Würde - Veränderung - Zuspruch

Also jetzt muss ich doch nochmal nerven, ich hab da nämlich noch einen meiner Ansicht nach wunderschönen Text bezüglich Band, Bändern gefunden und ich musste ihn jetzt einfach noch mit reinstellen :

Bänder im Baum

Der Mann saß im Zugabteil am Fenster und wagte es nicht, seinen Blick auf die vorbeiziehende Landschaft zu richten. Er war allein im Abteil.
Vor Jahren hatte er sich von seiner Familie trennen müssen - denn er war mit dem Gesetz in Konflikt geraten, wie es so schön hieß. Seine Eltern und Geschwister mußte er schonen; noch bevor alles bekannt wurde, hatte er sie verlassen; seitdem weigerte er sich beharrlich, Kontakt mit ihnen aufzunehmen.
Die Schuld nagte an ihm, man sah es ihm an: Er konnte sie nicht einfach loswerden. Nun, er hatte seine Strafe zwar abgebüßt. Aber, wenn er einmal versagte hatte: Wer konnte ihm garantieren, daß er nicht ein zweites Mal schwach werden würde? Konnte er von sich behaupten, daß er jetzt ein anderer Mensch sei? Hatte er wirklich einen guten Kern? War er ein guter Mensch? Oder hatte die nagende Stimme in ihm recht: "Du bist und bleibst ein Versager, eine Last und Schmach für deine Familie und die Gesellschaft?"

Der Mann, der in dem Zug der Entscheidung entgegenfuhr, seufzte laut. Er dachte an seine Familie, die jetzt wohl zu Hause seinen Brief bekommen hatte. Er stellte sich die Gesichter einzeln vor, jedes für sich. Sein Vater. Seine Mutter. Sein kleiner Bruder (Wie groß mochte er jetzt sein?). Seine Schwester (Ist sie wohl inzwischen verheiratet?). Sein Onkel, der mit zur Familie gehörte, genauso wie sein Vetter.
Er sehnte sich nach seiner Familie. Die Jahre, in denen er jeden Kontakt zu ihnen vermieden hatte, waren schmerzhafte Jahre gewesen. Er wollte ihnen jede Peinlichkeit ersparen, aber es war ihm nicht leichtgefallen. Jetzt, wo er auf den Weg zu ihnen war, wußte er, wie sehr er sie die ganze Zeit geliebt hatte.
Zum ersten mal kamen Worte über seine Lippen: "Bei Gott, ich hoffe, sie weisen mich nicht ab."

Da saßen sie nun alle beisammen und schwiegen sich an. Gefühle huschten über ihre Gesichter, keiner sprach sie aus, und doch dachten alle die gleichen Gedanken: Warum hat er uns das damals angetan? Das mit dem Verbrechen - und dann das jahrelange Schweigen? Warum wollte er nichts von uns wissen? Und jetzt, wo er zurückkommen will - hat er sich geändert? Was ist wohl aus ihm geworden? Liebt er uns noch, so wie früher? Oder möchte er nur Geld von uns? Kann ein Mensch sich wirklich ändern?
Das Schweigen lag über dieser Familie wie ein schweres, nasses Tuch: Der verlorene Sohn will zurückkehren - und sie sollen darüber entscheiden, ob sie ihm eine neue Chance geben werden.
Endlich ergriff der Vater das Wort und durchbrach die Stille.

Der Zug näherte sich der Stelle, an der sich alles entscheiden würde. Der Mann wurde immer unruhiger, jetzt blickte er zum Fenster hinaus, wie gebannt. Er wartete darauf, daß das Unvermeidliche geschehen würde: Die Ablehnung.
Er hatte seiner Familie geschrieben, daß er sie nicht belästigen wolle, wenn sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten. Er würde mit dem Zug an ihrem Hof vorbeifahren, und auch an dem Baum, in dem er schon als Kind seinen Namen geschnitzt hatte.
Wenn sie wirklich nichts mehr von ihm wissen wollten, dann bräuchten sie nichts zu unternehmen. Er würde an diesem Baum vorbeifahren, nur einen Blick darauf werfen und weiterfahren, immer weiter. Er würde nicht mehr zurückkehren.
Wenn Sie aber nur eine kleine Chance sehen würden, daß er sich bei ihnen einfinden könne - und sei es nur für ein paar Tage - dann sollten sie ein buntes Band in den Baum hängen. Er würde es sehen, der Zug fuhr ja geradewegs an diesem Baum vorbei. Und wenn dort wirklich ein Band im Baum hängt, dann würde er am nächsten Bahnhof aussteigen. Dann würde er zu ihnen zurückkehren.
Wenn dort ein Band im Baum hängt, nur dann.
Noch konnte er den Baum nicht sehen. Wenige Sekunden noch. Seine Hände verkrampften sich.

