Wenn Astrologie alle erdenklichen Archetypen beinhaltet - was ist mit dem Chaos? Wo ist der chaotische Aspekt in dieser - scheinbar - ewigen Geometrie?
Vielleicht gerade da ... diese (wie du sagst: scheinbar) ewige Geometrie ist ja letztlich eine Phase eines chaotisch verlaufenden Prozesses (Chaos hier allerdings nicht als Tohuwabohu verstanden, sondern als System, wie es die Chaostheorie konstruiert ... Evolution letztendlich). Und ich meine, vielleicht unterscheiden sich "alle erdenklichen Archetypen" weniger voneinander, als man erdenken möchte ... ins Uferlose unterschiedlich werden sie nur dann, wenn ich jedes Konstrukt eines Archetyps als eigene, von allen anderen zu unterscheidende Entität behaupte. Das widerspricht m.E. dem Wesen eines Archetyps und verwechselt Erscheinungsform mit Struktur.
C.G. Jung hat ja rund um die Welt solche unterschiedlichen Erscheinungsformen beobachtet und untersucht und aus dem gemeinsamen Hintergrund der unterschiedlichen Erscheinungsformen seine Theorie der kollektiven Archetypen entwickelt. Im Vordergrund das Chaos der Erscheinungen, im Hintergrund der Archetyp. So wie die Ordnungen im Chaos,
strange attractors als Strukturelemente von Erscheinung, z.B.
Der Mensch kann nicht hinter sein eigenes Erkenntnisinstrument (letztlich der Körper) gelangen.
Das Zirkuläre, mit dem auch die aktuellen Neurobiologen zu tun haben. Angewiesen auf ihr Gehirn und seine Möglichkeiten versuchen sie, das Gehirn und seine Möglichkeiten zu erklären und die Klügeren unter ihnen wissen, dass sie das tun, und weisen darauf hin. Auch da wieder ein Archetyp, der Ouroboros, die Schlange, die sich in den Schwanz beißt. Bewusstsein ist das, was das Gehirn produziert ... das unterschreiben die meisten gerade noch. Wer bzw. was allerdings der Beobachter ist, der das Beobachten beobachtet ... da enthalten sich die Redlicheren einer Aussage.
Und deshalb postuliert er das Transzendente.
Das ist auch der Hintergrund, vor dem Wittgenstein im Tractatus Logico-Philosophicus seinen Satz "Wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen" formuliert hat wobei er das Reden in seinem Frühwerk als exakten Ausdruck auf eine Sprache von quasi mathematischer Eindeutigkeit im Gefolge von Russell und Whitehead bezogen hat und nicht verbieten wollte, sich auch über das zu unterhalten, was nicht in dieser logischen Eindeutigkeit gesagt werden kann. Wittgenstein-Kenner vermuten sogar, dass er gerade mit dieser Grenzziehung einen Raum für Aussagemöglichkeiten über Transzendenz eröffnen wollte ... ein Schweigen im Sinne der logischen Konstrukte, wie ja auch letztlich nur begriffsloses Schweigen der Möglichkeit eines Göttlichen angemessen sein kann; alles andere ist Gewäsch, verständlich, aber Gewäsch.
Er bedient sich letztlich eines Taschenspielertricks: Das, was ich nicht erkennen kann, ist 1) göttlich, 2) transzendent. Das ist natürlich keineswegs schlüssigerweise notwendig, sondern eine recht willkürliche Festlegung der Welt auf die Kategorien, mit welchen man zuvor die Welt ge- und bemessen hat. Und trotzdem glauben wir dann so fest daran, dass wir bisweilen sogar zu dieser Transzendenz beten.
Vielleicht geht es einfach darum, zumindest die Illusion zu wahren, man hätte die Dinge im (Be-)Griff. Was ja auch eine Illusion von Macht darstellt. Ich fürchte, dass auch für das Betreiben von Astrologie oft genug das Motiv des "Bannens von Wirklichkeit" mitspielt. Man fürchtet sich vor dem Unerklärbaren. Man scheut das Eingeständnis der großen Bereiche des Nichtwissens. Man fühlt sich ausgeliefert ohne Modelle, denen man vertrauen, denen man seinen Glauben schenken darf. Oder man erliegt der Versuchung, sich scheinbare Macht zu arrogieren. Da faszinieren mich dann immer wieder Menschen und die finde ich bei bedeutenden Wissenschaftlern ebenso wie bei erleuchtet wirkenden Spirituellen , die ab einer bestimmten Grenze sagen: "Ab hier kann ich nichts mehr sagen. Das weiß ich nicht."
