Wir sind Boes - Brandbrief eines entschiedenen Bürgers

Hallo,

In meinem Studium habe ich mit der Würde des Menschen ein wenig zu tun. Es ist wahr, dass die Würde oftmals inflationär gebraucht wird.

Was wohl stimmt:
Artikel 1 GG (Würde) in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 1 GG (Sozialstaatsprinzip) hat das Bundesverfassungsgericht hergeleitet, dass bei jedem Bürger das Existenzminimun gewährleistet werden muss! Es muss gewährleistet werden! Das Sanktionensystem verstößt daher meines Erachtens gegen das Grundgesetz. Denn, wenn die Sanktionen dazu führen, dass die Existenz bedroht wird, ist das ein klarer Widerspruch zu dem, was das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat. Es wird dann das Existenzminimum eben nicht mehr gewährleistet, wozu der Staat verpflichtet ist.
 
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Er soll nämlich die Würde des Menschen achten und schützen.
Achten bedeutet, dass der Gesetzgeber bei der Gesetzgebung die Würde des Menschens achtet. Das bedeutet, dass alle einfachen Gesetze (einfache Gesetze sind die Gesetze die nicht im Grundgesetz stehen) die existieren mit der Würde des Menschen vereinbar sein müssen. Alle einfachen Gesetze.

Schützen bedeutet, dass der Staat den Achtungsanspruch dem die Würde gebührt schützt. Nur der Achtungsanspruch kann verletzt werden. Die Würde selbst nicht.
 
Was meines Erachtens falsch ist:

Boes behauptet anscheinend, dass die Menschenwürde abgeschafft werden könnte? Dies ist vermutlich falsch. Artikel 79 Absatz 3 GG lautet:

"(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig."

Solang dieser Artikel im Grundgesetz steht darf jedenfalls die Würde nicht abgeschafft werden. Ich weiß leider nicht ob man jetzt den Artikel 79 Absatz 3 abschaffen könnte, um dann die Menschenwürde im zweiten Schritt abzuschaffen.
 
Erdkröte schrieb:
Ein Verstoß gegen die Menschenwürde ist daher jede quantifizierende Betrachtungsweise menschlichen Lebens, also z. B. die Abwägung vieler Menschenleben gegen ein einzelnes.
Warum hast du den zweiten Halbsatz nicht mehr markiert? Der zeigt doch, dass dieses Zitat nichts mit der Diskussion hier zu tun hat. Es geht dabei vielmehr darum, dass das Rechtsgut "Leben" absolut geschützt ist, wodurch z.B. Normen wie § 14 LuftSiG für verfassungswidrig erklärt wurden.
Erdkröte schrieb:
Es ist damit jener Wert- und Achtungsanspruch gemeint, der dem Menschen kraft seines Menschseins zukommt, unabhängig von seinen Eigenschaften, seinem körperlichen oder geistigen Zustand, seinen Leistungen oder seinem sozialen Status.
Deine Argumentation also: Wenn ich jemandem nicht bedingungslos Geld schenke, dann habe ich keine Achtung vor ihm bzw. seiner Menschenwürde. Daraus kann man auch wunderschön ein juristisches argumentum a minore ad maius konstruieren; Glückwunsch, nach deiner Argumentation ist das gesamte deutsche Steuerrecht verfassungswidrig. Muss ich erwähnen, dass so eine Argumentation nicht wirklich ernstzunehmen ist?
Erdkröte schrieb:
Verpflichtung des Staates, das Existenzminimum zu gewährleisten
Genau. Und das entscheidet immer noch das BVerfG.
 
Gesetzestexte müssen ausgelegt werden. Und dafür studiert man Jura. Hier jetzt aber so zu tun als hätte das, was du sagst irgendeinen rechtlichen Hintergrund ist völliger Schmafu. Denn ein Begriff wie "Würde des Menschen" muss erstmal definiert werden, und dann muss seine Definition ausgelegt werden. Erst dann kann eine sinnvolle Diskussion über eine Verfassungswidrigkeit stattfinden. Die beiden Schritte umgehst du aber - du stellst den Begriff vage in den Raum und argumentierst dann - ähnlich wie andere Leute hier - gemäß: "Was mir nicht passt verstößt gegen meine Menschenwürde".

