Zu dem Thema fällt mir eine reale Geschichte, an die ich mich immer gerne erinnere:
An einem Samstag tauchte einmal ein Mann in unserer Fußgängerzone auf, der sich wie Jesus gekleidet hatte und das Wort Gottes verkündete. Alter, Bart, langes Haar, Sandalen und auch die braune Kutte passten wunderbar zusammen, als wäre Jesus tatsächlich auferstanden.
Er erzählte von der Nächstenliebe und Gott, es war nahezu perfekt, wenn nicht auch von seinem besonderen Verhältnis zum Vatikan und dem Papst die Rede gewesen wäre. Jedem Zuhörer wurde schnell klar, dass dieser unschuldige Geist ein wenig verwirrt war.
Obwohl alle um ihn wussten, hatte er dennoch an seinen nun samstäglichen Auftritten immer eine ansehnliche Zuhörerschaft, die ihm interessiert zuhörten. Eventuell war es ja gerade diese Selbstsicherheit und seine unschuldige Sanftmut, der von ihm ausging und die Menschen berührte.
Es gab aber auch Passanten, die den Jesus aus der Fußgängerzone beschimpften und ihn aufforderten zu verschwinden. Mir schien, dass gerade sie zu jenen gehörten, welche sich gerne als fromme Christen verstehen. Ich denke auch, dass unter jenen der Verräter war, der ihn an die Obrigkeit verraten hatte. Jedoch nicht aus besonderer Nähe, wie dies durch Judas geschah, sondern aus Intoleranz.
Obwohl er nicht gebettelt oder sich als Jesus bezeichnet hatte, fand deshalb nach einigen Wochen sein samstägliches Wirken ein jähes Ende. Zwei Polizisten erschienen und führten dieses harmlose Wesen für immer fort. So frage ich mich oft, was wohl geschehen würde, wenn Jesus tatsächlich in diese Welt zurückkäme. Würden sich die damaligen Ereignisse in Jerusalem in ähnlicher Form als Déjà-vu wiederholen?
Merlin