+ Kreuzgang +

lotus-light

Sehr aktives Mitglied
Registriert
27. Oktober 2003
Beiträge
4.894
Ort
~ im kelch der blüte ~
+ Kreuzgang +

Ein regengrauer freier Tag bricht an und führt mich wieder ins Zentrum. Eintauchend in Menschenmassen, wie ein ellenlanger Strom von hin- und herfließenden Partikeln, die ihre eigenen Wege gehen, jedoch mit genügend Abstand, und vielleicht aus einer höheren Perspektive betrachtet, sich in einen großen Fluß verwandeln, der seine eigene Dynamik aufweist.

Ein Geigenspieler sitzt versunken auf dem Boden. Sein Blick ist nicht einzufangen, verliert sich irgendwo in den Schluchten der Häuser. Er spielt das Ave Maria als wäre es das letzte Lied des Tages. Einige Menschen bleiben stehen, viele ziehen weiter, aber dieser Melodie kann man nicht entgehen, sie nimmt die ganze Fußgängerzone ein. Fällt wie ein seidenes Tuch über den grauen Betonboden.
Ich betrete einen Laden, und der Technobeat vermischt sich mit dem Ave Maria zu einer grausamen Symphonie in meinen Ohren. Mal nehmen die dumpfen Bässe überhand, mal die streichelnden Töne der Geige, ohne jemals ein Gleichgewicht zu erreichen.

Mein Weg führt mich weiter, und ein älterer Herr schaut mich an, und hält mir einen Papierflyer entgegen. ’Die Geschichte vom modernen Menschen’, so lautet die Überschrift. Ich wende das Papier und überfliege die Rückseite, wo geschrieben steht – Suchet den Herrn, solange Er zu finden ist, rufet ihn an, solange Er nahe ist. - Jesaja, 55,6. Evangelischer Missionsdienst, die Wegbereiter aus Oberdingen-Flehingen. Ich knicke das Papier in der Mitte und stecke es in die Manteltasche, genug der Worte. Aber keine zwanzig Meter weiter, wartet schon der nächste Verkünder. Wieder ein Papierflyer, der von Hand zu Hand ausgetauscht wird. Was ist es diesmal? Die Flyer werden nobler, glänzendes farbiges Papier mit dem Bild eines schneebedeckten Berges, der sich in einem See spiegelt. Über dem Berg steht geschrieben: - So spricht der Herr - Im Wasser steht geschrieben: - Suche mich und lebe! - Wieder drehe ich es um und schaue mir die Rückseite an: - Sind sie errettet und erlöst? - springen mich die Buchstaben an. Diesmal ist es von der Verbreitung der heiligen Schrift, aus Eschenburg.

Leider wird auch dieses Papier nicht erhört sondern geknickt und landet in meiner Manteltasche. Was ist das hier überhaupt? Die Straße der Bekehrung oder die road of no return?
Da erwartet mich schon der nächste ältere Herr vor einem Stand stehend. Sein langes graues Haar umspielt den noch längeren grauen Bart und er sucht intensiv meinen Blick. Nein, ich will keine Flyer mehr. Während er sekundenlang überlegt, ob er mich ansprechen soll, trifft ihn mein kühler Blick, so dass er es schlussendlich sein lässt. Vielleicht war meine Kleidung auch zu schwarz für ihn, für diesen strahlend buddhistischen Verein. Doch meine Aura trägt keine Farben.

Nein, ich wollte nicht in dem Strom untergehen und mich am Konsum des Lebens berauschen, mein Ziel war ein ganz anderes, direkt neben dieser riesigen Schlange aus Menschenkörpern gelegen.

Ich betretet das Atrium durch die linke Tür. Keine Menschenseele weit und breit, nur das riesige Holzkruzifix hängt still und klagend an der Wand. Weiter führt der Weg durch die Glastür und direkt zu dem siebenarmigen Leuchter, der mich immer wieder fasziniert. Ein Abbild aus dem Tempel aus Jerusalem, die Menora, verziert mit riesigen Edelsteinen. Mein Weg führt mich weiter in die Krypta. Dort steht eine hölzerne Gebetsbank und ein Gesangsbuch liegt obenauf. Ich nehme das Buch in meine Hände und schlage wahllos eine Seite auf, lese die ersten Zeilen des Liedes und lege es dann wieder zurück. Wieder aus der Krypta entlassen führen meine Schritte weiter am Altar vorbei hin zur Goldenen Madonna. Merkwürdigerweise bin ich ganz allein mit ihr. Es ist der Ort, der die höchste Anziehungskraft besitzt in dieser Kirche, und die Menschen versammeln sich vor ihr, um zu beten, oder setzen sich still und leise auf die dunklen Holzbänke, und gehen in sich.

