Marktfahrer

In jüngsten Jahren spielt ich gern Cowboy und Indianer.

Mensch, das war ein Spaß.
Und ich war natürlich immer der Gute ...

... der Cowboy.

Der gute und gerechte weise weiße Mann im Kampf gegen die blutdürstige Rothaut.


Der Kuhbub :lachen:










Bis ich eines Besseren belehrt wurde.
 
Werbung:
Nach 30 jahren Gefangenschaft öffnen sich die Gefängnistore und der Häftling tritt hinaus ins Freie. Zum ersten mal seit langer Zeit liegen keine Gitterstäbe mehr zwischen dem weiten Himmel, den vorbeiziehenden Wolken, dem freifliegenden Federvieh und seinem Blick. Ungebrochen von steingrauen Wänden erscheint das Licht in neuen Farben aber diese Weite macht auch Angst wenn man sie nicht kennt, oder besser, nicht mehr kennt und für einen Moment denkt der Haftentlassene daran, wieder umzudrehen, zurückzukehren in diese selbstgewählte Gefangenschaft in der oberen versteinerten Schicht des eigenen Herzens ...

versteinerte Schicht des eigenen Herzens ...

des steinernen Herzens ...

Herz aus Stein ...

Steinherz.

Der Name des Haftentlassenen war also "Prinz Steinherz".

Aber nein, er geht statt dessen hinunter zu dem kleinen See, wo er vor seiner völligen Inhaftierung gerne und mit großer Faszination sein Spiegelbild betrachtet hat. Doch was war da geschehen? Der See war eine mattkackbraune, stinkende Kloake geworden und halbverweste Fische trieben an der Oberfläche in der sich nichts mehr spiegeln konnte. Weder die Wolken am Himmel noch das ehemals so edle Gesicht des mittlerweile käsebleichen, häßlichen Prinzen. Der Prinz hatte also Glück im Unglück.

Er blickte hinauf zum Gefängnis und da sah er sie, diese Rohre, die aus der Haftanstalt direkt hinein führten in den ehemals blaugrünen, klaren See mit der spiegelglatten Oberfläche. Es war sein Gefängnis da oben auf dem Hügel, sein ganz persönlicher Kerker und nach ihm war es benannt. Nicht Alcatraz war der Name der Haftanstalt sondern Burg Steinherz. Er war der einzige Gefangene in diesem engen, grauen Haus gewesen. Wessen Fäkalien waren es nun also, die da Fangen spielten, auf der Oberfläche dieser zähbraunen, blubbernden und gasenden Flüssigkeit in die er früher fasziniert gestarrt und in der er sein Antlitz bis zum Exzess bewundert hatte?

"Du musst dich lieben wie du bist!" tönte eine Stimme aus dem Tümpel. Hände an langen, kackbraunen Armen wuchsen aus dem Gebräu, zäher, schwerer Schlamm tropfte von langen dürren Fingern die nach dem Körper des Haftentlassenen greifen wollten. Sie konnten ihn aber nicht fassen, drangen durch ihn hindurch und griffen ins Leere. "Liebe dich, so wie du bist, so wie du bist, nimm dich an, liebe dich, liebe dich, liebe dich .... "

"Der See ist grün und klar wie immer und das Gefängnis da oben ist nur eine Illusion, wie auch die Zeit, die du meinst, darin verbracht zu haben. In Wahrheit ist es ein herrliches Schloss mit vielen Bediensteten!" rief eine andere Stimme.

"Ja, ich weiß" sagte der Haftentlassene mit Namen Steinherz. "ich weiß, dass ich selbst dieser dreckige, stinkende See bin, dass es noch viel zu sehen und zu lernen und begreifen gibt. Aber ich bin auch dieser grüne Wald da hinten und auch die Lichtung, die ich all die Jahre in Gefangenschaft sorgsam in mir selbst verborgen und bewacht habe. Und ich weiß, auf dieser Lichtung wartet jemand auf mich, schon seit langer, langer Zeit. In diesen Sumpf hier muss ich nicht mehr springen, hier gibt es nichts neues mehr für mich zu lernen. Sei nicht traurig, liebes Wesen im Sumpf. Ich bin in Gedanken immer bei dir so wie du immer bei mir bist. Du bist die Option des Bösen in mir. Und das ist Gut.

So wendete er sich ab von sich selber, sprang auf und zog mit dem Wind, wie damals als Kind und verschwand im Wald wo auf einer Lichtung schon seit langer Zeit jemand auf ihn wartete.

