Schrödingers Katze;1255667 schrieb:
Es war schade um den Menschen und fertig. Ich hab das Leben und das (manchmal auch freiwillige) Sterben noch irgendwie einfacher im Kopf. Nicht so verkrampft und verkopft wie in der jetzigen Zeit, wo jeder von jeder Seite gemaßregelt wird.
Kaltblütig und brutal bist heute wieder, Schrödinger Tier. Aber wenn einer
sterben will - wie du da eben vom freiwilligen Abgang redest - muss er sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen - das is schwer - aber man kann den Leuten die gern leben ja nicht diesen erbärmlichen Ablick zumuten.
Das bin ich grad am lernen und begreifen - ich schaff das auch noch nicht, mich ganz aus der Öffentlichkeit zurück zu ziehen. Nicht nur was den Alkohol angeht sondern schwerere depressive Verstimmtheit ganz allgemein. Hinter meinen Saufexzessen steht eine gewisse Todessehnsucht. Die Gscheitlinge können ja sagen: der Typ is nur zu feig, dass er sich radikal entfernt, aber für den blutigen Heldentod bin ich in der Tat nicht geschaffen. Wenn ich die Wahl hätte, wie ich mich vom Acker mach, würde ich die sanfte Methode wählen, weil ich auf Gewalt nie so wirklich gestanden bin.
Aber dann hörst wieder auf mit dem Saufen, dann kommt auch wieder die Lebensfreude zurück und so weiter und so fort, bis zum nächsten Tief. Dann trinkst was, das hebt zunächst ein wenig die Kellerstimmung und nach einer woche saufen geht der lustige Willi weg und der kranke, depressive, kaputte und böse Willi is da. Der "das Leben verneinende Geist" kriegt wieder Oberhand und singt das bekannte Lied: .... weil alles was entsteht is wert das s zu Grunde geht.
Es wird Zeit, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Und es ist nur die Wichtigkeit des Alkohols, die mich in diesen Teufelskreis gesperrt hat. Am Anfang war der Wein. Es werde leicht! Sprach er, und sogleich ward es leicht, das Leben.
Das zermürbende, was einen - also zumindest mich - da immer wieder reinziehen will, in diesen Kreis, ist der Gedanke an die Zeit. Die Jahre, die ich mit diesem "Kampf" vergeudet habe und die ich sinnvoller und freudvoller nutzen hätte können.
Das einzige, was mir da hilft, ist völlig auf die Zeit zu vergessen und mich nur noch an der Ewigkeit zu orientieren. Und genau in dem Moment wirds zu "esoterischem Schwachsinn", in den Augen des Volkes und vor dem Staat und komm mit der Öffentlichkeit erst recht wieder in einen Crash, weil hier ist Zeit Alles. Hier ist Zeit Geld und Geld ist Gott. Aber das kann ich nicht ändern. Mit diesem Konflikt muss ich leben, oder ich muss mich umbringen oder weitersaufen. Die Ewigkeit ist nun mal nicht vorstellbar und an die Zeit darf ich nicht denken, der darf ich keine Sekunde Wichtigkeit mehr schenken,
nach 30 Jahren Alkoholismus und einschlägiger Lebensgestaltung. Die Jahre, die noch vor mir liegen, die interessieren mich nicht. Da weiß ich nichts drüber. Das können noch 20 sein, das kann aber nur noch Eins sein oder ein Halbes. die Zeit, die vor mir liegt, muss mir egal sein, weil in dem Moment wo sie mir wichtig wird, wird mir auch die Zeit wichtig, die hinter mir liegt, weil sie ein ganzer Fluss ist, von meiner Geburt bis zu meinem Tod. Ich schaffs einfach nicht mehr, das zu trennen. Hinten die Vergangenheit und vorne die Zukunft. Da an einer "verbesserten" "ausgebesserten" "rumgebastelten" Lebensgestaltung zu werken, interessiert mich nicht mehr. Mich interessiert nur eins. Warum hab ich diese 32 Jahre hinter mir so verbracht und was war der Sinn davon. Was kann ich mit den erworbenen Kompetenzen anfangen?
Und das erfahr ich nur, wenn ich die Zeit anhalte und in der Gegenwart nix mehr sauf. Ich will nicht wissen, wieviel schöne Minuten ich dem Leben noch rauspressen könnt. Das Leben ist keine Zitrone, die man auspressen muss. Das Leben ist ein Geschenk des Himmels und ich will wissen, warum ich die meiste Zeit davon im Rausch verbracht hab und was ich da an sinnvollem gelernt hab. Für mein Leben. Wenn ich was wissen will. Zum Glück will ich gar nichts mehr wissen.