Ich entzünde drei Opferkerzen und stelle sie in einem Dreieck ganz nah beieinander. Sollen sie brennen für die Trinität. - Tut, was er euch sagt -, steht unter der Goldenen Maria geschrieben. Lange denke ich über diesen Satz nach, und gehe in mich, bis ich Schritte hinter mir höre. Eilige Schritte, die immer näher kommen. Eine Frau rauscht an mir vorbei und fällt direkt vor der Madonna auf den kalten Steinboden auf ihre Knie, erhebt die Hände zum Gebet, neigt den Kopf und schließt die Augen.
Ihre Demut und stille Andacht ist berührend.

Es ist Zeit zu gehen. Nur vereinzelt sitzen ein paar Menschen in den Kirchenbänken und ihre Gesichter spiegeln Leid, blankes Leid. Was haben sie wohl erlebt? Was könnte ihr Leben mir erzählen? Eine Frau weint und ihre verkrampften Finger halten sich an einem Taschentuch fest.

Mein letzter Weg führt durch den Kreuzgang mit innenliegendem Friedhof. Der Himmel hat sich noch grauer gefärbt und ein leichter Nieselregen fällt. Ich freue mich allein diesen Weg zu gehen, alleine im Inneren zu sein, so kann ich mich ungestört der Ruhe hingeben und den liebevoll gestalteten Innengarten betrachten. Auf dem Rande des kleinen Steinbrunnens im Zentrum, dunkelgrün von Moos gefärbt, liegen ein paar Rosen, leicht verwelkt und blass in ihren Farben. Fast schon ist das Rot dem Schwarz gewichen, welches sich in ihren Blüten ausbreitet.

Und, hast du nun gefunden, wonach du gesucht hast? flüstert eine leise Stimme.

Ja, flüstere ich zurück.
 
Werbung:
mal ernsthaft:

hast du dir schon mal überlegt ein Buch machen zu lassen, eine Sammlung mit gedichten und Kurzgeschichten - das solltest du

ich geb dann schon mal eine Bestellung auf

:liebe1:

FIST
 
Sind wir nicht immer ganz ernsthaft? ;)

Ja, die Seele liebäugelt mit vielem, auch mit diesem …

Aber mal so einfach ’machen lassen’, hört sich zu schön an, um wahr zu sein. Klar, man könnte für einige Öros Vorkasse sich ein Buch drucken lassen, und dann?
Dann brauche ich ein neues Bücherregal *g*

Aber Träume gehen nicht verloren …

Du bekommst dann natürlich ein gewidmetes handsigniertes Exemplar *smile*

:liebe1:

lotus light
 
hm also ich bin eigentlich der Ernst in Person :party02:

hm, ja, ein Buch so richtig gut zu verlegen ist Klinkenputzerei - aber vieleicht gibts da einige kleine Verlage, die auch ohne Vorkasse und mit so richtigem Verlegen kleine Büchlein verlegen... also so dass du nicht vorauszahlen musst, sondern im Gegenteil noch einen Vorschuss bekommst und Tantiemen und so

Freue mich schon auf das Exemplar

:liebe1:

FIST
 
Eine schöne neue Signatur hast du FIST ...

Und zum ungeschriebenen Buch, hm, hättest du vielleicht einen Vorschlag, welche Verlage?
Habe ich überhaupt genug geschrieben, um eine ganzes Buch zu füllen?
Ich könnte mir vorstellen noch eigene Fotos einzubinden. Dazu muß ich aber erstmal wieder Steinengel einfangen ;)

Ich seh schon, bis ich das fertig habe, wird es so dick wie ein Telefonbuch sein, und ich kurz vorm Exitus.

Vielleicht wäre ne Hompage für den Anfang erstmal einfacher. Aber es ist schon etwas anderes, ob man ein Buch in der Hand hält, oder auf einen Monitor schaut.

:liebe1:
 
Werbung:
Danke für die Signatur

hm... welchen Verlag? ich würd gleich Gross anfangen und es bei Diogenes versuchen :)

Liebe Grüsse

FIST
 
Zurück
Oben