Auf dem Weg traf er Alex. Alex war der Protagonist in einem Film, den sie in der Haftanstalt oft vorgeführt hatten und nun trafen sie sich in diesem Wald. Uhrwerk Mensch hieß dieser Film. Alex lehnte an einem Baum und sprach mit sich selbst. "Der Geist der Zeit, er ist so schnell. Wir brauchen mehr Ruhe um uns zu besinnen. Re-sozialisierung, was soll das heißen? Wer resozialisiert wen? Wohin? Woran machen wir es fest? Was ist das Ideal? Wer hat das Maß der idealen Gesellschaft? Wer weiß wies geht? Was ist ein Mensch überhaupt und wie ist ein Mensch wenns ein richtiger Mensch ist und was unterscheidet ihn vom Tier? Ist der Mensch nicht etwas, das erst in uns heranreift, nach und nach erscheint, sich entwickelt, gleich einem Foto das in einer Schale mit Entwicklerflüssigkeit hin und her bewegt wird? Was ist die Wahrheit? Wer könnte dieses Bild besser entwickeln als wir selber, jeder für sich? Wer maßt sich an, zu wissen wies geht? "

Alex war irre geworden und nur Fragen kamen aus seinem Mund. Erst jetzt bemerkt er den frisch aus der Haft entlassenen Prinz Steinherz und spricht weiter: "Schau dir doch die Stadt da drüben an, Steinherz, diese beiden Hochhäuser. Das eine wurde gebaut, als ich in den Kerker ging und es erschien mir damals riesig und die alten Leute hatten Angst, dass es umfallen würde. Das andere wurde gebaut, als ich entlassen wurde und es ist viermal so hoch und es erscheint mir, als wollte es das alte Hochhaus verschlingen. Auffressen. Ich komme mit diesen Entwicklungen und mit diesem Tempo nicht mehr mit. Und ich traue auch den Fundamenten nicht, es scheint alles auf Sand gebaut. Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr in diese Welt re-integrieren. Ich war zu lange eingeschlossen. Der Geist der Zeit baut immer höher und immer schneller, in mir aber läuft die Zeit viel langsamer ab. Die Unruh in meinem Uhrwerk ist müde geworden. Ich kann auf diesen Zug nicht aufspringen, bin zu alt geworden und war zu lange in der Haft. Und diese Integrations und Anpassungsversuche sind ein reiner Akt der Gewalt. Das ist wohl jetzt die gerechte Strafe für mein schändliches Treiben der Vergangenheit. Aber ich will auch nicht wieder in diesen Sumpf springen."

Alex hatte Tränen in den Augen, war verrückt geworden und hatte sich in sich selbst verirrt nach seiner Entlassung. Er spielte mit dem Gedanken, für immer in der braunen Kloake zu verschwinden.

"Komm mit mir", sagte nun Prinz Steinherz "da hinten ist eine Lichtung, ein Stück ist es noch zu laufen aber ich kenne den Weg. Da werden wir erwartet. Auch ich war recht lange in der Haft, eingeschlossen im eigenen Herz, aber diese Haft hatte auch ihr Gutes. Sie hat mich davor bewahrt, der Menschmaschine zum Opfer zu fallen. Oder willst du lieber hier sitzen bleiben? Als Markierung auf dem Weg zum Sumpf? Ganz wie du willst." Alex sprang auf und nun liefen die beiden Sumpfbrüder gemeinsam weiter in den Wald hinein. Immer tiefer und tiefer und wenn sie nicht gestorben sind, dann sind sie auf dem Weg dahin.

Aber auf dem Weg gehen ihnen jede Menge Steine ab vom Herz.

Herzsteine sozusagen.





Pflegeanleitung

*** Bild entfernt von der GIF-Seite ist das Direktverlinken (Hotlinking) aufgrund Trafficklau nicht erlaubt!***
WASCHEN VERBOTEN!

Der Mensch ist ein Mikrokosmos, er ist ein Gewächs, organisch wie eine Frucht, er hat Farbe, Zerbrechlichkeit und Süße. Ihn zu manipulieren, zu konditionieren, bedeutet ihn in ein mechanisches Objekt zu verwandeln - eine Uhrwerk-Orange.“ (Anthony Burgess)
 
hallo kartharsix

während ich deine zeilen las..kam mir die ganze zeit nur ein
gedanke...der weg zum himmel führt durch die hölle...
ich kann mich ein bisschen in deinen zeilen spiegeln...so ungefähr..
die gefangenschaft habe ich hinter mir. und jetzt bin ich wie ein gummi
mensch in alle richtungen beweglich..auf nichts fixiert..ich habe nach
meiner 20 jährigen, mir selbstauferlegten busse.. auch den schritt gewagt..
und habe meine vergangenheit rekapituliert und weggesteckt, in den tresor,
wo es hingehört. ach ja, nach der busse und dem endgültigen fall in die finsternis
bin ich auf wundersame weise aufgewacht...aus einem langen tiefen schlaf.
wie dornröschen, nur das der prinz es nicht war, der mich wachgeküsst
hat, sondern es war ein himmlischer kuss.:liebe1:
l.g. alice
 
