b) Bedeutung der ersten Bindungserfahrungen
Für Außenstehende, die Aufstellungen noch nie erlebt haben, ist die Aufstellungsarbeit manchmal schwer zu begreifen. Da stehen Menschen im Raum, werden von intensiven Gefühlen gepackt und machen Aussagen, von denen jene, die ihr System aufgestellt haben, später sagen genau das hätte meine Mutter auch gesagt. Wir Menschen nehmen uns anscheinend räumlich wahr, ohne uns dessen bewusst zu sein. Nähe und Distanz, gegenüber oder nebeneinander, anschauen oder wegschauen sind Parameter, die Bedeutung haben, aber auch, wer mit wem steht und wer von der Gruppe ausge-schlossen wird. Wie die Wirkung der Aufstellung zustande kommt, ist noch unbekannt.
Es gibt eine Reihe von Erklärungsansätzen, über Feldtheorien bis hin zu Formen unbewusster Kom-munikation. Aber dass eine Wirkung zustande kommt, ist unbestritten. Man kann sie selbst erleben oder auch auf Videobändern nachvollziehen. Im überwiegenden Teil der Aufstellungen geht es um Familienaufstellungen und die Primärbeziehungen. Die Bedeutung der Primärbeziehungen betont in einem Psychologie Heute Interview (Mai 2004, S. 39) Klaus Grawe, Professor für klinische Psychologie
in Bern und Autor verschiedener Bücher, unter anderem über die Wirksamkeit von Psychotherapie und über schulenübergreifende Psychotherapie, der sich in letzter Zeit stark mit der Neuropsychotherapie auseinandergesetzt hat. In diesem Interview spricht er von deutlichen Zusammenhängen zwischen Bindungserfahrungen in der Kindheit und emotionaler Dysregulation. Und dass zur Behebung von Bin-dungen, die als traumatisch erlebt wurden, Beziehungserfahrungen wichtig und erforderlich sind.
c) Irritationen und Missverständnisse
Die meisten Missverständnisse tauchen auf im Zusammenhang mit der Bearbeitung von traumatisch empfundenen Beziehungen. Interessanterweise sind die Widersprüche im Regelfall stärker bei den Zuschauern der Aufstellungen, als bei den Betroffenen selbst, die meist eine tiefe Zustimmung und umfassende Änderung bei sich erleben. Menschen, die eine Beziehung als traumatisch erlebt haben, kommen häufig in eine Opferrolle hinein, die sie an den Täter bindet. Erinnerungen an traumatische Situationen sind von intensiven Gefühlen begleitet wie Hass, Wehrlosigkeit, Ekel, Angst etc. Diese intensiven Gefühle binden das Opfer an die traumatischen Ereignisse und an die damit verbundenen Personen.
Ziel der Arbeit ist es, die Lösung von den alten Gefühlen und vom Täter zu ermöglichen. In der Ausei-nandersetzung mit dem Täter werden deshalb Kontextveränderungen vorgenommen, die die Betrach-tung des Ereignisses und des Täters aus einer anderen Perspektive und aus einer größeren Distanz ermöglichen. Es kommt zu mehr innerer Ruhe, das Ereignis und der Täter rücken weiter weg und die in der Vergangenheit gebundenen Kräfte stehen den Menschen im Alltag wieder mehr zur Verfügung.
Wie gesagt, die Betroffenen erleben die Aufstellungen für sich als hilfreich und befreiend, doch die Betrachter sind oft irritiert und verstehen den Prozess nicht. Sie beginnen, sich mit den Opfern zu iden-tifizieren, entrüsten sich, obwohl die Betroffenen mit der Arbeit einverstanden sind.
Wir sind uns mittlerweile im Klaren darüber, dass mit der Aufstellungsarbeit zentrale Tabus und festge-fahrene Vorstellungen von Gut und Böse radikal und dazu noch in aller Öffentlichkeit angegriffen wer-den. Entrüstung und Kritik sind Teil jenes Widerstandes, der dadurch unweigerlich ausgelöst wird. Von unserer Seite aus fehlte offenbar eine verständnisvollere Vermittlung dieser komplexen Vorgänge und Inhalte, da sich viele Menschen in diesen neuen Räumen nicht sofort orientieren können. Die IAG will auch in diesem Sinne ihre Öffentlichkeitsarbeit aktivieren. Von daher soll auf dem Kongress 2005 auch der Umgang mit Tabuthemen ausreichend besprochen werden.
