Liebe santara,
inmitten meiner Vorbereitungen für ein Führungsseminar in der nächsten Woche, versuche ich mal zu antworten auf deine vielen Fragen.
santara schrieb:
Und wie ist das dann mit Männern, die (kleine) Jungs mißbrauchen??? Entsteht da keine "Bindung"?
Frage an Radio Eriwan? Antwort: im Prinzip nicht.... Bisher hab ich keine Ausnahmen gesehen, erlebt oder gehört. Eine systemische Bindung wie sie zwischen Mann und Frau entsteht, habe ich noch nie beobachtet... Aber man weiß ja nie. Man muss auch hier immer den ienzelfall anschauen. Grundsätzlich habe ich aber noch nie gesehen, dass bei homoerotischen Kontakten jedweder Art eine systemische Bindung entstanden ist.
Dennoch kann es sein, dass eine Aufstellung (wie in meinem eigenen Fall) hilft und befreit.
santara schrieb:
Ein traumatisches Erlebnis ist es so oder so. Deshalb vermute ich mal, dass eine Bindung besteht.
Nicht im systemischen Sinn. Die beiden Betroffenen des Übergriffes "klinken" sich icht in das Herkunfts- oder Gegenwartssystem des Anderen "ein", wie es bei heterosexuellen Partnern der Fall sein kann.
santara schrieb:
Wie "löst" man sich nun von dem, was vorher war?
Man löst sich durch Anerkennen der Bindung inclusive ihres weiteren Bestehens. Denn Bindungen sind unauflöslich. Die Frage ist nur, wie sie wirken. Man löst sich durch das Paradoxe.
santara schrieb:
Was, wenn der andere einen festhält? Wenn man einfach nur latent aggressiv reagiert, weil man spürt, man wird gehalten?
Meistens ist es umgekehrt wie dargestellt. Wer einen "festhält", da ist die Bindung nicht anerkannt und die Liebe nicht gewürdigt. Oft geht es darum, anzuerkennen, dass die Trennung nicht gemäß war (wenn auch vielleicht wegen eigener Verstrickung unausweichlich).
Oft ist in so einem Fall noch ein großer Ausgleich fällig, den man zu leisten hat, damit beide frei sein können.
santara schrieb:
Was, wenn ich es tatsächlich nicht schaffe, allen Verflossenen mit Achtung entgegen zu treten? Hat dann ein Neuer wirklich keine Chance?
Ja. Genau so ist es. Der unbewusste Blick wird ja nicht frei für ihn und er wagt nicht, dich zu nehmen um den großen Preis den die anderen zahlen mussten. So wird er ihnen solidarisch und treu.
santara schrieb:
Was, wenn er neben mir steht und sagt, was sie dir "vorwirft" ist berechtigt?
Wer ist "er" und wer ist "Sie" n diesem Fall? *verwirrtbin*
santara schrieb:
Muss ich denn wirklich jedem alles verzeihen?
Habe ich nicht auch ein "Recht" darauf, mit meiner Wut stehen zu bleiben?
Du tust sogar gut daran, niemandem irgend etwas zu "verzeihen". Gerade neulich habe ich in einer Arbeit mit einem Paar erlebt, welche schlimme Wirkung es hat, wenn der Eine dem Anderen nciht die Folgen seiner Taten zumutet. Es trennt.
Vor alem gilt zuerst einmal: was ist, das ist. Also wenn du eine Wut hast jemandem gegenüber, dann muss die zunächst einmal anerkantn werden und da sein dürfen. dann lohnt sich, dahinter zu schauen. Wut (zumal aufrecht erhaltene) ist ein sekundärgefühl, eines, das das wesentliche verschleiern soll. Oft lenkt derjenige, welcher wütend ist und bleibt davon ab, was er dem anderen angetan hat. Und das ist meistens wesentlich schlimmer, als das, weswegen der Wütende wütend zu sein das Recht zu haben behauptet.
santara schrieb:
Kann es denn nicht auch sein, dass der andere noch entschuldigen muss? Oder muss ich immer alles hinnehmen?
Ja es kann schon sein, das der andere noch einen Ausgelich leisten muss. Nein - hin nehmen ist kein guter Weg. Wenn man liebt, tut man gut daran, den Ausgleich auch zu fordern oder selbst im Bösen herzustellen. "Gut" zu sein ist überheblich.
santara schrieb:
Und wie soll man, wenn man erkennt, dass da noch "viel" hängt, das alles in einem Leben, einer Aufstellung lösen können?
Da habe ich kein Patentrezept. Aber wenn alles ausgeglichen wäre und vollkommen, dann wäre es tot. Nur das Unausgeglichene bietet die Chance zu Leben und Entwicklung.
santara schrieb:
Mir wurde gesagt, es gäbe ein Familiengeheimnis. Toll. So stand ich da. Ohne Lösung. Bei der Suche nach diesem Geheimnis begann die bisher schlimmste Zeit meines Lebens. Hölle.
Eine Aufstellung bietet keine Garantie auf eine - zudem "gute" - Lösung. Jedoch wenn es um ein "Familiengeheimnis" geht, ist es manchmal kein guter Weg, sich auf die zwanghafte Suche zu machen, um es aufzudecken. das wäre wieder eine Verstrickung. Immerhin gehört das Geheimnis zu einer anderen Person, die es eigentlich lösen müsste.
Wichtig ist, einfach zu wissen, das es ein Geheimnis gibt und das anzuerkennen - eben als Geheimnis. "Ich lasse das Geheimnis bei euch", kann ein wirkungsvoller Satz sein, wenn innerlich vollzogen.
Auch aknn es angemessen sein, in so einem Fall zunächst mit einer Generationenreihe zu arbeiten, wie Bert das tut udn festzustellen, in welcher Generation das Geheimnis angesiedelt ist. Oft ziegt es sich uin einer Bewegung der Seele dann.
santara schrieb:
Muss man manchmal sowas tragen und vielleicht weitertragen, auch wenn man das nicht will? Vor allem nicht an seine Kinder weitergeben will?
Wenn man es trägt, dann will man es auch, Santara - wenn auch nicht bewusst. den eigenen Kindern gegenüber hilft manchmal die Haltung: "Ich trage eine schwere Last und die kommt von weit her. Ihr achtet mich, wenn ihr sie mir lasst, liebe Kinder. Ich kann das alleine."
Besser für die Kinder ist es natürlich, die Last dorthin zurück zu geben, wo sie hin gehört.
Ich hoffe, ich konnte zu diener Klärung beitragen.
Liebe Grüße
Christoph