Das macht es nicht viel besser. Denn so wurde eben "aus Protest" Rassismus mit-gewählt.
Mir geht es gar nicht darum das zu bewerten, denn ändern kann man es doch nicht indem man etwas schlecht findet. Es geht mir zumindest anfangs immer darum überhaupt erst mal zu verstehen wie solche "Ergebnisse" zustande kommen. Das ist ja nicht so einfach im Sinne von "Ursache - Wirkung", jeweils in Einzahl, sondern es geht da um Dynamiken die in ihrer Komplexität nie vollkommen berechnet werden können, aber Tendenzen sind durchaus erkennbar und "Intensitäten" - also etwa welche Themen eine Hauptrolle spielen (in diesem Fall Flüchtlinge) und wie dieses Thema auf viele Menschen wirkt und mögliche Reaktionen darauf etc. Und beim Thema Flüchtlinge geht es m.A.n. auch bei AfD-Wählern nicht hauptsächlich um Rassismus. Das ist nicht total abwesend, aber es ist vor allem Angst. Als z.B. die Silvester-Vorfälle ans Licht kamen habe ich sofort gesagt, dass das vermutlich mehr Einfluss auf die öffentliche Stimmung haben wird, mehr verändern wird, als ein Terroranschlag. Und das ist natürlich ein Extrem-Beispiel, aber die Sorge über einen "Clash der Kulturen" geht ja weit über die AfD hinaus.
Letztlich geht es dabei sehr viel um den gesamten Kontext und die hohe Zahl der Flüchtlinge ist da natürlich ein entscheidender Faktor. Das hat ja letztlich alle Parteien verändert und in gewisser Weise "nach rechts" verschoben. Deutlich sichtbar ist das etwa bei den Grünen. Was da einige sagen war vor 10 Jahren noch undenkbar.
Was haben sie denn konkret gesagt?
Es gab vor allem eine Frau die nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen hat, denn als ich ihren Auftritt damals sah wurde mir klar, dass die AfD im Grunde aus allen Schichten und Einstellungen Stimmen bekommt. Das war dieser Auftritt:
Die Dame war mal Grün-Wählerin (glaube sogar Mitglied der Grünen) und irgendwo distanziert sie sich durchaus glaubwürdig von Fremdenfeindlichkeit etc. Sie hat vor allem eine gewisse Zukunftsangst, kritisiert das Merkel vollkommen offen lässt wie es weitergehen soll. Sie ist sicherlich nicht die typische AfD-Wählerin, aber es wird gleichzeitig trotzdem viele geben die ihr ähneln.
Ebenso unklug wäre es, die Rhetorik zu ignorieren, und nicht drauf hinzuweisen, aus was für Gedanken-"gut" sowas entspringt.
Ich habe gar nichts dagegen wenn das herausgestellt wird. Es passiert aber so oft auf eine so penetrante und moralinsauer und hysterische Art - meine Reaktion ist da bestenfalls das es mich langweilt. Ich weiß vorher was in so einem Artikel steht, dafür brauche ich nur die Überschrift. Und ich weiß auch vorher was in den Kommentarspalten steht. Dasselbe mit Talkshows. Anstatt AfD-Leute mal wirklich zu konfrontieren und abzufragen was sie denn eigentlich glauben wie man mit diesen Dingen umgehen sollte wird fast immer auf wirklich durchsichtige und penetrant dämliche Art auf irgendwelchen Zitaten herumgeritten die nicht eindeutig genug sind. Dieser Blödsinn ist AfD-Wahlkampfhilfe.
Das mag Quatsch sein, Merkel als supersozial ggü. Flüchtlingen darzustellen. Die Frage wäre dann aber: Was hätte die AfD da gemacht? Wäre das "sozialer ggü, den Flüchtlingen" gewesen? Das bezweifle ich sehr.
Keine Sorge, ich bin weit davon entfernt zu behaupten, die AfD sei in irgendeiner Hinsicht eine soziale Partei. Es geht mir lediglich darum, dass die Art der Berichterstattung über die AfD sehr oft zu einem trügerischen Bild führt, zu einer "Veroberflächlichung" der gesamten Debatte und zu einer krassen Imbalance. Anders gesagt: Die Kritik an der Regierung wird der AfD überlassen. Und wenn sich sonst noch jemand wagt wirklich Kritik zu üben wird er dann gleich mal in die Richtung der AfD verschoben, im Sinne von "so argumentiert auch die AfD". Diese ausgrenzende Art wenn es um verdammt ernste Themen geht ist absolut falsch. Nimm nur mal den Begriff "besorgter Bürger" - wie der auch hier im Forum oft benutzt wird, wie ironisch, als ob es besorgte Bürger gar nicht wirklich gäbe sondern nur Willkommenskultur auf der einen und Rassisten auf der anderen Seite. Dabei ist das was der Begriff ja eigentlich meint eine vollkommen rationale Einstellung. Wer nicht besorgt ist, ist m.A.n. ein Träumer. Wer besorgt ist, ist deshalb noch lange nicht rechts.
