Tanita
Mitglied
Hi,
Benjamin hatte unten einen thread eröffnet "Warum Leid existiert?" Darauf hatte ich etwas geschrieben und dann war mein schöner Text plötzlich futsch. Und dann dachte ich, vielleicht sollte ich dazu einen eigenen thread aufmachen, der allerdings anders nuanciert ist. Hier soll es nicht um den allgemeinen Sinn von Leid gehen, sondern darum, was denjenigen, die dazu etwas schreiben möchten, ihr Leid gebracht hat. Benjamin schreibt ja, der Sinn von Leid sei es Freude zu erleben. Ist das wirklich so?
Mein großes Leid begann vor etwas über 5 Jahren mit einer Nachricht....... Mein Leiden war subjektiv derart gigantisch, dass ich dafür auch heute noch nicht wirklich Worte habe. Mein vorherrschendes Lebensempfinden damals und für eine längere Zeit war "Ich will sterben (um das nicht mehr spüren zu müssen), aber ich darf nicht (weil ich meine Kinder nicht im Stich lassen will). Für mich war diese Zeit die Hölle auf Erden und es wurde auch nicht besser, will sagen: die nach und nach eintreffenden Nachrichten wurden immer schlimmer. Es war das Erleben der totalen Ohnmacht, des absoluten Kontrollverlusts in einem Höllenszenario.
Nach ca. 2 bis 3 Jahren bemerkte ich eine Veränderung in meinem Leidempfinden. Es ist so, dass ganz da unten am Tiefpunkt der Ohnmacht, im Zentrum von ich weiß nicht, was es ist, ein Tor ist. Als ich mich gar nicht mehr wehren konnte gegen mein Leid, begann es sich zu öffnen. Ganz langsam, aber ganz sicher. Und ich lernte etwas Neues kennen: Hingabe!
Das war der Wendepunkt. Aus einer mir bis dato unbekannten Quelle stiegen - ganz ganz langsam - eine von äußeren Dingen völlig unabhängige Kraft sowie ein von äußeren Geschehnissen unabhängiges Vertrauen in mir auf. Und am Wunderlichsten war die Zunahme meiner Fähigkeit zur echten, tiefen, unbändigen Freude an Dingen, die ich vorher so gar nicht wahrgenommen hatte. Die Blüten der Blumen, der Geschmack von Essen, der Hauch des Windes, den ich wie ein Streicheln empfand, überhaupt alles wurde intensiver in meinem Leben. Nicht von heute auf morgen, aber stetig immer mehr.
Letzte Woche kam der "Todestoß" in dieser Geschichte, wieder in Form einer Nachricht. Zuerst dachte ich noch "Oh mein Gott, wieso das? Wieso immer noch? Wieso hört es nicht endlich auf?" Aber dann atmete ich bewusst weiter, nahm es an, gab mich hin und was ist heute? Während meine Umgebung noch mit Schockstarre und/oder Aktionismus beschäftigt ist, geht es mir ganz außergewöhnlich und eigentlich völlig unangemessen gut. Ich weine viel, aber ich kann auch lachen. Ich bin viel mit mir selbst beschäftigt, aber ich kann auch mit und für andere da sein. Ich empfinde überhaupt keinen Hader mit dem, was ist. Und an der Traurigkeit ist nicht Schlimmes, sie ist ein sehr lebendiges Gefühl, das seine Berechtigung hat. Wenn ich das vergleiche mit meiner Leidenszeit, so muss ich feststellen, Leid ist ein sumpfiger Morast, Traurigkeit ist ein klarer Bach. Und mir scheint, Leid ist im Kern nichts anderes als der Widerstand gegen den Schmerz der Traurigkeit. Und paradoxerweise macht es genau das so schlimm. Nicht das Leid ist also das Problem, sondern unser Widerstand dagegen. So zumindest erlebe ich es.
Und so kann ich also vorläufig schließen, dass mein tiefes Durchleben von Leid mir tatsächlich einen Zuwachs an unabhängiger Freude, an unabhängiger Kraft und Lebendigkeit in mein Leben gebracht hat. Heute lebe ich wirklich gerne. Früher wurde ich eher gelebt.
