lotus-light
Sehr aktives Mitglied
+ Kreuzgang +
Ein regengrauer freier Tag bricht an und führt mich wieder ins Zentrum. Eintauchend in Menschenmassen, wie ein ellenlanger Strom von hin- und herfließenden Partikeln, die ihre eigenen Wege gehen, jedoch mit genügend Abstand, und vielleicht aus einer höheren Perspektive betrachtet, sich in einen großen Fluß verwandeln, der seine eigene Dynamik aufweist.
Ein Geigenspieler sitzt versunken auf dem Boden. Sein Blick ist nicht einzufangen, verliert sich irgendwo in den Schluchten der Häuser. Er spielt das Ave Maria als wäre es das letzte Lied des Tages. Einige Menschen bleiben stehen, viele ziehen weiter, aber dieser Melodie kann man nicht entgehen, sie nimmt die ganze Fußgängerzone ein. Fällt wie ein seidenes Tuch über den grauen Betonboden.
Ich betrete einen Laden, und der Technobeat vermischt sich mit dem Ave Maria zu einer grausamen Symphonie in meinen Ohren. Mal nehmen die dumpfen Bässe überhand, mal die streichelnden Töne der Geige, ohne jemals ein Gleichgewicht zu erreichen.
Mein Weg führt mich weiter, und ein älterer Herr schaut mich an, und hält mir einen Papierflyer entgegen. Die Geschichte vom modernen Menschen, so lautet die Überschrift. Ich wende das Papier und überfliege die Rückseite, wo geschrieben steht Suchet den Herrn, solange Er zu finden ist, rufet ihn an, solange Er nahe ist. - Jesaja, 55,6. Evangelischer Missionsdienst, die Wegbereiter aus Oberdingen-Flehingen. Ich knicke das Papier in der Mitte und stecke es in die Manteltasche, genug der Worte. Aber keine zwanzig Meter weiter, wartet schon der nächste Verkünder. Wieder ein Papierflyer, der von Hand zu Hand ausgetauscht wird. Was ist es diesmal? Die Flyer werden nobler, glänzendes farbiges Papier mit dem Bild eines schneebedeckten Berges, der sich in einem See spiegelt. Über dem Berg steht geschrieben: - So spricht der Herr - Im Wasser steht geschrieben: - Suche mich und lebe! - Wieder drehe ich es um und schaue mir die Rückseite an: - Sind sie errettet und erlöst? - springen mich die Buchstaben an. Diesmal ist es von der Verbreitung der heiligen Schrift, aus Eschenburg.
Leider wird auch dieses Papier nicht erhört sondern geknickt und landet in meiner Manteltasche. Was ist das hier überhaupt? Die Straße der Bekehrung oder die road of no return?
Da erwartet mich schon der nächste ältere Herr vor einem Stand stehend. Sein langes graues Haar umspielt den noch längeren grauen Bart und er sucht intensiv meinen Blick. Nein, ich will keine Flyer mehr. Während er sekundenlang überlegt, ob er mich ansprechen soll, trifft ihn mein kühler Blick, so dass er es schlussendlich sein lässt. Vielleicht war meine Kleidung auch zu schwarz für ihn, für diesen strahlend buddhistischen Verein. Doch meine Aura trägt keine Farben.
Nein, ich wollte nicht in dem Strom untergehen und mich am Konsum des Lebens berauschen, mein Ziel war ein ganz anderes, direkt neben dieser riesigen Schlange aus Menschenkörpern gelegen.
Ich betretet das Atrium durch die linke Tür. Keine Menschenseele weit und breit, nur das riesige Holzkruzifix hängt still und klagend an der Wand. Weiter führt der Weg durch die Glastür und direkt zu dem siebenarmigen Leuchter, der mich immer wieder fasziniert. Ein Abbild aus dem Tempel aus Jerusalem, die Menora, verziert mit riesigen Edelsteinen. Mein Weg führt mich weiter in die Krypta. Dort steht eine hölzerne Gebetsbank und ein Gesangsbuch liegt obenauf. Ich nehme das Buch in meine Hände und schlage wahllos eine Seite auf, lese die ersten Zeilen des Liedes und lege es dann wieder zurück. Wieder aus der Krypta entlassen führen meine Schritte weiter am Altar vorbei hin zur Goldenen Madonna. Merkwürdigerweise bin ich ganz allein mit ihr. Es ist der Ort, der die höchste Anziehungskraft besitzt in dieser Kirche, und die Menschen versammeln sich vor ihr, um zu beten, oder setzen sich still und leise auf die dunklen Holzbänke, und gehen in sich.