Aber besser als die Flüchtlingsaufnahme anderer "dumm" zu nennen.
Ich halte das ehrlich gesagt für irrelevant. Es ist ja ein Fakt das die Flüchtlingskrise v.a. in 2015 sehr schlecht gemanaged wurde und ich bin sehr sicher, dass auch Merkel wenn sie mal sehr ehrlich wäre Fehler zugeben würde. Ich würde nicht den Begriff "dumm" benutzen, aber da war m.A.n. eine Menge kollektive Naivität mit im Spiel.
Natürlich muss darüber nachgedacht werden. Ich habe aber keine Lust, aus diesem Thread eine 9/11-Diskussion zu machen oder "Ist Amerika gut oder böse?" Darum klammere ich Zitate aus, die das anstreifen, und reagiere nicht direkt darauf.
Es geht nicht darum aus diesem Thread einen 9/11-Thread zu machen. Wenn man aber über das Thema AfD diskutiert dann wäre es verrückt das Thema Flüchtlinge auszuklammern. Wenn man nun das Thema Flüchtlinge diskutiert geht es um Fluchtursachen. Und wenn man etwa die Angst vor dem Islam diskutiert landet man beim Thema Terror. Wenn man den verstehen will muss man m.A.n. auch über die Ursachen nachdenken die zu einer Radikalisierung des Islam führen. Das gehört alles zusammen. Ansonsten wirkt das alles ein bisschen naiv.
In Deutschland können und müssen wir uns gerne darüber Gedanken machen, wie wir die Fluchtursachen einschränken können. Z.B. auch über die Frage, wie weit unser Waffenhandel da eine Rolle mitspielt.
Ja. Es ist doch wirklich eine interessante Frage warum eine unglaubliche Hysterie losbricht weil irgendwelche AfD-Idioten rechtsextreme Rhetorik vom Stapel lassen aber das Thema des Waffenhandels mit Staaten wie Saudi Arabien und in jede Menge anderer Krisengebiete kaum stattfindet. Das wird von unserer Regierung nicht nur zugelassen sondern unterstützt. Wer hat mehr Blut an den Händen?
Zu 1.) Natürlich ist Perspektivlosigkeit - drohende Altersarmut, Harz IV, Mietpreisexplosion ... - ein Problem, was Menschen wütend werden lässt. Und ich gebe Dir auch Recht, dass das einen Anteil am Erfolg der AfD hat. Allerdings handeln diese "Protestwähler" dann denkbar dämlich, weil
a) sie offen geäußerten Rassismus billigend in Kauf nehmen
b) eine partei "aus protest" wählen, die diese probleme verschärfen würde und nicht lösen.
Zu 2.) Ich habe nie behauptet, dass alle AfD-Wähler rechtsextrem wären - ich habe das nicht einmal über alle AfD-Mitglieder behauptet. Ich bemängele nur, dass es diesen rechtsextremen Flügel gibt, von dem sich die "nicht-rechten" nicht rechtzeitig distanziert haben. Durch beabsichtigten Tabubruch und Provokation wurde dieser Flügel regelrecht angezogen.
Zu 1) Ich denke das ein Teil der AfD-Wähler Druck auf die anderen Parteien ausüben will. Aus deren Perspektive (Wähler) ist die Wahl der AfD dann nicht dämlich weil es funktioniert. Die Union und selbst Grüne rücken erkennbar nach "rechts" und tun sehr viel um die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen - zum Teil echt unsoziale Dinge wenn man etwa an den Deal mit der Türkei denkt oder das Griechenland sehr alleine gelassen wird. Die gesamte Politik wird nicht gut kommuniziert und das ist m.A.n. vor allem ein "Merkel-Fehler" die eigentlich gar nichts gut kommuniziert.
