlands waren mir dabei eine große Hilfe, als es an die innere Substanz ging, um den unnötigen Überbau an Überzeugungen und Vorurteilen loszulassen, vor allem die Stoiker (Epiktet, Marcus Aurelius) kann ich da wie eingangs erklärt sehr empfehlen.

Es geht darum zu sehen, was IST, und den Ballast an antrainierten Vorurteilen, übernommenen Überzeugungen und konditionierten Ängsten zu den Dingen und Situationen loszulassen. Dadurch bekam ich eine Menge neuen inneren Freiraum und größere Bewegungsfreiheit im Denken zurück. Wie bereits Freiraum in der Wohnung äußerst wertvoll ist, so auch Freiräume im Innerseelischen, es ent-lastet, reduziert Ängste und ermöglicht auch mehr Sichtweite in einer dadurch "unverstellten" spirituellen Wahrnehmung.
 
Hallo @Evatima...

Schön Dich hier zu lesen. Wenn ich Deine Worte so lese, finde ich mich in diesen wieder, wie z. B.:

... und da liegt ja die Essenz... unser aller Essenz... in unserem Inneren, unserer Seele.

Bin gern dabei, tiefer einzusteigen...

Freut mich sehr, Elementezauber!
Ich lese Deine sensitiven Texte immer gern. Ich glaube, wir haben einiges gemeinsam. :)
 
Stoische Herangehensweise

Es geht allgemein um eine vorurteilsfreie Herangehensweise,
also darum,
einer Herausforderung jeweils anders zu begegnen,
wertfrei, entspannt, stoisch.

Und ich muss konditionierte Versagensängste abbauen,
die mich unnötig ausbremsen
und die Aufgabenkonfrontation phobisch aufladen.

Außerdem geht es darum,
von der Gesellschaft übernommene Überzeugungen und Normen loszulassen,
nämlich immer allen alles recht machen zu wollen,
perfekt zu funktionieren im eigenen Umfeld.
Die eigenen und fremden Erwartungen sind oft stark überhöht
und müssen notgedrungen abgebaut werden.


Entwickle für Dein Ziel eine klare Vision (wie ein Schiff)
und behalte diese im Fokus,
indem Du Ablenkungen davon loslässt.

"Wenn Du ein Schiff bauen willst,
dann trommle nicht Männer zusammen,
um Holz zu beschaffen,
Aufgaben zu vergeben
und die Arbeit einzuteilen,
sondern lehre die Männer die Sehnsucht
nach dem weiten, endlosen Meer."
Antoine de Saint-Exupery

“Wenn auf einer Seefahrt das Schiff am Lande hält
und du steigst aus, um Wasser zu holen,
so magst du wohl nebenher eine Muschelschale auflesen
oder einen Tintenfisch;
dein Augenmerk aber muss aufs Schiff gerichtet sein,
und du musst dich immer wieder umsehen,
ob nicht vielleicht der Steuermann ruft.
Ruft er dich, so musst du alles liegen lassen,
damit du nicht gebunden in das Schiff geworfen wirst,
wie es mit den Schafen geschieht.”
Epiktet


https://medium.com/@oollidigital/was-ist-stoizismus-reduktion-von-komplexität-4c0089e21f8c
Stoizismus und die Reduktion von Komplexität
im Projektmanagement und Leben:

“Lass dich nicht durch die Vorstellung deines Lebens
*in seiner Gesamtheit* entmutigen!
Fasse nicht *alle* Leiden, welche vielleicht noch an dich kommen können,
nach Beschaffenheit und Menge *auf einmal* in Gedanken zusammen,

sondern frage dich vielmehr bei jedem gegenwärtigen Vorfalle:
Was ist denn daran eigentlich so gar nicht zu ertragen und auszuhalten?