Liebe Grüße
Tanita
Benjamin hatte unten einen thread eröffnet "Warum Leid existiert?" Darauf hatte ich etwas geschrieben und dann war mein schöner Text plötzlich futsch. Und dann dachte ich, vielleicht sollte ich dazu einen eigenen thread aufmachen, der allerdings anders nuanciert ist. Hier soll es nicht um den allgemeinen Sinn von Leid gehen, sondern darum, was denjenigen, die dazu etwas schreiben möchten, ihr Leid gebracht hat. Benjamin schreibt ja, der Sinn von Leid sei es Freude zu erleben. Ist das wirklich so?
Mein großes Leid begann vor etwas über 5 Jahren mit einer Nachricht....... Mein Leiden war subjektiv derart gigantisch, dass ich dafür auch heute noch nicht wirklich Worte habe. Mein vorherrschendes Lebensempfinden damals und für eine längere Zeit war "Ich will sterben (um das nicht mehr spüren zu müssen), aber ich darf nicht (weil ich meine Kinder nicht im Stich lassen will). Für mich war diese Zeit die Hölle auf Erden und es wurde auch nicht besser, will sagen: die nach und nach eintreffenden Nachrichten wurden immer schlimmer. Es war das Erleben der totalen Ohnmacht, des absoluten Kontrollverlusts in einem Höllenszenario.
Nach ca. 2 bis 3 Jahren bemerkte ich eine Veränderung in meinem Leidempfinden. Es ist so, dass ganz da unten am Tiefpunkt der Ohnmacht, im Zentrum von ich weiß nicht, was es ist, ein Tor ist. Als ich mich gar nicht mehr wehren konnte gegen mein Leid, begann es sich zu öffnen. Ganz langsam, aber ganz sicher. Und ich lernte etwas Neues kennen: Hingabe!
Das war der Wendepunkt. Aus einer mir bis dato unbekannten Quelle stiegen - ganz ganz langsam - eine von äußeren Dingen völlig unabhängige Kraft sowie ein von äußeren Geschehnissen unabhängiges Vertrauen in mir auf. Und am Wunderlichsten war die Zunahme meiner Fähigkeit zur echten, tiefen, unbändigen Freude an Dingen, die ich vorher so gar nicht wahrgenommen hatte. Die Blüten der Blumen, der Geschmack von Essen, der Hauch des Windes, den ich wie ein Streicheln empfand, überhaupt alles wurde intensiver in meinem Leben. Nicht von heute auf morgen, aber stetig immer mehr.
Letzte Woche kam der "Todestoß" in dieser Geschichte, wieder in Form einer Nachricht. Zuerst dachte ich noch "Oh mein Gott, wieso das? Wieso immer noch? Wieso hört es nicht endlich auf?" Aber dann atmete ich bewusst weiter, nahm es an, gab mich hin und was ist heute? Während meine Umgebung noch mit Schockstarre und/oder Aktionismus beschäftigt ist, geht es mir ganz außergewöhnlich und eigentlich völlig unangemessen gut. Ich weine viel, aber ich kann auch lachen. Ich bin viel mit mir selbst beschäftigt, aber ich kann auch mit und für andere da sein. Ich empfinde überhaupt keinen Hader mit dem, was ist. Und an der Traurigkeit ist nicht Schlimmes, sie ist ein sehr lebendiges Gefühl, das seine Berechtigung hat. Wenn ich das vergleiche mit meiner Leidenszeit, so muss ich feststellen, Leid ist ein sumpfiger Morast, Traurigkeit ist ein klarer Bach. Und mir scheint, Leid ist im Kern nichts anderes als der Widerstand gegen den Schmerz der Traurigkeit. Und paradoxerweise macht es genau das so schlimm. Nicht das Leid ist also das Problem, sondern unser Widerstand dagegen. So zumindest erlebe ich es.
Und so kann ich also vorläufig schließen, dass mein tiefes Durchleben von Leid mir tatsächlich einen Zuwachs an unabhängiger Freude, an unabhängiger Kraft und Lebendigkeit in mein Leben gebracht hat. Heute lebe ich wirklich gerne. Früher wurde ich eher gelebt.
Liebe Grüße
Tanita