Noch einmal Torsten Heinrich zur bescheuerten Aufrechnerei im Gazakrieg, wie
@fckw es hier in epischer Breite versucht:
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Dies ignoriert völlig, dass die Hamas gezielt und geplant auf Zivilisten losgegangen ist und folglich über 70 Prozent der Opfer Zivilisten waren. Nicht etwa als Kollateralschäden, sondern als gezielte Opfer. Die Hamas-"Kämpfer" hatten die Wahl, auf wen sie schießen. Sie konnten ihre Opfer identifizieren und auswählen. Deshalb haben sie auch gezielt junge Frauen entführt. Die militärischen Opfer Israels fielen an, weil die Soldaten zwischen den Zivilisten und den Terroristen standen, nicht weil sie das Hauptziel waren.Beide Opfer und Opferzahlen miteinander zu vergleichen ist menschlich, aber falsch.
Es tut so, als wäre das versehentliche Töten von Zivilisten vergleichbar mit deren gezieltem Abschlachten, oft dokumentiert sogar noch mit verbundener ausgiebiger Folter.Man tut so, als sei das Töten "gleich schlimm" und stellt daher eine Terrororganisation, die gezielt Zivilisten abschlachtet, foltert, verschleppt und vergewaltigt mit einem Militär auf eine Stufe, das vor Luftangriffen warnt und nachweisbar Anstrengungen unternimmt, zivile Opfer zu vermeiden.
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Noch zum Thema "Äquidistanz". Ich habe ja schon viele Male darauf hingewiesen, dass die Anzahl Toter unter den Palästinensern aus verschiedenen Gründen bedeutend höher ist als auf israelischer Seite.
Es gibt nun mindestens zwei Sichtweisen auf das Thema.
Die erste Sichtweise reduziert alles auf reine absolute Zahlen. Wenn man das tut, dann kommt man schlicht nicht umhin als zu bemerken, dass eben viel mehr Palästinenser getötet werden als Israelis. Von "äqui-" kann hier also gar nicht die Rede sein. Torsten Heinrichs Argument ist aus dieser Sichtweise nicht sachgerecht, weil ganz einfach in absoluten Zahlen hier nicht "ungefähr gleich viele Opfer" anfallen, sondern auf der einen Seite bedeutend mehr, und zwar schon seit Jahren.
Die zweite Sichtweise versucht, nicht bloss die absoluten Zahlen zu betrachten, sondern auch die "Grausamkeit" der Taten irgendwie ins Verhältnis zu setzen. Nach dieser Idee ist es zum Beispiel eindeutig grausamer, Kinder zu töten, als Erwachsene. Unter dieser Betrachtung war der Terrorangriff der Hamas kürzlich besonders grausam, weil besonders heimtückisch. Geiseln nehmen, Zivilisten erschiessen, auf Menschen in einem Festival buchstäblich "Hasenjagd" zu machen, das ist alles von besonders grosser Grausamkeit. In dieser Sichtweise sind die israelischen Gegenmassnahmen eben eher zu rechtfertigen, weil sie primär eine
Reaktion darstellen auf diesen Terrorangriff. Wir können wohl mit sehr grosser Sicherheit sagen, dass Israel erst gar nicht auf die Idee gekommen wäre, Gaza zu bombardieren, wenn das nicht alles passiert wäre.
Aber diese Sichtweise ist nicht ohne ihre Probleme. Denn, wie quantifiziert man denn jetzt eigentlich "grausam"? Machen wir es konkret: 1405 grausam getötete Israelis plus 200 Geiseln auf der einen Seite (von den Verletzten ganz zu schweigen). Hunderttausende Menschen ohne Strom und Elektrizität auf der anderen Seite, plus ganz grob 3x - 4x so viele Tote (und noch viel mehr Verletzte). Was ist denn jetzt "grausamer" hier? Mir fehlt jeglicher Massstab, um das irgendwie vernünftig gegeneinander abzuwägen. Sind die gezielten Tötungen der Hamas nun grausamer als die bei weitem zahlreicheren "Kollateralschäden" der Israelis?
An dieser Stelle müssen wir dann aber auch berücksichtigen, dass die Hamas das ja alles absichtlich so gestaltet, dass da möglichst viele Zivilisten involviert sind. Das erhöht ihre Grausamkeit natürlich noch einmal. Aber wenn wir uns das überlegen, dann müssen wir genauso überlegen, dass natürlich das israelische Militär das ganz genau weiss, und trotzdem einfach drauf los bombt. Wir haben es also auf der einen Seite mit einer "Geiselnahme" der Bevölkerung zu tun (nebst der buchstäblichen Geislnahme der israelischen Gefangenen), auf der anderen Seite jedoch mit einem bewussten Inkaufnehmen, dass da halt ganz viele Menschen sterben.
Und jetzt? Wie bedeutet denn hier jetzt noch "Äquidistanz", von welcher dieser Herr Torsten spricht? Mir scheint der Begriff völlig bedeutungslos geworden zu sein, ich kann ihm da nicht mehr folgen zu sagen, die eine oder andere Seite sei wohl die grausamere. Wir haben hier eine besonders heimtückische, hinterhältige Grausamkeit der Hamas, und eine in gewisser Weise bürokratisch-achselzuckende Grausamkeit des israelischen Militärs im Sinne einer Kollektivstrafe, die sich hinter Leerphrasen verbirgt, wie etwa, dass halb Gaza halt an einen anderen Ort hingehen soll, nachdem man die Grundversorgung mit Wasser und Elektrizität erstmal abgedreht hat - was einfach nicht machbar ist. Ist denn jetzt das eine oder das andere grausamer? Und macht ein Begriff wie "Äquidistanz" denn hier überhaupt noch irgendeinen Sinn? Dieser Herr Torsten klammert das eben aus. Seine "nachweisbaren Anstrengungen", das klingt erstmal plausibel, aber wenn man bedenkt, dass die Zivilisten im Gazastreifen ja gar keine Optionen haben, dann sind dese "nachweisbaren Anstrengungen" plötzlich sehr viel zynischer, weil sie ganz genau wissen, dass da keine ernstzunehmenden Optionen sind, und sie trotzdem die Bombardierungen weiterführen. Auch im Süden des Gaza.
Ich bewerte deshalb die Statistiken nicht, weil ich es einfach nicht kann. Ich kann mit der ersten Sichtweise halbwegs umgehen, weil sie rein quantitativ ist. Sie ist aber in gewisser Weise bedeutungslos, weil sie eben den Hintergrund nicht erklärt, Unterschiede ausblendet und einflacht. Mit der zweiten Sichtweise kann ich nicht umgehen, weil die die Abstufungen der Grausamkeit, die sie erfordert, für mich an einem bestimmten Punkt bedeutungslos werden. Ich weiss nicht, wie ich die beiden Arten von Grausamkeit gegeneinander abwägen soll. Eine "Äquidistanz" kann ich persönlich nicht mehr herstellen.