Zu 2) Die AfD ist in der Hinsicht m.A.n. verloren. Sie wurden fast von Anfang an von rechter Seite "überrannt" und weil jene die eher gemäßigt sind dann die Reißleine ziehen und lieber austreten verkommt die Partei. Es hat ne interessante Ironie das Petry Lucke absägte und sich dann selbst verabschiedet hat. Insofern: Ich glaube das die AfD sich durchaus irgendwie "mäßigen" wird, aber sie werden den rechtsextremen Flügel nicht mehr los.
Abbau sozialer Ungerechtigkeit und Perspektiven schaffen... da bin ich sehr dafür. Ich habe nirgendwo gesagt, dass das schlechte Maßnahmen wären. Dann ist der "Protest" - eine Partei zu wählen, die das ebenfalls nicht tun würde, sondern die Situation eher noch verschlimmern würde - umso dämlicher.
Nicht unbedingt. Denn wenn man die AfD als Symptom begreift, was sie m.A.n. ist, dann führt die Stärke der AfD zu einem mehr an Problembewusstsein. Die Stärke der AfD führt zu Druck auf die anderen Parteien. Oder umgekehrt gesagt: Es wäre m.A.n. nicht besser wenn die Stimmung die zur AfD und ihren Erfolgen führte nur unter der Oberfläche schwelen würde ohne sich politisch wirklich deutlich zu zeigen.
In den USA war das so... Trump ist eine echte Eskalation, wie eine Explosion. Selbst Experten haben das nicht kommen sehen weil man diese Stimmung übersehen wollte.
Da hätte man doch z.B. BGE wählen können. Ob die Idee wirklich realistisch durchführbar ist, bin ich mir nicht sicher... wenn ja, wären aber so einige soziale Ungerechtigkeiten weg vom Tisch. Ansonsten verweise ich nochmal darauf, dass Schulz DAS auch zum Wahlkampfthema machte - er wollte die "Agenda 2010" reformieren. Er sprach in seinen Reden einige Probleme mit der aktuellen Durchführung direkt an. Ob er es direkt auch durchgeführt hätte, kann man natürlich nicht sagen. Aber da wurde eben wirklich darüber gesprochen. Dazu dann eine Partei "aus Protest" zu wählen, die darüber wirklich kein Konzept hat, ist mMn nur dämlioch zu nennen.
Die SPD hat ihre Glaubwürdigkeit für viele Menschen verspielt. Wie soll man einer Partei glauben das sie jetzt auf einmal alles Richtung sozial verändert die seit 98 fast durchgehend mit in der Regierung war und ihre frühere Stammwählerschaft kaum noch repräsentiert? Jene die das wählen wollten was Schulz als Wahlkampfthema nutzen wollte wählen dann eher links.
Ich gleube niemand hat Parteien mit 100% Übereinstimmung - auch Lindner stimmt persönlich nicht 100% mit dem FDP-Programm überein, wie er selbst mal in einem Interview äußerte. Da muss man eben schauen, bei welcher partei die meisten Übereinstimmungen bzw. die wenigsten oder am wenigsten schweren Widersprüche sind.
Wie gesagt, es gibt auch noch diese Art der "Druckwahl" - das Wählen einer Partei um damit indirekt Druck auf andere Parteien auszuüben. Und die extremeren Seiten, LINKE und AfD, haben da durchaus einen signifikanten Anteil solcher Wähler. Und beide Parteien sind v.a. im Osten stark, was auch noch mal zu denken gibt.
Was heißt "nach rechts verorten"? Viele Äußerungen sind ziemlich klar rechts. Z.B. die Forderung nach einer "180 Grad Wende in der Erinnerungspolitik". Oder Christina Baums Äußerungen über die SPD-Bundestagsabgeordnete Aydan Özoğuz... Das ist Rhetorik, die sehr klar aus der rechten Ecke klingt, und nicht erst dort verortet werden muss. Und es ist auch keine Bevormundung, das zu benennen.
Wie sagen viele noch so schön: "Das muss man doch mal sagen dürfen." Und so muss eben auch DAS gesagt werden dürfen.
Ja natürlich. Aber die Penetranz ist extrem. Nimm etwa diesen Gauland-Spruch über Boateng. Natürlich sollte das nicht ignoriert werden, aber das war tagelang ein riesen Thema. Und da fragen sich dann viele ob es nix wichtigeres gibt. Wie gesagt, da gibt es durchaus eine Imbalance die viele Menschen wütend macht.
Wie vereint man nicht-Rassisten mit Rassisten?
