Es gibt ein Verstehen, das Gefühle integriert hat, und ein Verstehen, das Gefühle nicht integriert hat. In beiden Fällen ist das Verstehen von Gefühlen nicht getrennt - aber nur das eine Verstehen ist ein reifes Verstehen.
Ken Wilber nennt das "Prä-/Trans-Verwechslung".
Jetzt musste ich doch erst mal googeln, um zu sehen, was genau Wilber damit meint. Puh, macht der das kompliziert, lach.
Was ich meine mit "verstehen" ist eine Offenbarung- daran sind weder Verstand noch Gefühl beteiligt, es ist ein reines Schauen des Geistes. Darum sagte ich ja: nicht ein theoretisches Verstehen- das wäre nur der Verstand- sondern ein Erleben der Tatsache. Der Gefühlssektor dabei ist wieder eine andere Sache, den beschreibst du hier ja bereits:
fckw schrieb:
Eine Person, die Liebe sucht, und sie nicht von Gefühlen trennen kann, wird immer fälschlicherweise besonders angenehme Gefühle für Liebe halten und unangenehme Gefühle für das Fehlen von Liebe. Sie wird glauben, es bedürfe besonderer äusserer Umstände, damit Liebe sich einstellen könne. Und darum wird sie viel daran setzen, diese Umstände herzustellen. Durch ein schönes Heim, eine zärtliche, gefühlvolle Partnerschaft usw.
Das ist alles in keiner Weise schlecht oder falsch oder zu verurteilen. Es ist ein ganz normales Verhalten.
Aber irgendwann wird jeder dieser Versuche enttäuscht werden. Weil er sich immer auf die Prämisse verlässt, dass die Umstände richtig sein müssen, damit Liebe da sein könne.
So ist es. Dabei fühlt man gerade dann, wenn es ein unangenehmes Gefühl ist, noch etwas: nämlich Sehnsucht. Die Sehnsucht, sich glücklich fühlen zu wollen. Und dieses Gefühl treibt einen immer wieder dazu an, es noch mal zu versuchen und sich diesmal noch mehr Mühe zu geben- ein Teufelskreis. Weil man am Ende immer wieder enttäuscht wird.
fckw schrieb:
Wenn das eingesehen wird, dann tritt üblicherweise zuerst Zweifel und dann eine Krise auf, die durchaus die psychosomatischen Symptome aufweisen kann, die Simi weiter oben aus eigener Erfahrung beschrieben hat. Die Erkenntnis dieser Krise lautet: "Ich bin nicht fähig zu lieben. Ich würde zwar gerne, aber ich weiss gar nicht, wie das geht." Es wird erkannt, dass alles, was bisher getan wurde, ein Versuch war, die äusseren Umstände herzustellen, damit "ich geliebt werde". Da ein Mensch aber niemals sämtliche äusseren Umstände kontrollieren kann, ist die empfangene Liebe ständig abhängig, unstet und in Gefahr.
Ganz genau. Nur ist es leider so, dass die meisten Menschen diese Erkenntnis nicht ins Bewusstsein treten lassen. Sie sind noch nicht so weit- sie haben noch die Hoffnung, es doch noch aus eigener Kraft bewerkstelligen zu können.
fckw schrieb:
Die Sache muss also umgekrempelt werden: Anstatt "Ich möchte geliebt werden." hin zu einer Herzensentscheidung "Ich will lernen zu lieben." Das ist eigentlich der Schritt von der Unmündigkeit des Kindes, das von der Liebe anderer (zuerst die Eltern, später der Partner) abhängig ist, zur Fähigkeit, aus eigenem Entschluss andere zu lieben.
Es ist klar, dass hier angenehme oder unangenehme Gefühle keine wichtige Rolle mehr spielen, einfach weil die Person eine Entscheidung getroffen hat, die sich davon nicht beeinflussen lässt.