Erinnere dich ferner, dass weder das Zukünftige noch das Vergangene,
sondern immer nur das Gegenwärtige dich drücken könne,
letzteres aber vermindert werde, wenn du *es allein* ins Auge fasst
und deine denkende Seele davon überführst,
dass sie nicht einmal diese *kleine Bürde* aushalten könne."
— Marcus Aurelis 8.36

“Mach den Einbildungen ein Ende!
Hemme den Zug der Leidenschaften!
Behalte die Gegenwart in deiner Gewalt!
Mache dich mit dem, was dir oder einem anderen begegnet, vertraut.
Trenne und zerlege jeden Gegenstand in seine Ursache und seinen Stoff!”
— Marcus Aurelius 7.29​
 
Zuletzt bearbeitet:
Historischer Hintergrund des Stoizismus

Epiktet war ja ein antiker Philosoph und bedeutender Stoiker zur Zeit des Frühchristentums. Ebenso wurde Aurelius ein bekannter Vertreter des damaligen Stoizismus (Gelassenheit), eine Philosophie, die das Leben in seiner Komplexität (Vielschichtigkeit) vereinfachen hilft, um die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche im Leben hinzulenken.

Der Stoizismus bietet gute Lösungen, denn es geht darin vor allem um das Loslassen von unnötig belastenden und kontraproduktiven Sichtweisen. Man kann ziemlich viel erreichen, wenn man mental geklärt ist. Und dabei hilft mir eben die Klarsicht des Stoizismus.

Vor allem Epiktet geht darin sehr weit als ehemaliger Sklave, der sich seine innere Freiheit in stoischer Ruhe bewahren konnte trotz vielen widrigen äußeren Umständen. Er hat sein Leben sehr stark vereinfacht auf das Wesentliche und sich so neue Handlungsräume geschaffen durch den Abbau der Fesseln, worin wir uns alle unbewusst legen lassen durch die Gesellschaft und den Konsum. Er räumte sein Leben auf, innerlich und äußerlich, und fand eine eigene Übersicht und beherrschbare Ordnung für sein Leben und Umfeld. Genau das will ich für mich auch erreichen.

Mein eigenes Glaubens- und Lebenskonzept weist viele erstaunliche Parallelen mit traditionell gegebenen Weisheitslehren auf und findet sich auch bei anderen Spirituellen wieder (dazu gehören die antiken Stoiker), womit eine gewisse allgemein bestehende Grundwahrheit sich über viele Kanäle des Göttlichen manifestiert. Das ermöglicht es mir deshalb, auch im geistigen Bereich aufzuräumen und loszulassen.

Ich habe viel zum Stoizismus gelesen und gelernt. Es wirkte auf mich einerseits stark desillusionierend, weil der Mensch dort in seiner ganzen Bedeutungslosigkeit realistisch dargestellt und heruntergebrochen wird, um andererseits den stoischen Weg der inneren Freiheit aufzuzeigen. Ich fand durchgängig Parallelen zu meiner eigenen Sichtweise, geprägt durch das Vorbild meiner überaus gewissenhaften Mutter sowie durch meine Strategie des "Überlebens" in einem vereinnahmendem Umfeld. Stoizismus war also immer mein ungewöhnlicher Weg. Dass mein natürlich gewählter Weg einer antiken Philosophie entspricht, fiel mir bisher nicht auf. Ich suchte eher in psychologischen oder gleich in religiösen Themen nach Übereinstimmungen und die gibt es auch. Die fehlenden Puzzle-Teile hab ich jetzt für mich zusammen. Das stärkt mich.

In diesem Zusammenhang ist interessant, wie aktuell der Stoizismus gerade heute wird als Bewusstwerdungsstufe. Es gibt sehr viele Webseiten, die sich damit befassen, auch in einer Art von Selbstcoaching. Das ist nicht Zufall, denn der Stoizismus begründete letztlich die moderne Naturwissenschaft und löste sich immer mehr von den mythischen Lehren der Götter, die in eine Parallelwelt separiert wurden. Die strafenden Götter wurden ihrer Allmacht enthoben.

Zu dieser Zeit trat dann auch der christliche Paulus nach Athen und verkündete den Gelehrten einen liebenden einzigen Gott (Apostelgeschichte 17). Es gibt starke Verflechtungen zwischen dem Frühchristentum und dem zeitgenössischen frühen Stoizismus. Jesus trägt viele Züge der Stoiker. Es gibt auch Vorgänger des Stoizismus im Judentum: Hiob (das älteste Buch der hebräischen Bibel), Salomo (Prediger).