Ich meine das nicht auf irgendeine positive Art sondern als die wirkliche Gefahr. In einem der vorherigen Beiträge nannte ich doch Haider als Beispiel. Die FPÖ ist in Österreich mittlerweile im "Mainstream" angekommen und wird vermutlich Teil der nächsten Regierung dort sein wenn ich das alles richtig verstehe. Es sind Typen wie Haider, die die Fähigkeit besitzen in beide Lager hineinzureichen, beide Lager zufrieden zu stellen und der Öffentlichkeit ein verfälschendes Bild zu vermitteln.
Anders gesagt: Dumme Nazis sind eindeutig. Die NPD ist so ein Beispiel. Das ist ein Haufen von Idioten ohne geschickte Führung. Das ist politisch ziemlich ungefährlich, weil so ein Haufen keine Chance hat. Aber die Seiltänzer, die Modernisierer alten Denkens - die sind gefährlich. Typen wie Höcke können das nicht. Das ist ein Nationalromantiker über den die Mehrheit in Deutschland vor allem lachen würde wenn er Reden im Bundestag hielte. Aber es gibt vermutlich Leute die es könnten und möglicherweise gibt es sie schon in der AfD. Insofern rechne ich nicht mit einer Schwächung und ich denke v.a. nicht das man mit altem Denken gegen die neue Rechte bestehen kann. Deshalb kritisiere ich so sehr wenn darauf fokussiert wird. Solche Parteien und Persönlichkeiten müssen sachlich auseinander genommen werden.
Stell Dir mal vor, dass dieser ganze rechte Müll nicht der Fokus der Berichterstattung über die AfD gewesen wäre sondern vor allem deren Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik unter die Lupe genommen worden wäre, wenn AfD-Mitglieder in Talkshows gefragt worden wären welches ihre Lösungsvorschläge für all die angesprochenen Probleme wären und dann darüber diskutiert würde was daraus folgt - das wäre viel viel effektiver.
Was heißt "weit offener"? Woran machst Du das fest? Ich bin beruflich viel rumgekommen und habe keine großen Unterschiede in der Offenheit bemerkt. Im gegenteil - z.B. in Schweden hatte ich den Eindruck einer größeren Offenheit ggü. Ausländern.
Und kennst Du die Partei "Schweden-Demokraten"? Das sind die hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sverigedemokraterna
Ihr Wurzeln sind wirklich rechtsextrem. Und jetzt rate mal wer die stärkste Kraft in Schweden ist? Sie sind noch nicht an der Regierung, aber alles deutet darauf hin das sie es sein werden:
"So sieht die letzten Umfrage des Institutes Sentio die Schwedendemokraten plötzlich mit 26,8% vorne. Damit würden sie ihren Stimmenanteil von 2014 (12.9%) mehr als verdoppeln. Sie wären damit 4.4% stärker als die Zweitplatzierten. Die regierenden Sozialdemokraten würden demnach von 31% auf 22,4% schrumpfen. Die rechtsbunten „Moderaten“, die 2004 noch bei 23,3 % landeten, kämen demnach aktuell nur noch auf 12.7%. So genannte Christdemokraten liegen bei nur gut 3% unterhalb der 4% Sperrklausel. Die Zentrumspartei würde laut der Umfrage hingegen von 6.1% auf 11.6% und die Linken von 5.7 auf 9.2% zulegen können. Die Grünen sinken von 6,89% auf 3,8% und fliegen damit aus dem Reichstag."
https://bayernistfrei.com/2017/08/09/schweden-denkt-um/
Das ist von August, habe leider keine aktuellen Zahlen gefunden. Aber ganz so weit kann es mit der Offenheit der Schweden nicht her sein wenn eine rassistische Partei in den Umfragen VOR allen anderen liegt.
Und wenn Du Dir mal solche Zahlen in anderen Ländern anschaust - welches Land ist denn dann noch weniger nationalistisch bis rassistisch als Deutschland? Österreich kann es schon mal nicht sein. Schweden haben wir jetzt auch auf dem Schirm. In Frankreich ist Le Pen extrem stark. In Holland der Blonde, England will mittlerweile schon EU Bürger los werden, Italien hat seine Lega Nord, Norwergen hat ebenfalls eine starke rechte Kraft usw.
Ich kenne die nicht alle, aber mir ist momentan kein Land bekannt das nicht stärker auf der rechten Seite ist als die AfD in Deutschland.