Hallo Alice,

ach ja, nach der busse und dem endgültigen fall in die finsternis bin ich auf wundersame weise aufgewacht...

hmmm ... ich weiß jetzt nicht, ob ich ganz richtig versteh, aber bei mir wars so. Da kam nach einer Zeit der Besinnung und auch Busse, ja, so kann ich sagen, nochmal ein Fall, ein Absturz. Da hab ich wieder was neues kennengelernt aber schön wars nicht, was ich da noch in mir gefunden hab. Egal. Seit ca. 3 Jahren gehts auf, das Steinderl und aufwärts, das Leben hat eine kleine Aufgabe bekommen die sich besser mit einem offenen Herz bewerkstelligen läßt und das macht schon Sinn. Nicht jeder Tag gelingt gleich gut, aber wer ist schon so gesegnet.

Himmlischer Kuss, ja. Das klingt gut.

Hoffentlich langts aber jetzt mal für ne Weile mit dem großen Auf und Ab zwischen Himmel und Höllengrund. Einen 3. Waschgang würd ich körperlich nicht mehr überstehn :)

l.G.K.
 
in mir ist da so ein bild, ich kriege das auch nicht raus, erst muss alles
zu asche verbrannt sein, die eigendünkel müssen verschwinden, die
welt ist nicht feind und sie ist auch nicht freund. du bist...... der
sie zusammen hält, der autor deiner geschichte auf erden, und du findest
deine eigene worte, um aus einem dilemma, die tragisch-göttliche komödie:weihna1
zu machen. das ist der spalt der welt, die phantsie und das vorstellungs-
vermögen..machen aus uns einen intensiv aufsaugenden menschen..
aber irgendwann kommt die stille..oder der knall..bei mir war es ein hörsturz
aua.
das leiden ist eine gute übung..das versetzt einem den letzten schliff,
bevor der adler seine flügel hebt und in die unendlichkeit fliegt.
oder phönix-ix- aus der asche.
alice
 
das leiden ist eine gute übung..das versetzt einem den letzten schliff,
bevor der adler seine flügel hebt und in die unendlichkeit fliegt.
oder phönix-ix- aus der asche.
alice

Schön gesagt, ja. Alles muss zu Asche verbrannt sein, glaub ich auch. Aber mit dem Leiden is das so eine Sache. Ich trau mir das gar nicht für mich beanspruchen, seh ja irgendwo, dass die ganze Welt damit voll ist. Mit dem Leiden. Natürlich bin ich auch ein wenig mit von der Partie :clown:

aber ich lach auch oft über meine traurige Windmühlenkriegergestalt. Aber das sieht man ja im Internet nicht so gut :)

Gute Nacht
 
Windenmühlenkriegergestalt..... lustiges wort

ja ..auch diese phase ist mir nicht fremd.aber weisst du, es ist doch
besser viele rollen zu spielen, als an einer kleben bleiben.
nachdem ich nicht mehr wusste, was ich denn jetzt mit meinem
leben anstelle..als ich im turm eingesperrt war..wie rapunzel..
oder ein gewagter vergleich..am menschlichen kreuz gestorben...
habe ich mich entschieden, es als ein abenteuer zu sehen. ein
abenteuer das mir situationen spiegelt, und meine ausrichtung gen freiheit..
lernt damit umzugehen..ohne verlangen. und vor allem ohne dieses
selbstmitleid. das war eines der ersten dinge, die ich über bord
geworfen habe, als ich mich in der stürmischen see befand.... die
nusschale im ozean. der wind hat es gut mit mir gemeint, freuen und
der wind sind verbündete...der gute alte wind, hat mich hoch in die lüfte
geschleudert..und mir ferne bilder gezeigt...aus einer anderen zeit.
da war mein herz ganz ganz ruhig und ohne diese angst, einfach nur
stille und aus der blüte ist die frucht geworden.
hinter der dunkelheit wartet das licht....und ein herz das sich demütig-
dankbar wundert....
und so laufe ich durch das wunderland..sturmerprobt...ein
abenteuer...und manchmal höre ich der raupe..auf ihrem sessel, pfeiffe rauchend..... zu..seltsame geschichten erzählt sie mir.
148.gif

alice
 
Ja, das Selbstmitleid.