So komm ICH als Alkoholiker nicht um die Begegnung mit Gottes Ewigkeit herum, werde also zum esoterischen Schwachmatiker und muss mich dafür von meinen Brüdern und Schwestern belächeln oder für geisteskrank erklären lassen, weil man ja derartiges Empfinden streng vom Alltagstreiben und Bewusstsein zu trennen hat. Hier haben wir das wissenschaftliche Weltbild, die wirtschaftlichen Anforderungen und das allein steht zur Debatte und dort, in der anderen Ecke haben wir das abstrakte oder gestörte und krankhafte, unfassbare, esoterische, spirituelle, irre Denken, aus dem man keinen materiellen Gewinn ziehen kann. Naja, das stimmt so nicht ganz, aber das is ein anderes Thema.
Aber mir hilft das nichts, weil ich darf nicht mehr an die Zeit denken, sonst müßt ich mich erschießen. Ich kann mich nur mehr an Ewigkeit orientieren, nach diesen ganzen verbockten Jahren mit dem Suff. Verbockt sind sie solang, solang ich den Sinn nicht erkannt hab und den erkenn ich nur, wenn die Zeit still steht und das allgemeine Gehetze an Kraft verliert. Dann komm ich mit mir in Frieden und kann mir auch diesen Lebensabschnitt völliger Umnachtung verzeihen.
Naja, so gehts mir ... ich such nicht nur Zerstreuung, wenn ich sauf. Am Anfang vielleicht könnt ichs so sagen, aber in Wirklichkeit ich such den Ausgang von dieser Welt. Leider hat bisher am Ende noch immer der Lebenswille gewonnen. Es gibt dann noch den anderen Weg, den nüchternen Ausstieg aus dem Zeitgetriebe, aber auch da gerate ich in Konflikt mit der Welt. Es wird nicht einfach.
Wir wissen ja alle, dass zuuuuuuu viel nicht gut ist. Egal von was. Aber gescheite Abfüllungen hatten wir alle schon, ich, meine Eltern, Freunde...ab und an war auch ein "richtiger Alkoholiker" dazwischen, manche sind dran gestorben, einige leben trocken ... aber die Grenze ist mir nicht klar. Überhaupt nicht. Da kann es Studien drüber geben und sonstwas. Am ehesten leuchtet mir noch das mit dem genetisch bedingten "Vertragen" ein.
Die Grenze is da, wo wie ein anderer User beschrieben hat, ob ich den Wein trink, weil er mir echt schmeckt ???? oder ob ich ihn als Medikament verwende, mit dem ich mein Bewusstsein und meine Wahrnehmung der Welt modifiziere, wobei da der Übergang recht fließend ist und der Umstand des Selbstbetrugs so gut wie vorprogrammiert. ich kenn extremste Säufer, die sagen noch immer .... ach, wenns mir nur nicht so schmecken würde! Und wenn der mal ein Glas wasser trinkt, kotzt er sich fast an. Grad so, als obs die reine Galle wär. Da frag ich mich immer, ob das nicht nur Show ist.
Und die Grenze is da, wo ich mir durch die Sauferei selber zum Problem werd, keine Jobs mehr machen kann weil ich überall rausflieg unkontrolliert die Leut in meinem Umfeld beschimpf, wo das Umfeld mitleidet, bereits zu einer zeit, wo ich selber das ganze noch nicht als leidvoll erlebe, weil ich in meiner alkoholisierten Herrlichkeit und Selbstüberschätzung ja fast einem Gott gleichkomm und wo Familien, gute Freundschaften und Beziehungen kaputt gehen.
Da is die Grenze dann schon überschritten.
Aber solang du regelmäßig deine vier Vierterl trinkst oder auch einen Doppler oder zwei, immer brav bist, keine motorischen Störungen hast, brav arbeiten gehst und funktionierst, deine Frau oder dein Mann Freude hat an dir und die Kinder glücklich sind, du nicht rumschreist oder prügelst is ja alles O.K. Gegebenen Falls läßt du dir halt dann nach Jahren mal eine neue Leber einbauen und säufst weiter, in seliger Gemütlichkeit, wenns dir schmeckt und wenns so wichtig ist.