Dann sollte man aber etwas vorsichtiger mit dem Begriff "Verbrechen" umgehen.
Natürlich. Dresden war aber auch eine Gestapozentrale, und das dürfte bei der Auswahl als Angriffsziel durchaus eine Rolle gespielt haben. Der konkrete glückliche Ausgang für die befreiten Juden konnte sicherlich nicht vorausgeplant oder auch nur in Erwägung gezogen werden. Das ist ja klar. Unabhängig davon bleibt das Dilemma, dass die nachträgliche Ablehnung dieses Bombenangriffs einen dazu zwingen würde, stattdessen die Erbrechung der letzten Dresdener Juden als "Gegenleistung" zu akzeptieren. Und mir fällt das schwer. Daher tendiere ich dazu, mir diesen Angriff nachträglich eben nicht ungeschehen zu wünschen. Die Deutschen hatten zwölf Jahre lang Zeit, sich zu besinnen und Hitler zum Teufel zu jagen. Stattdessen haben sie mitgemacht bei der Jagd auf Juden, haben sie ausgeraubt, denunziert, erniedrigt und ermordet. Sie haben gejubelt, als Hitler die Franzosen zusammengeschossen hat. Und nur eine verschwindend kleine Minderheit hat aktiv Widerstand geleistet. Und die Ausrede, man hätte nichts gewusst, kann man nicht gelten lassen. Alle haben es gewusst. Die Juden (und) waren Opfer der Deutschen, ohne irgendeine Möglichkeit, sich zu wehren, deshalb schätze ich in der Abwägung zwischen ihrem Leben und dem der Unterdrücker die Lage so ein, dass es richtig ist, wenige Opfer (Juden) auf Kosten vieler Täter (Deutscher) zu retten. Das ist hart. Aber man muss eine Abwägung machen. Um die kommst auch du nicht herum. Du musst dich fragen, wessen Leben du in dieser Situation eher opfern würdest.
Und rational gesehen ist es sehr einfach: die Menschenrechte gelten universell. Ihre Wahrung muss daher immer mit den Mitteln verteidigt werden, die gerade ausreichen, um die Verletzer der Menschenrechte von ihrem verbrecherischen Tun abzuhalten. Wenn das nur mit Gewalt geht, dann ist Gewalt in diesem Fall auch die notwendig richtige Wahl der Mittel. Für die damit zusammenhängenden "Kollateralschäden" ist immer derjenige verantwortlich, der den ganzen Konflikt provoziert und damit den Einsatz von Gewalt erzwingt. Schuldig an allen Opfern von Dresden wäre in dieser Interpretation daher allein die politische und militärische Führung der Deutschen, sowie alle Deutschen, die das Regime unterstützten (etwa durch Wahlen, Parteibeiträge, Mitarbeit in regierungsnahen Behörden).