Der Zug hatte sich ein wenig in die Kurve gelegt und sein Tempo verringert. Der alte Eichenbaum kam in das Blickfeld des Mannes, der sich vor diesem Augenblick so gefürchtet hatte.
Seine Hände verkrampften sich noch mehr, als er den Baum sah. Tränen standen in seinen Augen. Er senkte den Blick, weil er nicht glauben konnte, was er sah.
Er hatte darum gebeten, ein einzelnes buntes Band in den Baum zu hängen, wenn seine Familie ihm noch eine Chance geben würde. Aber da hing kein einzelnes Band. Nein, der ganze Baum war über und über mit Bändern behangen, sie flatterten im Wind wie bunte Vögel; hundert, vielleicht sogar zweihundert Bänder, unübersehbar. Die Botschaft war eindeutig: Nicht nur eine Chance sollst Du haben. Nein, hundert Chancen: Weil wir an das Gute in dir glauben. Weil wir an dich glauben.

Peter van Briel

ganz liebe Grüße
Muka
 
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Angelika-Marie schrieb:
Hi Muka,
der Text ist gut, mir laufen gerade die Tränen herunter, - aber bist Du sicher, dass Du im richtigen Thread bist?

Grüßlis,
Geli :)

Hey Geli,

also ich weiß nich, ich bin auch total berührt von diesem Text. Ich denke, das ist, weil jeder dieses Gefühl kennt. Wollte ihn eigentlich in einen extra Thread schmeißen, aber dann hab ich mir gedacht : "Eigentlich passt er hier ganz gut." Naja und ich wüsste nicht, wo ich ihn sonst passend hinsetzen sollte.

Grüßle
Markus :D
 
Ah, jetzt habe ich verstanden, Muka.
Es geht um den Ursprungsgedanken dieses Threats, um das BAND das uns alle verbindet!
Selbst wenn zu Anfang ein abgeschnittenes blaues Band "vergeben" wird, und zu Ende, bunte, abgeschnittene Bänder im Baum hängen, geht es Dir doch um die Verbindung DURCH dieses Band.
Klasse!
Jetzt aber entgültig für heute gut Nacht.
Mit müden und liebevollen Grüßen,
Geli
 
Angelika-Marie schrieb:
Ah, jetzt habe ich verstanden, Muka.
Es geht um den Ursprungsgedanken dieses Threats, um das BAND das uns alle verbindet!
Selbst wenn zu Anfang ein abgeschnittenes blaues Band "vergeben" wird, und zu Ende, bunte, abgeschnittene Bänder im Baum hängen, geht es Dir doch um die Verbindung DURCH dieses Band.
Klasse!
Jetzt aber entgültig für heute gut Nacht.
Mit müden und liebevollen Grüßen,
Geli

Ja Geli,
jetzt hast du mich verstanden !

Dir auch ne gute Nacht.

Grüße auch an dich
Muka
 
hi geli und muka ihr seid ja wohl richtige nachtmenschen

danke Muka für die "tausendbänder" Geschichte auch ichbin sehr berührt - Angenommensein oder einfach Liebetotal ist wohl etwas, wonach sich jeder sehnt.
Liebe grüße Inti
 
Angelika-Marie schrieb:
Hi Muka,
der Text ist gut, mir laufen gerade die Tränen herunter, - aber bist Du sicher, dass Du im richtigen Thread bist?

Grüßlis,
Geli :)

mir gehts genau so, und ich BIN SICHER, dass er im richtig thread ist!
genau wie du!

lg moni
 
@muka...
ich weiss nicht woher Du Deine gefühlvollen Texte hast,
aber sie sind wunderbar wahr und rühren zu Tränen!
Ich sass gerade mit erwartungsvollen Augen davor und habe mir
gewünscht, dass bitte ein buntes Band im Baum hängen soll...
Auch mir schossen sofort die Tränen in die Augen vor Freude,
Glück, oder was auch immer...

:danke: Alles Liebe Sabsy :)
 
danke für diese so gefühlvolle Geschichte
du zauberst ja geradezu immer weche hervor...

Auch mich hat diese Geschichte zutiefst berührt
und sanft klingt sie noch immer in mir leise nach...

Ja, das Leben ist voll von solchen Geschichten
über Liebe und Angenommen werden
über ünergründliche tiefe Sehnsucht
nach Liebe... aber wenn ich um mich
blicke... so erfahre ich diese Liebe
überall um mich herum und in mir
und dafür... dass ich dies erfahren
darf bin ich so unendlich dankbar

Deine Geschichte hat die Seiten
meiner Seelenharfe
erklingen lassen
danke Mukalé


Deine Karuna :kiss3: :kiss4: :kiss3:
 
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Also die Texte fallen mir meist mehr oder weniger zu bzw. sie kommen einfach zu mir. Ich weiß auch nicht, aber immer wieder denk ich mir, Ahh da musst mal guggen und dann find ich sowas. Ich freue mich, wenn ich ein wenig Berührung erreichen konnte. :D

Liebe Grüße
Muka
 
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