Der pauschal verurteilende Eindruck, der in Zeitungsartikeln und Sendungen wie dem Report-Bericht vom 19.04.04 weiter gegeben wird, die Aufstellungsarbeit schade Menschen, ist keineswegs aufrecht zu erhalten. Die überwiegende Mehrheit der Menschen, die eine Systemaufstellung gemacht haben, ist
durchaus zufrieden und bereichert. Wie soll man sich sonst den großen Erfolg dieser Methode erklä-ren?
Wir werden unsere Anstrengungen verstärken, diese Methode weiter zu entwickeln, stärker zu fundie-ren und nachzuweisen, dass mit Hilfe der Aufstellungsmethode effizient gute Lösungen für verschie-denste Konfliktsituationen gefunden werden können.
Die IAG und Bert Hellinger
Abschließend einige Anmerkungen zur Beziehung der IAG zu Bert Hellinger. Die Aufstellungsmethode hat sich im vergangenen Jahrzehnt rasant und umfassend weiterentwickelt. Auch andere Fachleute haben Ergänzungen und Erweiterungen in die Arbeit hineingebracht. Das gesammelte Wissen über Aufstellungen ist dadurch mehr als das von Bert Hellinger. Dennoch ist die Aufstellungsmethode von Bert Hellinger in ihren wesentlichen Bestandteilen entwickelt und fundiert worden. Er brachte und bringt eine Vielzahl bahnbrechender Erkenntnisse und Einsichten in die Welt, von denen viele Men-schen profitieren. Und er ist einer der bekanntesten lebenden Therapeuten weltweit.
Alle, die mit Systemaufstellungen arbeiten, haben viel von ihm bekommen und fühlen sich ihm verbun-den. Dieser Verbundenheit werden sie am meisten gerecht, wenn sie ihrerseits die wesentlichen Ein-sichten Hellingers weitertragen, die theoretischen und praktischen Erfahrungen weiterentwickeln und empirisch untermauern. Dazu gehören durchaus offene, auch kritische Auseinandersetzungen zu kon-troversen theoretischen und praktischen Standpunkten, wie sie in einer Fachgesellschaft wie der IAG selbstverständlich sind. Das ist auch ganz im Sinne von Bert Hellinger. Er erwartet keine Gefolgschaft und auch keinen Verzicht auf Kritik.
Doch Kritik an Bert Hellinger kann nicht Forderungen enthalten, er solle bestimmte Wege nicht gehen oder anders sein als er ist. Die Achtung seiner Verdienste schließt die Achtung seiner Person und sei-ner persönlichen Handlungsentscheidungen ein, auch wenn sie von den eigenen Vorstellungen abwei-chen.
Es ist ganz natürlich, dass nicht alle den Weg nachvollziehen könne, den er geht. Deshalb hat sich auch in der Aufstellerszene mehr und mehr Kritik an seiner Person entzündet. Kritik, die nicht entwertet und in Beziehung bleibt, ist für die weitere Entwicklung notwendig und bringt das Ganze voran. So wie jeder Aufsteller für sich in Anspruch nimmt, seinen eigenen Erkenntnissen und Erfahrungen folgen zu müssen, folgt auch Bert Hellinger seinen Einsichten. Verbunden sind wir durch die Arbeit, aber als ebenbürtige Partner, die unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen und, wenn es gelingt, sich gegensei-tig inspirieren können.
Die verschiedentlich in den Medien geäußerte Kritik an Bert Hellinger, wie beispielsweise jene Report-Sendung vom 19.4.04, erscheint uns im Wesentlichen unsachlich, diffamierend und bösartig. Der Vor-stand der IAG stellt sich in diesen Fällen eindeutig hinter Bert Hellinger. Dies gilt auch für die Aufstelle-rinnen und Aufsteller, die im Zuge der Kritik an Hellinger angegriffen und diffamiert werden wie vor allem Prof. Matthias Varga von Kibed, Prof. Franz Ruppert, Dr. Robert Langlotz. In ähnlicher Weise werden diese Kollegen verunglimpft und an den Pranger gestellt. Wir wissen aus konkreter Anschau-ung, dass diese Kollegen ihre Arbeit verantwortungsbewußt und korrekt durchführen und stellen uns ausdrücklich auch hinter sie.
Bei allem Verständnis für andere Standpunkte und Sichtweisen, sind wir nicht länger willens vorsätzli-che Ehrabschneidung und Kriminalisierungsversuche über uns ergehen zu lassen.
bei uns die fa etwas sehr wesentliches gebracht.
dagmar