Widerspruch in der Begründung der Astrologie

Die jahreszeitlichen Deutungskonstrukte spielen auch eine Rolle ... und haben vor allem historische Bedeutung. Projektionen wie die von Comradeon genannten sind demgegenüber ja schon sehr viel später erdachte ideelle Komponenten, der ursprüngliche Jahreszeitenbezug war viel handfester, etwas wenn es um die Berechnung von Zeiten der Überschwemmung und ihren Einfluss auf Ernteerträge ging. "Persönlichkeits-Astrologie" mit ihren Zuschreibungen von Charaktereigenschaften ist ja eine vergleichsweise junge Disziplin.

Im Laufe der Entwicklung hat der Tierkreis seine heutige, durchaus nicht einheitliche und nach verschiedenen Schulen und Deutungslehren teilweise sehr unterschiedliche Gestalt angenommen, die 12 idealtypische Sektoren beschreibt. Die haben null zu tun mit Sonnenstand; jedes astrologische Element wird vor seinem Zeichenhintergrund zu sehen sein.

Auch die Geburt steht ja keineswegs primär im Zeichen der Sonne – sie steht im komplexen System der vielschichtig verwobenen Kontexte, die über die Zuordnung von Geburtszeitpunkt und gleichzeitiger astrologischer Konstellation als – zum Beispiel - eine Art von astrogenetischem Code gelesen werden können.

Ich seh Comradeons Widerspruch nicht ... der wäre m.E. nur nachzuvollziehen, wenn ich mich auf das Niveau einer banalen, trivialen Sonnenstandsastrologie begebe.

Jake
 
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"Persönlichkeits-Astrologie" mit ihren Zuschreibungen von Charaktereigenschaften ist ja eine vergleichsweise junge Disziplin.
Naja, das ist so nicht ganz richtig. Zum Teil sehr ausführliche und detaillierte Zuschreibungen von Charaktereigenschaften durch Zeichen, Planeten oder Aspektverbindungen findet man bereits in den Anthologien von Vettius Valens (geschrieben ca. 150 – 175 n. Chr.), ebenso bei Ptolemäus, Porphyrius, Alcabitius und anderen hellenistischen Autoren. Später auch bei den arabischen Autoren oder bei Ibn Ezra (Ende 11. Jhdt.) und Guido Bonatti (13. Jhdt.) um nur einige zu nennen.

Dabei standen aber nicht in erster Linie „Zeichen-Typen“ im Vordergrund, sondern „Planeten-Typen“, das heißt der Fokus lag auf Planeten-Persönlichkeiten – also auf denjenigen Deutungsfaktoren der Astrologie, die Thomas Ring später als „Bauglieder der individuellen Struktur“, als „organische Ganzheitskräfte“ und als „Wesenskräfte“ bezeichnet hat.

Ich seh Comradeons Widerspruch nicht ... der wäre m.E. nur nachzuvollziehen, wenn ich mich auf das Niveau einer banalen, trivialen Sonnenstandsastrologie begebe.
Das sehe ich genauso.

LG
Jogi
 
Zum Teil sehr ausführliche und detaillierte Zuschreibungen von Charaktereigenschaften durch Zeichen, Planeten oder Aspektverbindungen findet man bereits in den Anthologien von Vettius Valens (geschrieben ca. 150 – 175 n. Chr.), ebenso bei Ptolemäus, Porphyrius, Alcabitius und anderen hellenistischen Autoren. Später auch bei den arabischen Autoren oder bei Ibn Ezra (Ende 11. Jhdt.) und Guido Bonatti (13. Jhdt.) um nur einige zu nennen.

Dabei standen aber nicht in erster Linie „Zeichen-Typen“ im Vordergrund, sondern „Planeten-Typen“, das heißt der Fokus lag auf Planeten-Persönlichkeiten – also auf denjenigen Deutungsfaktoren der Astrologie, die Thomas Ring später als „Bauglieder der individuellen Struktur“, als „organische Ganzheitskräfte“ und als „Wesenskräfte“ bezeichnet hat.
Danke für die interessanten Hinweise ... freilich, wie sollte gerade dieser Aspekt der Astrologie keine Entwicklungsgeschichte aufweisen!?

Jake
 
Zitat von Gabi0405:
Ich möchte es folgendermaßen formulieren: Die Planetenstände zum Zeitpunkt der Geburt, haben keinen direkten physischen und psychischen Einfluss auf den Charakter, sie zeigen lediglich an, gemäß der "Uhrenmetapher".

Genau das habe ich versucht, auszudrücken. Frühe Begründungen der Astrologie orientierten sich aber an der Jahreszeit. Wenn die Sonne als in einen der drei Winterzeichen (Steinbock, Wassermann, Fische) steht, ging man von ernsten, nachdenklichen und meist das Regelhafte über das Individuelle stellenden Charakteren aus.