Dadurch kann ich jetzt alles viel besser innerlich auf einen sinnvollen gemeinsamen Nenner bringen ohne Trennung durch die unnötige Betonung von Unterschieden. Der Stoizismus ist anschlussfähig für viele Religionen, kann aber auch auf agnostische Weise offen gelassen werden. Es war damals gerade eine Umbruchphase, die Götterwelt wurde entleert und die Ein-Gott-Lehre verdrängte zunehmend die Götterlehren. Der Stoizismus von Marcus Aurelius wurde in Rom durch das Christentum abgelöst bzw. das Christentum adaptierte den anschlussfähigen Stoizismus.

Der Stoizismus zeigt die harten, unbeschönigten Fakten der Realität, denen man sich stellen sollte, um ganz bei sich zu sein. Ich musste beim Lesen der stoischen Schriften oft nicken, dies jedoch eher desillusioniert darüber, dass meine kritische Sichtweise sich darin bestätigt wiederfindet. Das ist so, als würde ich die Defizite meines Lebens aufzählen (z. B. dass ich alt bin und nicht mehr viel Zeit habe) und ein Anderer käme dazu und sagt: Du hast Recht. Das sind genau die Defizite in Deinem Leben. Akzeptiere es!

Der Mensch wird in seiner Bedeutung heruntergebrochen (Illusionisten würden von Abwertung sprechen, aber es ist einfach die nüchterne Wahrheit), sodass letztlich nur ein nüchternes, gottwohlgefälliges, minimalistisch bescheidenes Leben sinnvoll erscheint mit der Option der inneren Freiheit, die einem niemand nehmen kann. Das erinnert mich auch an Victor Frankl und sein Holocaust-Buch "trotzdem Ja zum Leben sagen".
 
ZITATE MARCUS AURELIUS STOIZISMUS
Marcus Aurelius: Selbstbetrachtungen

http://www.philosophie-der-stoa.de/selbstbetrachtungen-4.php
Selbstbetrachtungen. Viertes Buch. Aus: Innerlicher Rückzug III.
"Man liebt es, sich zuzeiten aufs Land, ins Gebirge, an die See zurückzuziehn. Auch du sehnst dich vielleicht dahin. Im Grunde genommen aber steckt dahinter eine große Beschränktheit. Es steht dir ja frei, zu jeglicher Stunde dich in dich selbst zurückzuziehn, und nirgends finden wir eine so friedliche und ungestörte Zuflucht als in der eignen Seele, sobald wir nur etwas von dem in uns tragen, was wir nur anzuschauen brauchen, um uns in eine vollkommen ruhige und glückliche Stimmung versetzt zu sehen-eine Stimmung, die nach meiner Ansicht freilich ein anständiges, sittliches Wesen bedingt. Auf diese Weise also ziehe dich beständig zurück, um dich immer wieder aufzufrischen. Einfach und klar und bestimmt aber seien jene Ideen, die aus deiner Seele so manches hinweg spülen, wenn du sie dir vergegenwärtigst, und dir eine Zuflucht schaffen sollen, aus der du nicht schlecht gelaunt zurückkehrst. Und was sollte dich auch dann verdrießen? "Die Schlechtigkeit der Menschen?"

http://www.philosophie-der-stoa.de/selbstbetrachtungen-5.php
Selbstbetrachtungen. Fünftes Buch. Aus: Sich den hinderlichen Mitmenschen entziehen XX.
"Das Gesetz, das uns vorschreibt, den Menschen wohl zu tun und sie zu ertragen, macht sie uns zu den am meisten befreundeten Wesen. Insofern sie uns aber hinderlich werden können, das uns Gebührende zu tun, ist mir der Mensch etwas ebenso Gleichgültiges wie die Sonne, der Wind, das Tier. Nur dass sich ihrem verderblichen Einflusse ja eben entgegentreten lässt. Man entziehe sich ihnen oder suche sie umzuwandeln, so geschieht unserem Streben und unserer Neigung kein Eintrag. Auf diese Weise verwandelt und bildet die Seele ein Hindernis unseres Willens um in sein Gegenteil: was unser Werk aufhalten sollte, gestaltet sich selbst zum guten Werke, und ein Weg öffnet sich eben da, wo uns der Weg versperrt ward."

