Eine weitere Konsequenz: Die israelische Regierung wird jetzt wohl - womöglich zusammen mit der us-amerikanischen - versuchen, den Internationalen Strafgerichtshof zu diskreditieren, die dortigen Richter offen oder verborgen einzuschüchtern.
Und genau das passiert jetzt schon. In der
JPost beispielsweise ist in einem Meinungsartikel zu lesen:
November 21, 2024 – the day the International Criminal Court in The Hague issued arrest warrants for
alleged war crimes against Prime Minister Benjamin Netanyahu and former defense minister Yoav Gallant – will go down as the day that led to the demise of the ICC itself.
Not the demise of Israel – as some of the enemies of the Jewish state fantasize the decision will expedite – but rather of the
ICC itself.
Why? Because this decision will be seen by reasonable people around the world – and there are reasonable people around the world – as a farce, a joke, a miscarriage of justice. The authority of courts, all courts, rests in the degree of credibility it has in the eyes of those it is meant to serve.
Natürlich ist es exakt andersherum. Es wäre "unreasonable" gewesen, die offensichtlichen Kriegsverbrechen Israels und der Hamas zu ignorieren. Es ist moralisch genau die richtige Entscheidung, das richtige Signal. Es wäre genau umgekehrt ein Zeichen von Armut und Vertrauensverlust aller "reasonable People around the World" hätte der Strafgerichtshof das alles einfach ignoriert.
Weiter unten steht dann die ultimative Rechtfertigung:
The kind of war
Israel is fighting in Gaza – against a terrorist organization for which the norms of civilization have no meaning – is not covered in international law. The laws of nations are those that deal with war between states who act in accordance with the same law. It is not the same as the situation Israel is in, where one side is a state bound by international law and the other side is a terrorist army hiding behind civilians and intentionally drawing fire toward civilians as a tactic of war.
Eigentlich heisst dieser Absatz nichts anderes als: Weil die Situation hier angeblich "völlig anders ist als alles jemals zuvor darf Israel auch völlig anders vorgehen als jemals zuvor". Sprich: es gibt keine Regeln, an die sich Israel bei der Bekämpfung der Hamas zu halten hat. Natürlich ist die Situation überhaupt nicht "völlig anders als jemals zuvor", sondern ganz im Gegenteil ist der militärische Kampf zweier nationalstaatlichen Akteure eher die Ausnahme, wenn man sich Konflikte anschaut, und der viel häufigere Kampf ist jener einer ethnischen Minderheit gegen einen grösseren staatlichen Akteur. Oft spielt da auch noch die Religion hinein. Genau das haben wir nicht nur in Israel/Gaza, sondern auch z.B. bei den Uighuren und dem chinesischen Staat, den Kurden in der Türkei, sowie an vielen anderen Orten auf der Welt. Und jedes Mal ohne Ausnahme ist es der staatliche Akteur der den Minderheitenakteur als "Terroristen" bezeichnet - was sie oft auch tatsächlich sind, weil sich eine Minderheit ja gar keine Armee leisten kann. Die Ausnahme sind also Konflikte wie jene zwischen der Ukraine und Russland.
Man muss also solche Worte als das lesen, was sie sind: Eine Abwehrreaktion, bzw. der Versuch, die Deutungshoheit wiederzuerlangen. Der Schock, eine Regierung zu haben, die als Kriegsverbrecher gesucht sind, ist schwer zu verdauen. Ganz besonders, wenn man (wie die Palästinenser es auch tun), das Narrativ des Opferseins gepflegt hat. (Natürlich nicht im Kontext des Holocaust, sondern im Kontext der Jahrzehnte palästinensischen Terrorismus.) Ein Opfer zu sein schliesst es eben nicht aus, dass man nicht auch zum Täter wird - genauso, wie die Palästinenser eben auch. Meine Referenz auf die biologische Kriegsführung in den Anfangstagen der israelischen Staatsgründung zeigt genau das auf.
Die Frage ist, wieviele Israelis für diese schwierige Selbsterkenntnis bereit sind. Vermutlich leider nicht allzu viele, wenn man sich anschaut, wie Netanjahu's Umfragewerte in den letzten Monaten wieder anstiegen, obschon sich eigentlich die Situation für Israel als ganzen Staat in den letzten 13 Monaten insgesamt auf allen möglichen Ebenen drastisch verschlechtert hat, und die Geiseln der Hamas noch immer nicht alle befreit sind.