Man hat also ursprünglich den im Winter geborenen Menschen „winterliche“ Charaktereigenschaften in drei verschiedenen Spielarten zugeordnet. Wenn nach der Uhrenmetapher aber der Sonnenstand immer nur eine bestimmte Zeit anzeigt, wieso wird dann den Ständen der anderen Gestirne in den einzelnen Zeichen Ähnliches zugeordnet wie den Zeichen? Mars, Saturn usw. können im Winter wie im Sommer in jedem x-beliebigen Zeichen stehen, ihre Bewegung hat nichts mit der Jahreszeit zu tun, welche ausschließlich durch die Bewegung der Erde um die Sonne bestimmt wird. Und dennoch ordnet man einem „Mars in Steinbock“ ähnliche Eigenschaften zu wie einer „Sonne in Steinbock“, also die Wirkung desselben marsianischen Prinzips auf zwei verschiedenen Ebenen.
Zitat von jake:
"Persönlichkeits-Astrologie" mit ihren Zuschreibungen von Charaktereigenschaften ist ja eine vergleichsweise junge Disziplin.

Soll das heißen, daß die charakterlichen Deutungen der einzelnen Tierkreiszeichen erst später hinzu ersonnen worden sind? Bisherige Begründungen der Astrologie, die ich gelesen habe, behaupteten stets, daß man der Jahreszeit einen ihr entsprechenden Charakter zugeordnet hat. :confused: Auch im Tetrabiblios beschreibt Ptolemäus die 12 Zeichen charakterlich schon recht genau.
 
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Frühe Begründungen der Astrologie orientierten sich aber an der Jahreszeit.
Auf welche Begründungen bzw. auf welche Texte mit diesen Begründungen berufst du dich? Auf Ptolemäus?

Wenn die Sonne als in einen der drei Winterzeichen (Steinbock, Wassermann, Fische) steht, ging man von ernsten, nachdenklichen und meist das Regelhafte über das Individuelle stellenden Charakteren aus.
Das ist eine sehr oberflächliche Vorgehensweise, die auch Ptolemäus so nicht vornimmt. Beschreibungen von Eigentümlichkeiten, Sitten und Neigungen von verschiedenen Bevölkerungsgruppen sind auch bei ihm immer als eine Kombination aus Zeichen und Planet(en) dargestellt. Die Entstehung des Tierkreises und seiner Bedeutung, wobei der tropische TK aus dem siderischen TK hervorgegangen ist, ist viel zu komplex, als dass er sich einzig und allein auf die Bewegung der Sonne zurückführen ließe. Es waren vor allem die Mondphasen, die Finsternisse und die allgemeinen Bewegungen der Planeten, die zu der Entstehung von Bedeutungszusammenhängen mundaner und später individueller Art führten. Der Tierkreis hat seine Bedeutungen aber auch aus mathematischen Verhältnissen und um zu verstehen, warum man auch die anderen Planeten in den Zeichen deutet, kann einem das klassische Sphärenmodell helfen. Aber da verweise ich auf die einschlägige Literatur, denn das würde hier viel zu weit führen.

wieso wird dann den Ständen der anderen Gestirne in den einzelnen Zeichen Ähnliches zugeordnet wie den Zeichen? Und dennoch ordnet man einem „Mars in Steinbock“ ähnliche Eigenschaften zu wie einer „Sonne in Steinbock“, also die Wirkung desselben marsianischen Prinzips auf zwei verschiedenen Ebenen.
Mag sein, dass man das in der psychologisch orientierten Astrologie so macht. In der antiken und klassischen Astrologie spielten die Zeichen zwar auch eine Rolle, aber nur eine untergeordnete - vor allem wenn es um die Beschreibung persönlicher Anlagen und Eigenschaften geht. Das sieht man auch daran, dass Ptolemäus die Eigenschaften der Zeichen eines Kreuzes zusammenfasst und sich ansonsten bei der Beschreibung der seelischen Anlagen ausschließlich auf die Natur der Planeten beruft - vor allem auf Mond und Merkur und ihre Aspekte zu anderen Planeten. Es gab früher keinen Steinbock- oder Krebs- oder Widdertyp! Das ist eine moderne Entwicklung, die auch vieles verwässert hat. Im Übrigen habe ich ja weiter oben schon geschreiben, dass die Bedeutung der Zeicheneigenschaften nicht nur aus dem Jahreslauf der Sonne entstand, sondern ebenso aus Faktoren, die damit nichts zu tun haben.

Die Planeten haben ihre eigene Natur, die durch die Stellung und den Zeichen qualitativ abgewandelt wird. Dennoch bleibt Mars im Steinbock Mars und die Sonne bleibt Sonne, d.h. der Mars zeigt weiterhin eine marsische Ausdrucksweise und die Sonne eine solare.

Bisherige Begründungen der Astrologie, die ich gelesen habe, behaupteten stets, daß man der Jahreszeit einen ihr entsprechenden Charakter zugeordnet hat.
Welche Begründungen sind das?

Auch im Tetrabiblios beschreibt Ptolemäus die 12 Zeichen charakterlich schon recht genau.
Wie gesagt nur in Kombination mit den entsprechenden Herrscherplaneten oder zusammengefasst nach ihren Kreuzen (kardinal, fix, veränderlich).

LG
Jogi
 
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