ein norddeutscher schamane mailte mir kürzlich diesen text, dem ich mich inhaltlich nur anschließen kann:
Wiederverwurzelung.
Vor kurzem habe ich Rituale an Stellen meiner Ahnen mütterlicherseits gemacht. Das hat mich wieder in dem Gedanken bestärkt, dass wir uns nicht mehr an den Tibetern oder den Indianern orientieren sollten - im übrigen tue ich es schon seit Jahren nicht mehr - sondern an den Ahnen und Geistern der Gegend, aus der wir stammen.
Wir müssen, denke ich, die gebrochene deutsche schamanische, naturverbundene Tradition heilen und leben. Uns an dem Ort verwurzeln, an dem wir leben. Die Geister der Heide oder die Geister des alpinen Raumes, das sind unsere Geister. Unsere Geister sind nicht die der Navaho, der Hopi oder der Sioux. Das war und ist nicht nur meine Idee, sondern darauf wurden wir von verschiedenen indianischen Schamanen hingewiesen, die hier in Deutschland waren. Genau zu diesem Thema findet sich im Buch ICH BIN EIN TEIL DES WALDES von Wolf-Dieter Storl ein Kapitel.
Das Gesagte gilt auch für die Sprache, die Lieder, die Musik, die Kunst - es gilt für alles. Es war gut und richtig während der letzten dreißig Jahre, sich von allen möglichen Ländern, Völkern, spirituellen Systemen anregen und inspirieren zu lassen, keine Frage. Für eine zukünftige, kontinuierliche und starke Entwicklung ist jedoch eine Ver-Wurzelung an unserem Wohn- und Lebensort notwendig. Man kann nicht überall zuhause sein, man kann auch nicht alles und jedes leben, oder mal dies, mal wieder etwas anderes. Auf diese Weise kann nichts Starkes entstehen und sich entwickeln.
Das Niveau des globalen, universellen Denkens werden wir nicht aufgeben. Somit ist die Verwurzelung keine Regression, sondern sie geschieht gerade in diesem Geiste der universellen Verbundenheit mit den Schamanen der nordamerikanischen Indianer oder der sibirischen Schamanen beispielsweise, aber der Akzent sollte doch eher auf den Kraftplätzen und Geistern unserer Heimat liegen.
Dass wir alle, denke ich, unsere Probleme mit Begriffen wie Deutschland, Heimat, Boden, Erde, Germanen etc. haben, wissen wir, aber es zeigt auch, dass wir in einer gebrochenen Linie leben, die wir heilen müssen. Auch wenn unsere Sympathie oder Empathie mit den Tibetern sehr groß ist, so werden wir doch nie Tibeter werden. Es ist nicht unsere Herkunft. Selbst wenn wir für immer dorthin gehen würden, würde es nicht unsere Herkunft werden. Wir sind Germanen und werden es bleiben, ob wir das nun wahr haben wollen oder nicht.
Es gibt ja Menschen, die die Tibeter oder die Indianer perfekt imitieren, sogar die andere Sprache sprechen. Einerseits ist das sicher sehr sympathisch, zeigt aber andererseits den Bruch mit der eigenen Herkunft. Verwurzelt man sich völ-lig in einer anderen Kultur, mag es ja vielleicht gehen, allerdings bin ich doch eher skeptisch geworden und habe nicht den Eindruck gewonnen, dass dadurch eine gute, völlig harmonische Einheit entsteht.
Eine harmonische, ungebrochene Einheit herzustellen ist eine langwierige Aufgabe, die Jahrhunderte braucht. Heute können wir nur damit beginnen, die Orte und Geister unserer Gegend, in der wir leben, zu würdigen, zu schätzen, mit ihnen zu leben und zu arbeiten, die Wieder-Verwurzelung zu beginnen. Bis die schamanische Eiche groß geworden ist, werden aber Jahrhunderte vergehen.