Da ist ein Denkfehler drin, fckw. Man kann sich nicht willentlich dazu entschliessen, andere Menschen zu lieben. Liebe ist keine bewusste Entscheidung- sie ist ein Nebeneffekt der Offenbarung, dass alle Menschen, Dinge und Geschehnisse so sind, wie man sie dachte. Ich beschreibe das mal etwas ausführlicher:
Zum ersten Mal wurde mir das offenbar im Zusammenhang mit meiner drohenden Erblindung. Der Krankheitsgewinn war von mir gedacht und gewollt gewesen- der Nebeneffekt war die Liebe zu meinem zuvor verhassten Körper. Das also ist Liebe, aha. Diese Liebe wiederholt erleben zu wollen, wurde daraufhin zu meinem Ziel. So gesehen hast du Recht- das war dann ein bewusster Entschluss- die Konsequenz aus der Offenbarung. Ich liess also alles sein, was auf geliebt-werden-wollen beruhte. Als dieser Prozess abgeschlossen war, 3 Monate des Heulens und Zähneknirschens, trat ein Mann in mein Leben, der denselben Prozess durchlaufen hatte. Beide wussten wir, dass Liebe aus dem Inneren kommt im Augenblick der Offenbarung der Tatsache, dass alle Dinge so sind wie gedacht.
Aber! Die falsche Vorstellung von Liebe, dieses geliebt-werden-wollen, das sass tief verwurzelt in uns. Es ging nun darum, bei jeder Meinungsverschiedenheit und bei jedem Streit bewusst darauf zu schauen, was man gedacht hatte- und vor allem: warum man es gedacht hatte. Das war der Beginn der Erforschung der mentalen Welt. Und ich kann dir sagen, das war kein Kindergeburtstag. Dieser Partner war die fleischgewordene Verkörperung meines eigenen Schattens. Ein Beispiel: Er schlug mich. Noch nie hatte ein Mann mich geschlagen. Da war ich mir sicher: das hatte ich weder gedacht noch gewollt. Doch! Ich hatte mir einen plausiblen Grund gewünscht, um mich von ihm trennen zu können, ohne Schuldgefühle dabei zu haben, denn er war furchtbar. Uneinsichtig und cholerisch. Na- was gibt es da besseres, als geschlagen zu werden? Ich schmiss ihn daraufhin aus der Wohnung. Das hatte er weder gedacht noch gewollt. Doch! Denn auch er suchte unbewusst einen Grund, um sich von mir zu trennen. Denn er fand mich genauso furchtbar- rechthaberisch und nörgelnd. Eine Frau, die einen auf die Strasse setzt, na- wenn das kein Grund war, sich zu trennen. Dabei kriegten wir beide, was wir wollten, und zwar ohne Schuldgefühle. Natürlich war mir nach dieser Aktion klar, dass irgendetwas nicht stimmte, ich musste es gedacht haben. Am dritten Tag danach offenbarte es sich schliesslich- und wieder badete ich in der Liebe. Das Wundervolle daran ist: wenn einer es gesehen hatte, sah es der andere auch, weil: reine Liebe erzeugt reine Liebe. Er zog also wieder bei mir ein- und so wiederholte sich das Gemetzel. Solange, bis die Tatsache verinnerlicht war: was ich denke, ist.
fckw schrieb:
Natürlich haben angenehme Gefühle durchaus ihren Platz und eine reife Liebe wird weder die angenehmen noch die unangenehmen Gefühle verstossen und sie beide gleichermassen würdigen. Aber sie ist unabhängig vom Vorhandensein von angenehmen Gefühlen und auch unabhängig vom Einfluss von unangenehmen Gefühlen.
Ja, genau. Gefühle, ob angenehm oder unangenehm, spielten keine Rolle. Es ging ausschliesslich darum, zu erkennen, dass ich wirklich Gott bin. Was ich denke, nimmt Gestalt an. Ob mir die Dinge gefallen oder nicht- sie sind aus mir.
fckw schrieb:
Mit der Entscheidung alleine ist es aber noch nicht getan. Die Entscheidung muss ausgedehnt werden auf alle Lebensbereiche - Partnerschaft, Erziehung, Beruf, Sexualität, Bildung usw. Es ist natürlich, dass es nicht in jedem Lebensbereich auf die gleiche Weise einfach fällt, das zu tun. Manche Menschen haben schon sehr früh eine reife, unabhängige Partnerschaft, in welcher sie in der Lage und willens sind, eine reife Liebe zu praktizieren. Gleichzeitig sind sie in anderen Lebensbereichen, vielleicht in der Sexualität oder im Beruf, noch immer in ihren alten Vorstellungen gefangen.