http://www.philosophie-der-stoa.de/selbstbetrachtungen-6.php
Selbstbetrachtungen. Sechstes Buch. Aus: Marc Aurel über Chaos und Kosmos X.
"Entweder es ist alles ein Ergebnis des Zufalls, Verflechtung und Zerstreuung, oder es gibt eine Einheit, eine Ordnung, eine Vorsehung. Nehme ich das erstere an, wie kann ich wünschen in diesem planlosen Gemisch, in dieser allgemeinen Verwirrung zu bleiben? Was könnte mir dann lieber sein, als so bald wie möglich Erde zu werden? Denn die Auflösung wartete meiner, was ich auch anfinge. Ist aber das andere, so bin ich mit Ehrfurcht erfüllt und heiteren Sinnes und vertraue dem Herrscher des Alls.
XI.
"Wenn in deiner Umgebung etwas geschieht, was dich aufbringen und empören will, so ziehe dich rasch in dich selbst zurück, und gib den Eindrücken, die deine Haltung aufs Spiel setzen, dich nicht über Gebühr hin. Je öfter wir die harmonische Stimmung der Seele wiederzugewinnen wissen, desto fähiger werden wir, sie immer zu behaupten."


ZITATE MARCUS AURELIUS STOIZISMUS
Marcus Aurelius: Selbstbetrachtungen

http://www.philosophie-der-stoa.de/selbstbetrachtungen-4.php
Selbstbetrachtungen. Viertes Buch.

XX.

"Jegliches Schöne ist schön durch sich selbst und in sich vollendet, so dass für ein Lob kein Raum in ihm ist. Wird es doch durch Lob weder schlechter noch besser. Dies gilt auch von dem, was man in der Regel schön nennt, von dem körperlich Schönen und den Werken der Kunst. Das wahrhaft Schöne bedarf des Lobes ebensowenig als das göttliche Gesetz, die Wahrheit, die Güte, die Scham. Oder vermag daran etwa das Lob zu bessern oder der Tadel zu verderben? Wird die Schönheit des Edelsteins, des Purpurs, des Goldes, des Elfenbeins, die Schönheit eines Instruments, einer Blüte, eines Bäumchens geringer dadurch, dass man sie nicht lobt?"

XIV.

"Nur auf wenig Dinge, heißt es, darf sich deine Tätigkeit erstrecken, wenn du dich wohl befinden willst. Aber wäre es nicht besser, sie auf das Notwendige zu richten? auf das, was wir als Wesen, die auf das Leben in Gemeinschaft angewiesen sind, tun sollen? Denn das hieße nicht bloß das Vielerlei, sondern auch das Schlechte vermeiden und müsste uns also doppelt glücklich machen. Gewiss würden wir ruhiger und zufriedener sein, wenn wir das meiste von dem, was wir zu reden und zu tun pflegen, als überflüssig ließen. Ist es doch durchaus notwendig, dass wir in jedem einzelnen Falle, ehe wir handeln, eine Stimme der Warnung vernehmen; und sollte die von etwas ausgehen künnen, das an sich selbst unnötig ist? Zuerst aber befreie deine Gedanken von allem, was unnütz ist, dann wirst du auch nichts Unnützes tun."

XLIX.

"Wie der Fels im Meere, an dem die Wellen unaufhörlich rütteln, steht, so dass ringsum der Brandung Ungestüm sich legen muss, so stehe auch du! Nenne dich nicht unglücklich, wenn dir ein "Unglück" widerfuhr! Nein, sondern preise dich glücklich, dass, obwohl es dir widerfahren ist, der Schmerz dir doch nichts anhat und weder Gegenwärtiges dich mürbe machen, noch die Zukunft dich ängstigen kann.

