Was soll die Diskutiererei?
Ein körperlich stärkerer Mann hat eine schwächere Frau geschlagen. Jetzt ist sie tot.
Es ist völlig egal, was die geredet haben oder ob sie gestritten haben oder sonst irgendein Scheiß... es gibt keinen Grund, zuzuschlagen.
Und hätte er das nicht gemacht, würde sie leben.
Da brauchts keine Hintergrundursachensuche.
Doch, es geht hier um viel mehr. Hier einfach nur auf die Körperverletzung abzustellen und zu sagen "das ist schlecht" ist ziemlich platt, denn das haben wir auch vorher schon gewusst. Mit der Plattitüde "Gewalt ist schlecht" zu versuchen, jegliche differenzierte Diskussion des Themas abzuwürgen halte ich genau für ein Symptom der Mob-Mentalität. Man will einfache Umstände schaffen, nicht genauer hingucken, klare Verhältnisse haben - hier gut, dort böse.
Wie gesagt, mir geht es vor allem auch darum, wie diese Geschichte Mechanismen unserer Gesellschaft und unserer Medien illustriert. Wie undifferenziert und willkürlich mit dem Thema umgegangen wird, und wie das zeichnend für eine Gesellschaft ist, die unfähig wird, sich eine Meinung zu bilden, und einfach von anfang an eine Meinung hat.
Ich finde das nicht so schlimm wenn Tugce von den Medien stilisiert wird. Wenn ihr kurzes Leben irgendeinen Sinn gehabt haben soll, dann vielleicht, dass sie andere zur Zivilcourage inspiriert, die zuvor weggeguckt hätten.
Das mag zuerst mal stimmen. Gerade hier könnte man zu einer konstruktiven Aufarbeitung in dem Sinne, wie ich oben beschrieben habe, ansetzen. Gehen wir jetzt - rein hypothetisch - davon aus, dass die Version stimmt, die von den Freunden des Täters verbreitet wird, nämlich dass Tugce den Täter beleidigt und provoziert hat. Dann müssen wir uns auch mal die Frage stellen, was ist Zivilcourage und ist sie immer gut?
Der Freund von Sanel ist deeskalierend eingeschritten, und Tugce hätte dann durch ihre "Zivilcourage" eben die Eskalation provoziert. Hätte sie nichts gemacht, wäre er wahrscheinlich von seinem Freund weggezerrt worden und es wäre womöglich nichts weiter passiert. Jetzt ist sie tot und er landet im Gefängnis.
Anstatt hier einfach zu sagen "
Juhu, Zivilcourage!" könnte man sich fragen, wie man sich in so einer Situation
richtig verhält. Und ich meine jetzt nicht die Diskussion rund ums "Sich-Einmischen", sondern v.a. auch die Frage nach dem wie. Wenn man nämlich Zivilcourage zeigt und gerade dieses Verhalten zur Eskalation führt, ist niemandem gedient. Aber für eine solche Debatte, die vielleicht wirklich Früchte tragen könnte, ist leider offensichtlich gerade kein Platz, weil jeder mit Beschuldigen und Weinen beschäftigt ist.
Das eigentliche Problem ist nicht, wieso dieser Schlag erfolgte, sondern warum verbale Gewalt in unserer Gesellschaft keinerlei Stellenwert hat und erst zugeschlagen werden muss, damit es als Gewalt gesehen wird.
Das ist ein ganz, ganz wesentlicher Punkt!