Der Blick, den wir werfen, erschafft erst die Welt, er findet sie nicht als Gegebenes vor. Das ist mein zentrales (konstruktivistisches) Argument. Das gilt auch für das Transzendente, für Gott, für die Astrologie, für die Mathematik und Physik. Der Apfel fällt deshalb vom Stamm, weil wir ihm dabei zuschauen - nicht kausal natürlich, sondern als empirische Erfahrung. Dummerweise vergessen wir eigentlich dauernd, dass wir das tun, dass unser Blick also die Welt nicht vorfindet, sondern sie erschafft. Die Funktion des Erkennens ist das Erschaffen der Welt.
Spinoza wurde seinerzeit geächtet und fast ermordet, weil er sagte, nicht Gott habe den Menschen, sondern der Mensch habe Gott erschaffen.
Das muss gesagt und verstanden sein. Ist das der Fall, dann - und nur/erst dann - gebe ich dir gerne Recht in deinem Argument: Astrologie ist der Ausdruck einer göttlichen Ordnung. Immer wieder verblüffend für mich, letztlich unverständlich, warum es funktioniert. Ganz besonders was die Verbindung von Träumen und Astrologie anbelangt.
Und auch da wieder das Zirkuläre, das Wissen, dass der Konstruktivismus selbst sich auch nur als Konstrukt verstehen darf.
Da erscheinen dann allerdings auch die Warum-Fragen in einem anderen Licht. Konstruktivismus und systemisches Denken sind ja sehr verwandt, und im systemischen Denken treten die Kausalbezüge hinter der Betrachtung von komplexen Wechselwirkungen zurück. Es geht also vielleicht eh weniger um die Frage, warum das funktioniert, sondern eher darum, wie es funktioniert. Wie ich mit dem, was ich als vielschichtiges System von verschränkten Strukturen/Mustern/Ereignissen wahrnehme (und etwas als System zu definieren, ist ja auch schon wieder ein Konstrukt), nutzbringend umgehen kann - nutzbringend im Sinne meiner Fokussierungen.
Wirklichkeit ereignet sich so Maturana in Sprache, dort also, wo ich sinnlich Wahrgenommenes in Begriffe übersetze, die es mir ermöglichen, Wirklichkeit zu konstruieren. Ich sehe hier im Thread ganz unterschiedliche Sprachen, die auch wohl ziemlich unterschiedliche Wirklichkeiten generieren. Und da meine ich auch, dass das sehr okay ist das Gegenteil, der Zwang, sich auf eine Wirklichkeit schlechthin festlegen zu müssen, das hielte ich auch für eine faschistoide Tendenz der üblen Art.
Meine heutigen Transite:
1. tSonne Sextil rSonne (1° 03')
2. tSonne Opp. rNordknoten (-0° 22')
3. tSonne Trigon AC (1° 57')
4. tJupiter Sextil rChiron (0° 49')
5. tSaturn Quadrat rLilith (0° 40')
6. tNeptun Opp. rSaturn (-1° 42')
7. tPluto Trigon rSonne (0° 07')
8. tPluto Quadrat rVenus (0° 19')
9. tPluto Trigon rNordknoten (1° 32')
10. tChiron Sextil rSonne (0° 10')
11. tChiron Opp. rNordknoten (1° 15')
12. tLilith Konj. rJupiter (1° 17')
Wahnsinn, oder?
Und wenn das jetzt ein Tag wie jeder andere wäre, nur unterschieden durch die Prägnanz der Konstellationen? Was würde das für die Astrologie bedeuten? Und wenn es kein Tag wie jeder andere wäre (und kein Tag ist ein Tag wie jeder andere ...) ... ich schweife ab