Jedem könnte es begegnen, aber nicht jeder hätte es so ertragen. Und warum nennst du das eine ein Unglück, das andere ein Glück? Nennst du nicht das ein Unglück für den Menschen, was ein Fehlgriff seiner Natur ist? Aber wie sollte das ein Fehlgriff der menschlichen Natur sein können, was nicht wider ihren Willen ist? Und du kennst doch ihren Willen? Kann dich denn irgendein Schicksal hindern, gerecht zu sein, hochherzig, besonnen, klug, selbständig in deiner Meinung, wahrhaft in deinen Reden, sittsam und frei in deinem Betragen, hindern an dem, was, wenn es vorhanden ist, so recht dem Zweck der Menschennatur entspricht? So oft also etwas Schmerzhaftes dir nahe tritt: denke, es sei kein Unglück; aber ein Glück ist, es mit edlem Mut zu tragen."

LI.

"Immer wandle den kürzesten Weg, den du zu gehen hast! Er ist der natürliche. Man folgt da im Reden und Tun nur der gesunden Vernunft. Du wirst dich auf diese Weise von mancher Sorge und von manchem Ballast befreien."
 
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ZITATE MARCUS AURELIUS STOIZISMUS
Marcus Aurelius: Selbstbetrachtungen

Selbstbetrachtungen. Fünftes Buch.
http://www.philosophie-der-stoa.de/selbstbetrachtungen-5.php

I.

"Sieh alle Kreaturen, die Sperlinge, die Ameisen, die Spinnen, die Bienen, wie jedes sein Werk vollbringt und jedes in seiner Weise an der Aufgabe des Ganzen arbeitet! "

"Denn sobald solche Leute ihrem Beruf mit Eifer hingegeben sind, liegt ihnen am Essen und Schlafen weit weniger, als daran, dass sie es weiter bringen in dem, was ihres Amtes ist."

II.

"Es ist wahrlich nicht so schwer, jeden beunruhigenden und unziemlichen Gedanken, der sich aufdrängt, wieder loszuwerden und zu vergessen, so dass die vollkommene Stille und Heiterkeit des Gemüts gleich wiederhergestellt ist."

Sein eigener Richter sein
XIV.

"Die Vernunft und die Lebenskunst sind Kräfte, die sich selbst genügen und die keinen andern Richter über ihre Äußerungen haben als sich selbst. Sie haben ihr Prinzip und ihre Ziele in sich, und richtig heißen ihre Handlungen, weil durch sie der rechte Weg offenbar wird."

XVI.

"Wie die Gedanken sind, die du am häufigsten denkst, ganz so ist auch deine Gesinnung. Denn von den Gedanken wird die Seele gesättigt. Sättige sie also mit solchen wie die: dass man, wo man auch leben muss, glücklich sein könne; dass alles um irgendeiner Sache willen gemacht sei, und wozu es gemacht sei, dahin werde es auch getragen, und wohin es getragen werde, da liege auch der Zweck seines Daseins, wo aber dieser, da sei auch das ihm Zuträgliche und Heilsame."

XIX.

"Die Umstände sind es nun einmal durchaus nicht, wodurch die Seele berührt wird; sie haben keinen Zugang zu ihr und können sie weder umstimmen, noch irgend bewegen. Die Seele stimmt und bewegt sich einzig selber, und je nach dem Urteil und der Auffassung zu der sie es bringen kann, gestaltet sie die Dinge, die vor ihr liegen."

XXI.

"Dem, was das Beste in der Welt ist, dem Wesen nämlich, das alles hat und alles verwaltet, gebührt unsere Ehrfurcht. Nicht minder aber auch dem, was das Beste in uns ist. Es ist jenem verwandt, da ja auch in uns etwas ist, was alles andere hat und wovon dein ganzes Leben regiert wird."

XXIII.