Überlass solche Entscheidungen doch lieber mal dem BVerfG.

Hüstel ......... Die Menschenwürde ist schon explizit definiert ........ sie wird nur durch nachrangige Gesetzgebung ausgehöhlt.
So auch bei Hartz4 geschehen, die Eingriffe ins SGB, so umgangen, dass eine Zustimmung der Opposition nicht erforderlich war, trotzdem schwerwiegend das SGB geändert wurde.

Es wurde so z.B. das Recht auf Arbeit und die freie Arbeitsplatzwahl heimlich still, aber nicht leise, geändert. Was reihum von Sozialgerichten mal einfach umgeworfen wurde. Nur ein Haken dabei. Nicht jeder kommt auf den Klagewege.
Das Gleiche jetzt mit dem Nichtrauchen für Hartzer und das Streichen von Tabakwaren aus dem Warenkorb für Hartz4-Empfänger. Es kommt demnächst wieder vors BVerfG.

Nur zwei Beispiele, die mit Menschenwürde auch zu tun haben. Ein Recht, was nachrangig ausgehebelt wird und zu Auswüchsen führt und dann gegen Menschen verwendet wird.

um mal auf ein früheres Beispiel in diesem Thread zurückzugreifen; wenn der Staat einem nicht eine "Mindestteilhabe an Kultur" bezahlt, verstößt das nach Meinung mancher hier auch schon gegen die Menschenwürde.

Warum verstehst du immer was falsch:confused: Es geht dabei um die Sätze im Warenkorb, z.B. 1,39 Euro für Bildung, oder 5 Euro und ein paar Zerquetschte für Kultur.
Es geht hier einzig um die irrelevanten Aufstellungen in den Warenkörben, was gar nicht für gewisse Aktivitäten reicht, aber sich gleichzeitig von den Regierenden hingestellt wird, dass es reicht und den Hartzern es ja so gut gehe. Gleichzeitig das BVerfG urteilt, alles zu niedrig angesetzt und keinen interessiert es, weil ein paar Regierende sagen, alles in Butter.

Bzw. auch unverblümt gesagt wird, wir können uns die Erhöhung nicht leisten. Was ehrlich wäre, nur, dann können wir uns verdammt vieles andere leisten, auch die Unterstützung von Banken anderer Länder.
Die Hartzer in DE sind halt nisch wert, man braucht für die noch nicht einmal ein BVerfG-Urteil vollumfänglich umzusetzen.

Erzähl mal Opfern echter Menschenrechtsverletzungne (Krieg, Ausbeutung, Sklaverei, Folter), dass deine Menschenwürde verletzt ist, weil dir der Staat nen Kinobesuch nicht zahlt. Das ist doch völlig pervers.

Wir leben in DE, nicht in Somalia oder sonst wo. Vergisst du das ? Oder sollen die Harzer dorthin, damit sie sich beschweren dürfen ?
Oder dient das nur der Ablenkung von unserer eigenen Armut im eigenen Lande (Armut, so definiert von den Vereinten Nationen).

Du verwechselst Gerechtigkeit mit Recht.

Jo jo, ich weiß, es bekommt der Recht, der sein Unrecht als Recht beweisen kann und das nennt sich dann Gerechtigkeit :D


Wie gesagt, dann soll ein Staat schon ehrlich sein, und zwar, genau dahingehend, ihr Hartzer seid uns zu teuer. Wäre endlich eine ehrliche Aussage, ihr kostet uns zu viel. Nur, es betrifft so ca. 15 % unserer Bevölkerung, die in irgendeiner Form Hartz4 abhängig sind.

Und wenn schon bitte sehr, alle gleich behandeln ................

Oder einfacher, Arbeit umverteilen.