Ja. Es betrifft in erster Linie die Lebensbereiche, in denen die Angstplaneten stehen, bei mir 6 (Teamfähigkeit und Krankheiten) und 7 (Partnerschaft). Ich hatte zB in dieser Zeit eine Begegnung mit einem Arzt, da hat nicht viel gefehlt und ich hätte ihm die Praxis zerlegt. Diese Phase der Bewusstseinsentwicklung ist aber auch besonders brisant, weil alle Ängste Wirklichkeit werden, wo man geht und steht. Das muss so sein- damit man ein für allemal aus dem Prozess der Selbstverleugnung rauskommt.
Nun gibt es aber noch eine noch tiefere Dimension der Liebe.
Ja, gibt es. Wenn der oben beschriebene Prozess abgeschlossen ist, folgt eine Trennung von diesem Partner. Das ist deshalb so, weil kein Mensch mit seinem verkörperten Schatten zusammen bleibt. Wenn der Schatten verinnerlicht ist, ist er äusserlich überflüssig- man trennt sich in Liebe und Einsicht. Dann folgt eine Neusortierung, denn nun hat man bereits eine weitreichende Freiheit verwirklicht. Nun ist man in der Lage, seiner Berufung in Liebe nachzugehen- was man dann auch tut. Und tatsächlich stellen sich entsprechende Ergebnisse ein.
Aber! Immer noch gibt es unvorhersehbare Ereignisse- und so wird die heile, kleine Welt, die man sich dort aufbaut, mit einem Schlag zerstört. Und wieder muss man erkennen- auch dies hatte man gedacht. Verdammt! Und so kommt man zu der Frage: woher kommen eigentlich meine Gedanken? Ich denke sie, sie gehen mir durch den Kopf, sie fallen mir allerdings ein ohne mein Zutun- sie sind einfach unwillkürlich da. Und genauso unwillkürlich verwirklichen sie sich. Ich kann sie nicht anders denken, ob ich will oder nicht.
In dieser absoluten Verzweiflung gibt es nur noch einen Wunsch- man will vom Denken erlöst sein. Denn jeder Gedanke erschafft neues Karma, ob im Guten oder im Schlechten. Man wäre gerne im "no-mind" Zustand, wie Osho das genannt hat.
Der "no-mind" Zustand entspricht der christlichen Erlösung, der Befreiung vom Karma, auch Erleuchtung Stufe 1 genannt. Das ist der erstmalige Eintritt ins Gewahrsein der Einheit- Liebe würde ich den nicht nennen, ehr Glückseligkeit. Er dauert auch nicht 2-3 Sekunden, wie sonst eine Offenbarung, sondern Stunden. Dabei ist man sich dessen gewahr, dass alles, was ist, dem eigenen Geist entspringt. Es gibt nur einen Geist- und der bin ich. Ich habe das Schöpfungswort gesprochen- und damit fällt gleichzeitig jegliches Zeitkonstrukt in sich zusammen. Vergangenheit und Zukunft begegnen sich im Jetzt, in mir.
Allerdings ist auch dieses Erlebnis nicht von Dauer. Ich hatte zwar vorher gehofft, es wäre, aber dem ist nicht so. Was sich aber dauerhaft einstellt nach diesem Erlebnis, ist das völlige Fehlen jeglicher Sorge. Die Beherrschung des Denkens liegt nämlich nicht darin, sich positive Gedanken zu machen, sondern ihm keine Bedeutung mehr beizumessen. Es ist da- und es verwirklicht sich von selbst, warum dem Beachtung schenken?
Was zu Beginn etwas schwierig ist, ist das, was ich nach Trixi Maus kontrollierte Schizophrenie nenne. Es gibt kein Aussen mehr, weil Innen und Aussen eins ist- ein Geist. Und trotzdem hat man mit einem Aussen zu tun- vermeintlicherweise. Wie damit umgehen? Aufrichtig, lach. Und da kommt das Gefühl ins Spiel, das zu beherrschen ist Stufe 2 der Erleuchtung. Manches, was mir begegnet, ist angenehm, manches nicht. Und doch bin beides ich. Sich dem Angenehmen hinzugeben, ist leicht. Sich dem Unangenehmen auch völlig hinzugeben, erfordert volle Aufmerksamkeit. Wenn es gelingt- und das ist mir erst zweimal gelungen, dann ist die Liebe allumfassend.
Und trotzdem weiss ich bereits jetzt, dass das immer noch nicht die endgültige Liebe ist. Denn diese Liebe umfasst zwar die gesamte Schöpfung, aber nicht das Sein. Das Sein liegt jenseits davon.