Alle prognostizieren, neben den Astrologen auch die Meteorologen, die Wirtschaftswissenschaftler, die Journalisten und jedermann/jedefrau im Alltag ... jedes einigermaßen geplante Handeln findet auf der Basis von Prognosen statt. Und allesamt sind die Prognosen mal zutreffend, mal nicht - daran ändert die Wissenschaft so wenig wie die Esoterik.
Es ist auch ziemlich unerheblich, gelungene Prognosen als Beweis ins Treffen zu führen und misslungene Prognosen als Gegenbeweis. Das hat lediglich anekdotischen Wert. Frelich kann ich, wenn ich wissenschaftlich prognostizieren will sprich: zum Beispiel wiederholbare Experimente bastele, die zum immer gleichen Ergebnis führen, um eine Theorie zu untermauern , zu überzeugenden Resultaten kommen, wenn ich zugleich den Rahmen der Experimente bestimme, also Laborbedingungen herstelle. Das ist der Anteil, der meistens verschweigen wird: "Unter Laborbedingungen" verhält sich Theorie A erwartungsgemäß ... Prognosen, die das "real life" betreffen, finden jedoch unter Bedingungen statt, die den Parametern
chaotischer Systeme entsprechen: nonlineare, rückgekoppelte Systeme. Dafür gilt das Axiom, dass Prognosen über das zeitliche Verhalten solcher Systeme nicht möglich sind.
Daran rüttelt auch die Astrologie nicht. In meinen Augen ist es ja gerade der große Vorteil der Astrologie, dass sie in ihren Modellbildungen auf Analogien zu einem in sich selbst höchst chaotischen System zurückgreift ... das Sonnensystem, das Universum ist schließlich selbst ein solches chaotisches System, wie schon Benoit zu Ende des 19. Jahrhunderts gezeigt hat. Wäre das alles "gesetzteskonform" stabil und geregelt, könnte es über das Leben wenig aussagen ...
Was Astrologie zweifelsohne kann, ist: Auf der Basis von bekannten Mustern Vermutungen anstellen, wie sich Prozesse, die sich schon in Entwicklung befinden (und das sind eigentlich eh alle ... vereinzelt und als Phänomen herausgenommen wird etwas eh erst durch's fokussierende Hinschauen) weiterhin entwickeln könnten ... in der Sprache der Chaostheorie: Innerhalb welcher Attraktoren sie sich manifestieren könnten. Der konstruktivistische Biologe Rupert Riedl hat mal in einem Vortrag die Frage gestellt: "Wieviele weiße Schwäne müssen vorbeifliegen, um ganz sicher zu sein, dass der nächste kein schwarzer Schwan sein wird?"
Wir können nur auf der Basis empirischer Daten prognostizieren ... und sind dabei immer mit der Möglichkeit konfrontiert, dass zum Beispiel durch eine Bifurkation im chaotischen Verlauf (Alltagssprache: durch das Eintreten eines unerwarteten Ereignisses) alles ganz anders wird. Wenn jemand ein so komplexes Ereignis wie den Zusammenbruch des staatskapitalistischen Imperiums vorhersagt und das mit astrologischen Argumenten untermauert, so steht das neben etlichen anderen Prognosen, die ebenfalls den Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums erwartet haben und die das auf ganz andere Argumente stützten *die einen auf wirtschaftliche, die anderen auf ideologische, die dritten auf historische. Hat da irgendjemand, der die Entwicklung richtig prophezeit hat, mehr Recht gehabt als ein anderer mit derselben zutreffenden Prognose?
Und vor allem: DASS so ein Zusammenbruch prophezeit wird ... no na. Das ist nur eine Frage des abwarten Könnens. Wer hat's einigermaßen auf den richtigen Zeitpunkt gelegt? @baubau: Du hast die Stelle von Liz Greene ... hat sie die Prognose des Zusammenbruchs des Sowjetimperiums auf Herbst 1989 datiert?
Die Frage dieses Threads ist: Zukunft vorhersagen möglich? Das kann man, auch jenseits von Astrologie, mit einem klaren Ja beantworten. Vorhersagen kann ich immer, das tun die Klimaforscher gerade, das tun die Militärs (in ganz unterschiedlicher Weise), wenn sie die Folgen einer kriegerischen Intervention abschätzen, das tun AstrologInnen, wenn sie sich drauf einlassen. Ich wage auch eine Prognose: Erstens kommt es anders, als man zweitens denkt. Selbstverständlich kann auch Astrologie Zukunfts-Einschätzungen formulieren und auf der Basis empirischer Muster-Extrapolation untermauern. So what? Manchmal trifft's, manchmal nicht ... und je verwaschener ich es formuliere, desto eher kann ich mich rühmen, ein toller, wissender Astrologe zu sein ... solange ich nicht selber in den Spiegel schaue und dabei die rosarote Brille abnehme.
Vor allem aber: Es ist so sinnlos und überflüssig, in die Zukunft schauen zu wollen. Wenn ich davon ausgehe, dass sie eh festgelegt und somit erkennbar wäre, ist es auch schon egal, ob ich's weiß oder nicht. Aber dann wäre eh auch festgelegt, ob ich's erfahre oder nicht oder jetzt drüber diskutiere oder nicht ... da wäre ich sozusagen Spielzeug in einem fremden Spiel.
Wenn ich davon ausgehe, dass die Zukunft nicht festgelegt ist, wäre es hingegen paradox zu vermuten, ich könnte sie vorhersagen. Ein bisserl schwanger geht nun mal nicht. So gern sich so viele AstrologInnen dann doch ein bisserl (spökenkiekerisch) trächtig zeigen ... Es wäre dann wohl wichtiger, in die Gegenwart zu schauen und zu checken (auch astrologisch untermauert), was ich hier und jetzt tun kann, um aus einem Bukett von Zukunfts-Entwürfen den wünschbareren zu realisieren.
Wenn mich jemand fragt, wann sie/er der großen Liebe begegnen würde ... was wäre denn vermutlich hilfreicher? Wenn ich stirnrunzelnd ins Horoskop schaue und sage: "In 1 1/2 Jahren, wenn Venus ins Trigon mit Jupiter geht, begegnet dir der Froschkönig!"? Oder wenn ich auf der Basis des Horoskops mit dem/der Fragesteller/in erarbeite, was der Hintergrund der Fragestellung sein könnte und was sie/er auf der Basis der astrologischen Strickmuster unternehmen könnte, um Kontakt- und Beziehungsverhalten zu verbessern? Ich bring mal provokant auf den Punkt: Wahrsage-Astrologie verhindert eher förderliche Lernerfahrung. Bewusstsein erweiternde Astrologie unterstützt hingegen dabei, mit seinen Talenten/Ressourcen gut umzugehen und dazu passende Ziele zu erreichen.