"Denke recht oft daran, wie alles, was ist und was geschieht, so schnell wieder hinweggeführt wird und entschlüpft. Die ganze Materie ist ein ewig bewegter Strom, alles Gewirkte und alles Wirkende ein tausendfacher Wechsel, eine Kette ewiger Verwandlungen. Nichts steht fest. Vorwärts und rückwärts eine Unendlichkeit in der alles verschwindet. Wie töricht also jeder, der mit irgend etwas groß tut, oder von irgendeiner Sache sich hin- und herreißen lässt oder darüber jammert, als ob der Kummer nicht nur kurze Zeit währte."

XXIX.

"Wie du beim Abschied vom Leben über das Leben denken wirst, so darfst du schon jetzt darüber denken und danach leben."

XXXI.

" Erinnere dich, was du schon durchgemacht, und was du imstande gewesen bist zu tragen. Wie leicht ist es möglich, dass die Geschichte deines Lebens bereits vollendet, dein Dienst vollbracht ist; und wie viel Schönes hast du schon gesehen wie oft ist es dir vergönnt gewesen, Freud und Leid gering zu achten, deinen Ehrgeiz zu unterdrücken und gegen Unverständige verständig zu sein!"

XXXIV.

"Stets kann es dir gut gehen, wenn du richtig wandelst, rechtschaffen denkst und tust. Denn von jedem denkenden Wesen, sei es Gott oder Mensch, gelten zwei Dinge: einmal, dass es in seinem Laufe von einem andern nicht aufgehalten werden kann, und zweitens, dass sein größtes Gut in der gerechten Sinnes- und Handlungsweise besteht, und sein Streben darüber nicht hinausgeht."

XXXVI.

Sich selbst Glück bereiten

"So sei denn endlich einmal, und gerade wenn du recht verlassen bist, ein glücklicher Mensch, also ein Mensch, der sich das Glück selbst zu bereiten weiß, die guten Regungen der Seele, die guten Vorsätze und die guten Handlungen."


ZITATE MARCUS AURELIUS STOIZISMUS
Marcus Aurelius: Selbstbetrachtungen

Selbstbetrachtungen. Sechstes Buch.
http://www.philosophie-der-stoa.de/selbstbetrachtungen-6.php

II.

"Denn auch das Sterben ist ja nur eine von den Aufgaben des Lebens. Genug, wenn du sie glücklich lösest, sobald sie dir vorliegt."

III.

"Sieh auf den Grund jeder Sache! Ihre Eigenschaften dürfen deinem Blick ebensowenig wie ihr Wert entgehen."


VIII.

"Das nenne ich die Seele oder das die Herrschaftführende im Menschen, was ihn weckt und lenkt, was ihn zu dem macht, was er ist und sein will, und was bewirkt, dass alles, was ihm widerfährt, ihm so erscheine, wie er es haben will."

XIII.

"denn solche Vorstellungen geben uns ein Bild der Sache, wie sie wirklich ist, und dringen in ihr inneres Wesen ein. Man mache es nur überhaupt im Leben so, entkleide alles, was sich uns als des Strebens würdig aufdrängt, seiner Umhüllung, und sehe von dem äußeren Glanze ab, mit dem es wichtig tut. Der Schein ist ein gefährlicher Betrüger. Gerade wenn du glaubst mit ernsten und hohen Dingen beschäftigt zu sein, übt er am meisten seine täuschende Gewalt."

XIV.

"Die Menge legt den höchsten Wert auf den Besitz rein sinnlicher Dinge."

"Wer aber nichts Edleres und Höheres kennt, als das allgemeine Vernunftwesen, dem ist jenes alles geringfügig und unbedeutend. Er hat kein anderes Interesse, als dass seine Vernunft der allgemeinen Menschenvernunft entspreche und so sich jederzeit bewege, und dass er andere seinesgleichen ebendahin bringe."

XVI.
Gestalterisch tätig sein

"Denn jede Arbeit will nichts anderes als die Dinge ihrem Zweck entsprechend gestalten,"

"Steht es damit gut bei dir, so brauchst du dir um andere Dinge keine Sorge zu machen. Hörst du aber nicht auf, auf eine Menge anderer Dinge Wert zu legen, so bist du auch noch kein freier, selbständiger, leidenschaftsloser Mensch,"

XVIII.