Aber in einem hast du Recht, ein zu schweres Thema für ein Esoforum ..... nur komisch, das Thema ist nicht einmal schwer. Aber stimmt schon, das Thema geht um unsere Grundrechte und da haben dann ja lieber selbsternannte Rechtsexperte unterm Tisch sich drüber zu unterhalten. :rolleyes:
 
Deine Argumentation also: Wenn ich jemandem nicht bedingungslos Geld schenke, dann habe ich keine Achtung vor ihm bzw. seiner Menschenwürde. Daraus kann man auch wunderschön ein juristisches argumentum a minore ad maius konstruieren; Glückwunsch, nach deiner Argumentation ist das gesamte deutsche Steuerrecht verfassungswidrig. Muss ich erwähnen, dass so eine Argumentation nicht wirklich ernstzunehmen ist?

Das Bundesverfassungsgericht hat immerhin festgestellt, dass eine Besteuerung des Existenzminimums nicht sein darf!

http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=BVerfGE 82, 60
 
Was meines Erachtens falsch ist:

Boes behauptet, dass die Menschenwürde abgeschafft werden könnte. Dies ist vermutlich falsch. Artikel 79 Absatz 3 GG lautet:

"(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig."

Solang dieser Artikel im Grundgesetz steht darf jedenfalls die Würde nicht abgeschafft werden. Ich weiß leider nicht ob man jetzt den Artikel 79 Absatz 3 abschaffen könnte, um dann die Menschenwürde im zweiten Schritt abzuschaffen.
Das ist richtig. Art. 79 III ist übrigens der sog. "Ewigkeitsparagraph", man sagt dazu, dass der über allen anderen steht und aufgrund seiner Natur unabänderlich ist. Das heißt es ginge nicht, zuerst Art. 79 III GG zu ändern und danach Art. I GG abzuschaffen, wie von manchen findigen Leuten behauptet.

Elaminato schrieb:
Artikel 1 GG (Würde) in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 1 GG (Sozialstaatsprinzip) hat das Bundesverfassungsgericht hergeleitet, dass bei jedem Bürger das Existenzminimun gewährleistet werden muss! Es muss gewährleistet werden! Das Sanktionensystem verstößt daher meines Erachtens gegen das Grundgesetz.
Das ist diskussionswürdig. Es kommt nämlich darauf an, was man unter "Existenzminimum" versteht, und dabei sind u.U. auch diverse Urteile des BVerfG zu beachten.

Prinzipiell ist es so: Wenn ein ALG-Bezieher eine Pflichtverletzung iSd § 31 SGB II bezieht, wird der auch dafür sanktioniert. (siehe § 31 SGB II ff.)

In Härtefällen greift dann aber § 24 SGB II. Danach können nämlich auch Sachleistungen erbracht werden. Und die müssen ab einem gewissen Sanktionsgrad auch erbracht werden. Dann kriegt der Mensch kein Geld mehr um sich Essen zu kaufen, sondern z.B. Lebensmittelmarken. Das kommt nicht nur bei Sanktionierten ALG-Beziehern zum Einsatz, sondern auch bei solchen, bei denen wegen Drogenabhängigkeit o.ä. nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie mit ihrem Geld ihren Lebensunterhalt bestreiten werden.

Elaminato schrieb:
Das Bundesverfassungsgericht hat immerhin festgestellt, dass eine Besteuerung des Existenzminimums nicht sein darf!
Ich sprach vom Steuerrecht generell, also von jeder Form von Abgaben.
 
Solang dieser Artikel im Grundgesetz steht darf jedenfalls die Würde nicht abgeschafft werden. Ich weiß leider nicht ob man jetzt den Artikel 79 Absatz 3 abschaffen könnte, um dann die Menschenwürde im zweiten Schritt abzuschaffen.

Jo, der steht da irgendwo :rolleyes:

Nur er bringt nichts, wenn nachrangige Gesetze (BGB, SGB usw.), die Menschenwürde einschränkt und an diesen nachrangigen Gesetzen noch gebastelt, verschärft wird.