Ich entzünde drei Opferkerzen und stelle sie in einem Dreieck ganz nah beieinander. Sollen sie brennen für die Trinität. - Tut, was er euch sagt -, steht unter der Goldenen Maria geschrieben. Lange denke ich über diesen Satz nach, und gehe in mich, bis ich Schritte hinter mir höre. Eilige Schritte, die immer näher kommen. Eine Frau rauscht an mir vorbei und fällt direkt vor der Madonna auf den kalten Steinboden auf ihre Knie, erhebt die Hände zum Gebet, neigt den Kopf und schließt die Augen.
Ihre Demut und stille Andacht ist berührend.
Es ist Zeit zu gehen. Nur vereinzelt sitzen ein paar Menschen in den Kirchenbänken und ihre Gesichter spiegeln Leid, blankes Leid. Was haben sie wohl erlebt? Was könnte ihr Leben mir erzählen? Eine Frau weint und ihre verkrampften Finger halten sich an einem Taschentuch fest.
Mein letzter Weg führt durch den Kreuzgang mit innenliegendem Friedhof. Der Himmel hat sich noch grauer gefärbt und ein leichter Nieselregen fällt. Ich freue mich allein diesen Weg zu gehen, alleine im Inneren zu sein, so kann ich mich ungestört der Ruhe hingeben und den liebevoll gestalteten Innengarten betrachten. Auf dem Rande des kleinen Steinbrunnens im Zentrum, dunkelgrün von Moos gefärbt, liegen ein paar Rosen, leicht verwelkt und blass in ihren Farben. Fast schon ist das Rot dem Schwarz gewichen, welches sich in ihren Blüten ausbreitet.
Und, hast du nun gefunden, wonach du gesucht hast? flüstert eine leise Stimme.
Ja, flüstere ich zurück.
Ein regengrauer freier Tag bricht an und führt mich wieder ins Zentrum. Eintauchend in Menschenmassen, wie ein ellenlanger Strom von hin- und herfließenden Partikeln, die ihre eigenen Wege gehen, jedoch mit genügend Abstand, und vielleicht aus einer höheren Perspektive betrachtet, sich in einen großen Fluß verwandeln, der seine eigene Dynamik aufweist.
Ein Geigenspieler sitzt versunken auf dem Boden. Sein Blick ist nicht einzufangen, verliert sich irgendwo in den Schluchten der Häuser. Er spielt das Ave Maria als wäre es das letzte Lied des Tages. Einige Menschen bleiben stehen, viele ziehen weiter, aber dieser Melodie kann man nicht entgehen, sie nimmt die ganze Fußgängerzone ein. Fällt wie ein seidenes Tuch über den grauen Betonboden.
Ich betrete einen Laden, und der Technobeat vermischt sich mit dem Ave Maria zu einer grausamen Symphonie in meinen Ohren. Mal nehmen die dumpfen Bässe überhand, mal die streichelnden Töne der Geige, ohne jemals ein Gleichgewicht zu erreichen.
Mein Weg führt mich weiter, und ein älterer Herr schaut mich an, und hält mir einen Papierflyer entgegen. Die Geschichte vom modernen Menschen, so lautet die Überschrift. Ich wende das Papier und überfliege die Rückseite, wo geschrieben steht Suchet den Herrn, solange Er zu finden ist, rufet ihn an, solange Er nahe ist. - Jesaja, 55,6. Evangelischer Missionsdienst, die Wegbereiter aus Oberdingen-Flehingen. Ich knicke das Papier in der Mitte und stecke es in die Manteltasche, genug der Worte. Aber keine zwanzig Meter weiter, wartet schon der nächste Verkünder. Wieder ein Papierflyer, der von Hand zu Hand ausgetauscht wird. Was ist es diesmal? Die Flyer werden nobler, glänzendes farbiges Papier mit dem Bild eines schneebedeckten Berges, der sich in einem See spiegelt. Über dem Berg steht geschrieben: - So spricht der Herr - Im Wasser steht geschrieben: - Suche mich und lebe! - Wieder drehe ich es um und schaue mir die Rückseite an: - Sind sie errettet und erlöst? - springen mich die Buchstaben an. Diesmal ist es von der Verbreitung der heiligen Schrift, aus Eschenburg.