Manchmal schlägt es noch zu, wenn das Bewusstsein gefangen scheint, in Körper und Zeit. Dann denkt es: Jahre im Dunkel = tote Jahre. Vergisst, dass damals auch "der Moment" zählte. Offensichtlich eine Qualität besaß, die er in der Rückschau nicht mehr besitzt. Eine recht fragwürdige Qualität vielleicht, aber doch. Gegen diese Art von Selbstmitleid hilft sehr gut der Gedanke an die Ewigkeit, die diese ganze Lebensspanne wie auch die toten Jahre im Nu verschlingt und für Null und Nichtig erklärt.

Die Zukunft in der Zeit reicht mir nicht, 20 oder mehr tote jahre auszugleichen. Das wäre das Halbe Leben denn es kann morgen zu Ende sein. Ich bin Größenwahnsinnig. Dem Leben (hier, in dieser Zeit) einfach noch ein paar gute Tage rausreissen, wär mir zu wenig. Das reicht mir nicht. Ich will mehr. Der Gedanke an die Unendlichkeit ist die einzige Option und bietet zusätzlich die Möglichkeit, sogar in den scheinbar verlorenen Jahren Sinn zu erkennen. Für mich zumindest.

Doch bewege ich mich in Gedanken in der Unendlichkeit, gerate ich mit den "Anforderungen" der Zeit in Konflikt. Daran muss ich arbeiten.

Manchmal ist diese Existenz in diesem Körper ein Genuss, dann erscheint sie mir wieder wie ein Gefängnis für sich. Unabhängig von der haft im Herz. Das hängt wohl ab von der Intensität der Identifikation mit dem Körperlichen und dem Haften und Hängen in der Zeit. Über ein "Vorher" oder "Nachher" weiß ich ja "jetzt" nichts. Ich kenne ja nur diese Existenz im Moment. Jetzt eben. Doch ich spüre so einen inneren Anspruch an Freiheit in mir, dem dieser Körper nicht immer gerecht werden will oder kann. Daher Gefängnis.

Er wird zu wenig bewegt, dieser Körper. Ich muss ihn mehr bewegen. Darum hab ich mir jetzt wieder ein Fahrrad besorgt und so kann ich ihn auf einem 2,5 cm starken Luftpolster über dem Asphalt durch die Stadt bewegen. Das urbane Chaos. Und es manchmal auch verlassen. Das Wetter ist schön. Sonnig, 11°. Durchschnittliche Windstärke 25 km/h. Berg ab mehr, Berg auf weniger, Schweiss, Entgiftung, tiefere Atmung, je nach Umgebung mal mehr dann wieder weniger guter Luft. Auch der Hunger kehrt zurück. Gestern habe ich zum ersten mal seit langem wieder normal und verhältnissmäßig reichlich gegessen. Ich lebe noch. Das behagt mir sehr. Ich bewege diesen Körper (mich?) und dieser Körper bewegt dieses Luftkissenfahrzeug. Von A nach B.

Oder wäre es besser, diesen Körper zu vergessen? Verfallen zu lassen?

Ich glaube nicht.



***Margit: Bilder entfernt, da auf der Homepage von der direkt hier herverlinkt wurde (Hotlink!) die Anmerkung steht, dass direktes Verlinken der Bilder von der Seite nicht erlaubt ist! Trafficklau!!! ***
 
Ja!

Was sind ein paar Jährchen gegen die Ewigkeit?

Nichts!

Aber wenn man so spricht, gehts einem ja schon wunderbar.

Aber in dem Moment wo der Nierenstein abgeht wird dieser Moment zur Ewigkeit

Jetzt war ich wieder im Krankenhaus. Da sieht man auch Leid genug. Und beim Wegfahren hab ich mir gedacht, hat das Leben hier einen anderen sinn auch noch, als dauernd den Kontrast zwischen Leid und Freude wahrzunehmen.

Rennt bei mir was verkehrt herum? Erleb ich in mir Freude, sehe ich rundherum Leid. Steck ich im Leid, sehe ich rundherum Freude und fühl mich, als wär ich das letzte Loch am Ende dieser Welt. Je mehr ich in einem Extrem versink um so mehr werd ich es selbst - werd zu lebendigem Leid oder lebendiger Freude und seh im Außen grad das, was ich nicht habe und das erdrückt mich, weil vorübergehend erscheint es unerreichbar. So kommts mir manchmal vor. Naja, wer würde das Leid erreichen wollen, wenn er in der Freude steckt? Kein normaler Mensch würde das freiwillig wollen.

Hmmm .... und dann seh ich noch den Weg in der Mitte. Hier bekommt man alles mit. Zu gleichen Teilen. Wird von allem berührt, doch von nichts erwürgt. Scheint mir gut zu sein, der Mittelweg, wenn die Balance stimmt.

Hoffentlich.
 
Werbung:
Zurück
Oben