Und so ist es überall in unserer Gesetzesgebung, die Grundrechte werden überall ausgehöhlt, teilweise die Zustimmung auch des Bundestages umgangen. Und da liegt der Haken.

z.B. 1 Euro-Jobs, wurden zwangsweise verhängt, mittlerweile aufgrund vieler Gerichtsurteile, die dieses Vorgehen als Zwangsarbeit sahen, aufgehoben. Besser gesagt, man hat sich was neues einfallen lassen, wo es schon wieder Schwierigkeiten gibt.

Wie gesagt, Zwangsarbeit ist nicht erlaubt, man hat es so aber gemacht, was so Richter gewertet haben und danach wurde es quasi beendet. Es war aber nie erlaubt ;)

Und so, ist es in vielen Bereichen ........ unsere Grundrechte, kann man in vielen Bereichen in die Tonne kloppen ..... ein schönes Buch. :rolleyes:
 
Das ist diskussionswürdig. Es kommt nämlich darauf an, was man unter "Existenzminimum" versteht, und dabei sind u.U. auch diverse Urteile des BVerfG zu beachten.

Was man daraus macht, da kommt es drauf an. Bisher galt immer die Pfändungsgrenze als Existenzminimums, sie ist gleich dem Grundfreibetrag + Freibeträge (letzteres wird gerne unterschlagen). Durch Hartz4 hat sich hier eine Grenze unterhalb gebildet, wo man gerne hin möchte, am liebsten noch darunter.

Prinzipiell ist es so: Wenn ein ALG-Bezieher eine Pflichtverletzung iSd § 31 SGB II bezieht, wird der auch dafür sanktioniert. (siehe § 31 SGB II ff.)

In Härtefällen greift dann aber § 24 SGB II. Danach können nämlich auch Sachleistungen erbracht werden. Und die müssen ab einem gewissen Sanktionsgrad auch erbracht werden. Dann kriegt der Mensch kein Geld mehr um sich Essen zu kaufen, sondern z.B. Lebensmittelmarken.

Prinzipiell sind Sanktionen auch falsch erhoben und prinzipiell muss jeder versorgt werden, nur da kommt das Behörden-PingPong, denn da ist wieder das Sozi zuständig. Die sich dann in der Regel weigern. Oder wie heißt es auf Amtsdeutsch, die Sanktionen dürfen nicht ihre Wirkung verlieren.
Was bedeutet das bei 100 % Sanktion, welche Wirkung ist da noch gewollt ?
 
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Tarbagan schrieb:
In Härtefällen greift dann aber § 24 SGB II. Danach können nämlich auch Sachleistungen erbracht werden. Und die müssen ab einem gewissen Sanktionsgrad auch erbracht werden. Dann kriegt der Mensch kein Geld mehr um sich Essen zu kaufen, sondern z.B. Lebensmittelmarken. Das kommt nicht nur bei Sanktionierten ALG-Beziehern zum Einsatz, sondern auch bei solchen, bei denen wegen Drogenabhängigkeit o.ä. nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie mit ihrem Geld ihren Lebensunterhalt bestreiten werden.

Ja stimmt. Daran hatte ich gestern auch noch gedacht. Das hab ich wieder vergessen. Dann wäre natürlich wieder fraglich ob hier wirklich tatsächlich die Würde verletzt wird. Jedenfalls kommen da bei mir Zweifel auf. So einfach ist es dann jedenfalls nicht mehr.

Aber nochmal was anderes:
Die Würde schützt ja nicht nur das Leben. Du kennst ja sicherlich die Objektformel. Subjektqualität muss erhalten bleiben und so weiter. Ich erspar es mir, weil du das sicherlich kennst.

Damit ist aber dann meine Erachtens nicht nur das Leben mit geschützt, sondern auch zumindest in einem geringen Maße auch die Person selbst. Die Person an sich. Der Mensch muss immer Zweck an sich bleiben!

Deshalb finde ich ist es falsch, wenn gesagt wird, dass nur das Leben dadurch geschützt werden würde.
 
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