"Was tut man? Die Zeitgenossen mag man nicht rühmen, aber von den Nachkommen, die man nicht kennt noch jemals kennen wird, will man gerühmt werden. Ist das nicht gerade so, wie wenn es dich schmerzte, dass deine Vorfahren nichts von dir zu rühmen hatten?"

XIX.

"Denke nicht, wenn dir etwas schwer fällt, es sei nicht menschenmöglich. Und was nur irgendeinem Menschen möglich und geziemend ist, davon sei überzeugt dass es auch für dich erreichbar sein wird."

XXII.

"Ich suche das meinige zu tun: alles übrige, alles was leblos oder vernunftlos oder seines Weges unkundig und verirrt ist, geht mich nichts an und kann mich nicht verwirren."

XXXI.

"Besinne dich, komm wieder zu dir. Wie du beim Aufwachen gesehen, dass es Träume waren, was dich beunruhigt hat: siehe auch das, was dir im Wachen begegnet, nicht anders an!"

XXXII.

"Alles aber, was eine Wirkung der Seele ist, hängt auch lediglich von ihr ab, vorausgesetzt, dass sie sich auf etwas Gegenwärtiges bezieht. Denn was sie zu tun haben wird oder getan hat, ist auch kein Gegenstand für sie."

XXXV.

"Siehst du nicht, wie der gewöhnliche Künstler sich zwar nach dem Geschmack des Publikums zu richten weiß, aber doch an den Vorschriften seiner Kunst festhält und ihren Regeln zu genügen strebt? Und ist es nicht schlimm, wenn Leute wie der Architekt, der Arzt das Gesetz ihrer Kunst besser im Auge behalten, als der Mensch das Gesetz seines Lebens"

XXXVI.

"Was ist Asien und Europa? ein paar kleine Stückchen der Welt. Was ist das ganze Meer? ein Tropfen der Welt. Und der Athos? eine Weltscholle. Alles ist klein, veränderlich, verschwindend. Aber alles kommt und geht hervor oder folgt aus jenem allwaltenden Geiste."

XL.

"Jedes Werkzeug und Gefäß ist gut, wenn es imstand ist zu leisten, wozu es gemacht wurde, wenn auch der, der es verfertigte, längst fort ist. In der Natur aber tragen alle Dinge die sie bildende Kraft in sich und behalten sie, solange sie selber sind. Und um so ehrwürdiger erscheint diese Kraft, je mehr du ihrem Bildungstriebe folgst, d.h. je mehr sich alles in dir nach dem Geiste richtet. Denn im Universum richtet sich auch alles nach dem Geiste."

XLVIII.

"Willst du dir eine Freude bereiten, so richte deinen Blick auf die trefflichen Eigenschaften deiner Zeitgenossen und siehe, wie der eine ein so hohes Maß von Tatkraft, der andere von Bescheidenheit besitzt, wie freigebig der dritte ist usf. Denn nichts ist so erquicklich als das Bild von Tugenden, die sich in den Sitten der mit uns Lebenden offenbaren und reichlich unserm Blick sich darbieten. Darum halte es dir nun auch beständig vor Augen!"

L.

"Nur dass unser Streben ein edles war! Denn ein solches trägt seinen Lohn in sich selbst - wie alles, was wir tun, wenn wir unserer innersten Natur gehorchen."

LI.

"Der Ehrgeizige setzt sein Glück in die Tätigkeit eines andern, der Vergnügungssüchtige in die eigene Leidenschaft, der Vernünftige in seine Handlungsweise."

LII.

"Du hast es gar nicht nötig, dir über irgendeine Sache Gedanken zu machen und deine Seele zu beschweren. Denn eine absolute Notwendigkeit zum Urteil liegt niemals in den Dingen."

LVI.

"Niemand kann dich hindern, dem Gesetze deiner eigensten Natur zu folgen. Was du im Widerspruch mit der allgemeinen Menschennatur tust, wird dir nicht gelingen."
 
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