Der Karma-Gedanke legt halt bezüglich der eigenen Lebensituation
eher eine fatalistische Haltung nahe. Er ruft nicht nach Handlungen auf,
noch nach Widerstand oder gar Verzweiflung. So sinnvoll dies ist,
um erfahrenes Leid auch innerlich-psychisch "loslassen" zu können, ist
natürlich ohne die Idee der Gerechtigkeit auch keine Strafverfolgung als auch kein Präventiongedanke damit verknüpft.
Und widerspricht auch vielen Eso-Konzepten wie "denk dich glücklich".
Denn sowas kann ja laut Karma-Idee nicht funktionieren. Wir sind nicht
für unser Glück zuständig - sondern nur unser Karma. Also
kann und brauche ich auch nichts für mein Glück zu tun.
Konsequenterweise kann der Karma-Gedanke auch auf soziale Stellungen,
Vorrechte qua Geburtsrecht und auch erlittene Gewalttaten angewandt
werden.
Alles vorherbestimmt, also nicht abwendbar. Damit wird sowas noch
lange nicht für gut geheißen.
Aber das Leiden des Menschen erfährt einen Sinn.
Und darum geht es bei diesen religiösen Konzepten. Den Menschen
wird auch für Unfassbares ein Sinn angeboten.
Dieser kann helfen, sich nicht in der Absurdität und Unendlichkeit des Leids
zu verlieren.
Selbst wenn man einen karmischen Zusammenhang sehen will,
ist es glaube ich, mehr als nötig, den konkreten Betroffenen
gegenüber helfend einzugreifen. Und jeder Sinn, der von dritten
da hineingebracht wird - zB. Karma oder ähnliches - hat da
absolut nichts verloren.
Ich denke ob Karma oder andere Sinnkonzepte - sie sind oft nur eine
Flucht vor der Frage nach der Theodizee: Wo war Gott?
Die christliche Antwort lautet: Er war dieses Mädchen und diese Frau, der das
geschah.
Es besteht in der Frage, wie die Existenz eines solchen Gottes mit der Existenz des Übels oder des Bösen in der Welt vereinbar sei.
aus:
http://de.wikipedia.org/wiki/Theodizee
(Der Artikel geht allerdings nur sehr kurz auf die Reinkarnation ein)
Der Karma-Gedanke muss sich leider gefallen lassen, dass er keinen Raum
bereithält, was nach der Tat und mit dem Täter zu geschehen sei. Das
westliche Rechtsystem und -empfinden geht vom Schutz der Gesellschaft
als auch von der Bestrafung des Täters aus.
Egal wie sehr dies auch möglich sein soll, das Rechtssystem ist von einem
Gerechtigkeitsgedanken getragen, der in der Thora der Juden als auch im
christlichen Glauben eine große Rolle spielt. Denn genau das hat das
auserwählte Volk immer von Gott erwartet: Erlösung und Gerechtigkeit.
Auch wenn ich selbst den Karmagedanken nicht verfolge, denke ich, das
er als religiöses Konzept dem eigenen erfahrenen Leid einen
Sinn geben kann.
Karma erklärt aber nicht, wie das Böse in die Welt kam oder wie es
in vorherigen Leben zum Bösen kam. Wie das alles anfing.
Um dies fundiert erörtern zu können, muss man tiefer in die indischen Philosophie einsteigen.
Es gibt andere sinnstiftende Konzepte, die halt dem
Gerechtigkeitsempfinden mehr Raum geben und zumindest einen Vorteil haben.
Sie benennen das Grauen auch als Böse, sie kennzeichnen es und
stellen es damit an den Pranger. Das Böse wird benannt - an´s Licht gezerrt.
Das ist die erste Stufe, das erfahrene Leid evt. zu begreifen und vielleicht
auch mal überwinden zu können.