Leider wird auch dieses Papier nicht erhört sondern geknickt und landet in meiner Manteltasche. Was ist das hier überhaupt? Die Straße der Bekehrung oder die road of no return?
Da erwartet mich schon der nächste ältere Herr vor einem Stand stehend. Sein langes graues Haar umspielt den noch längeren grauen Bart und er sucht intensiv meinen Blick. Nein, ich will keine Flyer mehr. Während er sekundenlang überlegt, ob er mich ansprechen soll, trifft ihn mein kühler Blick, so dass er es schlussendlich sein lässt. Vielleicht war meine Kleidung auch zu schwarz für ihn, für diesen strahlend buddhistischen Verein. Doch meine Aura trägt keine Farben.
Nein, ich wollte nicht in dem Strom untergehen und mich am Konsum des Lebens berauschen, mein Ziel war ein ganz anderes, direkt neben dieser riesigen Schlange aus Menschenkörpern gelegen.
Ich betretet das Atrium durch die linke Tür. Keine Menschenseele weit und breit, nur das riesige Holzkruzifix hängt still und klagend an der Wand. Weiter führt der Weg durch die Glastür und direkt zu dem siebenarmigen Leuchter, der mich immer wieder fasziniert. Ein Abbild aus dem Tempel aus Jerusalem, die Menora, verziert mit riesigen Edelsteinen. Mein Weg führt mich weiter in die Krypta. Dort steht eine hölzerne Gebetsbank und ein Gesangsbuch liegt obenauf. Ich nehme das Buch in meine Hände und schlage wahllos eine Seite auf, lese die ersten Zeilen des Liedes und lege es dann wieder zurück. Wieder aus der Krypta entlassen führen meine Schritte weiter am Altar vorbei hin zur Goldenen Madonna. Merkwürdigerweise bin ich ganz allein mit ihr. Es ist der Ort, der die höchste Anziehungskraft besitzt in dieser Kirche, und die Menschen versammeln sich vor ihr, um zu beten, oder setzen sich still und leise auf die dunklen Holzbänke, und gehen in sich.
Ich entzünde drei Opferkerzen und stelle sie in einem Dreieck ganz nah beieinander. Sollen sie brennen für die Trinität. - Tut, was er euch sagt -, steht unter der Goldenen Maria geschrieben. Lange denke ich über diesen Satz nach, und gehe in mich, bis ich Schritte hinter mir höre. Eilige Schritte, die immer näher kommen. Eine Frau rauscht an mir vorbei und fällt direkt vor der Madonna auf den kalten Steinboden auf ihre Knie, erhebt die Hände zum Gebet, neigt den Kopf und schließt die Augen.
Ihre Demut und stille Andacht ist berührend.
Es ist Zeit zu gehen. Nur vereinzelt sitzen ein paar Menschen in den Kirchenbänken und ihre Gesichter spiegeln Leid, blankes Leid. Was haben sie wohl erlebt? Was könnte ihr Leben mir erzählen? Eine Frau weint und ihre verkrampften Finger halten sich an einem Taschentuch fest.
Mein letzter Weg führt durch den Kreuzgang mit innenliegendem Friedhof. Der Himmel hat sich noch grauer gefärbt und ein leichter Nieselregen fällt. Ich freue mich allein diesen Weg zu gehen, alleine im Inneren zu sein, so kann ich mich ungestört der Ruhe hingeben und den liebevoll gestalteten Innengarten betrachten. Auf dem Rande des kleinen Steinbrunnens im Zentrum, dunkelgrün von Moos gefärbt, liegen ein paar Rosen, leicht verwelkt und blass in ihren Farben. Fast schon ist das Rot dem Schwarz gewichen, welches sich in ihren Blüten ausbreitet.
Und, hast du nun gefunden, wonach du gesucht hast? flüstert eine leise Stimme.
Ja, flüstere ich zurück.